Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schießerei: War das Motiv Rache?

Nach den Schießerei­en in Hackenbroi­ch und in Breitschei­d bei Koblenz am Freitag brodelt die Gerüchtekü­che in beiden Orten. Die Staatsanwa­ltschaften ermitteln. Was bisher bekannt ist.

- VON RALF GRÜN, KLAUS D. SCHUMILAS UND MELANIE VAN SCHYNDEL

BREITSCHEI­D/HACKENBROI­CH Zwei Tote, zwei Verletzte - das ist die nüchterne Bilanz eines dramatisch­en Freitags. Dahinter steckt eine kaum für möglich gehaltene Brisanz und unfassbare Abfolge der Ereignisse. Sowohl in Breitschei­d im Westerwald als auch in DormagenHa­ckenbroich brodelt die Gerüchtekü­che, wird die bis dato dünne Faktenlage mit einer Menge von Gerüchten vermengt. Das sind die Fakten, die bis Dienstag bekannt und als gesichert gelten dürfen:

Ein 55 Jahre alter Kosovare, der in Hackenbroi­ch lebte, hat am Freitag gegen 11.25 Uhr vor dem Kiosk an der Neckarstra­ße mehrere Schüsse auf einen 36 Jahre alten Dormagener mit türkischer Staatsange­hörigkeit abgefeuert. Der 36-Jährige starb an Ort und Stelle. Daraufhin ist der Täter nach Breitschei­d gefahren. Dort feuerte er von der Straße aus durch das Wohnzimmer­fenster auf zwei Frauen, die schwer verletzt wurden. Nach Angabe der Staatsanwa­ltschaft Koblenz gegenüber der Rhein-Zeitung ist der Zustand der beiden Frauen (Mutter, 74 Jahre) und Tochter/34) stabil. Die Tatzeit liegt bei 14 Uhr. Danach fährt der Kosovare zurück nach Dormagen, wo er sich gegen 17 Uhr auf der Dr. Geldmacher­Straße in den Kopf schießt. Er wird zur intensivme­dizinische­n Behandlung ins Krankenhau­s gebracht, wo er wenig später verstirbt. Die 74-jährige Mutter konnte zwischenze­itlich gegenüber den ermittelnd­en Behörden Angaben machen. „Sie hat als mutmaßlich­en Täter den 55-Jährigen identifizi­ert“, so die Staatsanwa­ltschaft in Koblenz.

Die Hintergrün­de für die Schießerei in Hackenbroi­ch sowie in Breitschei­d sind unklar. Die Ortsbürger­meisterin in Breitschei­d, Rita Viccari, hat unterdesse­n in Gesprächen mit Bürgern einiges gehört, was Licht in die Sache bringen könnte, schreibt die Rhein-Zeitung. So habe es geheißen, dass der Täter ganz in der Nähe des Tatortes ein Haus gehabt habe. Ob der Mann das Haus angemietet hatte oder ob es ihm gehörte, sei unbekannt. Allerdings würden sich Anwohner daran erinnern, dass das Haus des Täters in der Vergangenh­eit von Polizeibea­mten durchsucht worden sei. Gegenüber Viccari sei in Gesprächen der Begriff Hehlerware­n gefallen. Eine Vermutung, warum der Mann ausgerechn­et auf die beiden Frauen in seiner Nachbarsch­aft geschossen haben könnte, ist, dass diese etwas Verdächtig­es beobachtet und die Polizei informiert haben könnten.

Unklar ist auch, warum der 55-Jährige, der eine Wohnung in Hackenbroi­ch gehabt haben soll, auf den 36-jährigen S. geschossen hat. Der Inhaber des benachbart­en Lebensmitt­elmarktes, der nur „Celo“genant wird, sagte gegenüber unserer Redaktion, dass es nur um eine Nichtigkei­t gegangen sei: „Etwas Privates, da wurde aus einer

Mücke ein Elefant gemacht.“Um Geld oder Schulden, wie es auch heißt, sei es nicht gegangen. Den Toten habe er sehr gut gekannt, er sein ein „lieber Kerl“gewesen, der in seinem Umfeld „sehr beliebt“gewesen sei, und „immer hilfsberei­t“. Er habe ihn auch zu sich nach Hause eingeladen, „was ich sonst nie mache“. Der Lebensmitt­elhändler hörte „sieben, acht Schüsse“, glaubte zunächst nicht, dass es tatsächlic­h eine so schrecklic­he Tat sein könnte. Als ein Nachbar reinstürmt­e und schrie, lief Celo mit nach draußen. Er sah das Opfer auf dem Boden liegen, „ich habe zusammen mit zwei anderen sofort versucht, Erste Hilfe zu leisten und habe die Wunden mit einer Jacke abgedeckt. S. war nicht ansprechba­r“. Nach ein paar Minuten sei dann ein Arzt gekommen. Den Täter habe er nicht gesehen, „darauf habe ich in dem Moment auch nicht geachtet“.

Es gibt aber auch Stimmen, die ein anderes Bild von dem Toten zeigen. Der soll versucht haben, Kontakt zur Rocker-Szene zu bekommen, habe sich als „brutalen Macker“aufgeführt, so ein szenekundi­ger Mann, der namentlich nicht genannt werden möchte, gegenüber der Redaktion. Laut Celo habe es über das Wochenende eine Spendensam­mlung für die Eltern gegeben, „es sind schon fast 15.000 Euro zusammenge­kommen. Fast 300 Leute haben Geld gegeben“.

Die Staatswalt­schaft Düsseldorf bestätigte auf Nachfrage der Redaktion, dass sowohl das Opfer wie auch der mutmaßlich­e Täter bereits strafrecht­lich in Erscheinun­g getreten seien. Der Täter sei auch wegen Gewaltdeli­kten in der Vergangenh­eit bereits vorbestraf­t gewesen, wie Pressespre­cherin Laura Hollmann mitteilte. „Die Ermittlung­en zu den genauen Hintergrün­den der Taten laufen weiter, wir stehen in stehen in engem Austausch mit den Kollegen in Koblenz“, sagte sie. Sie rechne mit weiteren Erkenntnis­sen in den nächsten Tagen.

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FOTO: JÖRG. NIEBERGALL Vor dem Tatort in Breitschei­d, wo die beiden Frauen angeschoss­en wurden, haben Menschen Kerzen aufgestell­t und Blumen abgelegt.

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