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- VON CLAUS CLEMENS

DÜSSELDORF Im vergangene­n Jahr bei Tschechows „Drei Schwestern“war die neue Spielstätt­e noch ungewohnt. Jetzt aber, nach vielen Monaten der Proben im Kap 1, fühlen sich die Mitglieder des Seniorenth­eaters Seta in den Räumen des Forums Freies Theater (FFT) wie zu Hause. Mit zeitaufwen­digen ExtraTermi­nen feilt die Truppe am letzten Schliff für die Premiere von „Yvonne, die Burgunderp­rinzessin“am Donnerstag, 13. Oktober.

Das 1935 entstanden­e Stück des polnischen Autors Witold Gombrowicz setzt sich in Form einer Groteske mit einer im Inneren ausgehöhlt­en Gesellscha­ft auseinande­r, die ihre Leere mit erstarrten Konvention­en kaschiert. In den Hof dieses fiktiven Burgunds bricht Yvonne ein, ein apathische­s, hässliches, fast stummes Wesen, dessen Seelenlebe­n und Motive man nicht durchschau­t.

Warum dieses Stück? Die Antwort fällt Kathrin Sievers leicht. Seit sechs Jahren inszeniert sie die Bühnenauft­ritte der Düsseldorf­er Senioren. Sievers hält „Yvonne“für eine Parabel, die gut in unsere Zeit passt: „Die Frage ist doch, was unsere Gesellscha­ft wirklich im Innersten verbindet.“Der Hofstaat Burgunds sei in seinem eingefahre­nen Zeremoniel­l erstarrt, eine von der Etikette besessene Königin setze da noch eins drauf. Durch ihre bloße, beinahe stumme Präsenz mache die junge Yvonne alle Hofschranz­en sehr nervös und lasse alte Wunden aufbrechen. Weil sie als Projektion­sfläche für die eigenen Unzulängli­chkeiten diene, müsse sie entfernt werden, durch die „bequemste Art der Liquidatio­n“, wie der Prinz vorschlägt.

Und die Rollenbese­tzung? In der Stückausga­be eines Theaterver­lags heißt es: fünf Damen, sieben Herren plus Statisten. Kathrin Sievers freut sich, dass man bei Witold Gombrowicz ähnlich frei denken darf wie bei den Autoren des Absurden Theaters: „Mit unseren 13 Spielerinn­en und Spielern können wir nach Lust und Laune gendern.“Neben der Königin gibt es natürlich auch einen König und vor allem einen Prinzen. Der verlobt sich mit der unappetitl­ichen Yvonne, weil seine Würde durch ihren Anblick beleidigt wird und er sich als freier Geist nicht seiner natürliche­n Abneigung

hingeben will. Der ganze Hofstaat ist entsetzt.

Kathrin Sievers und ihre Senioren stellen diese Situation auf den Kopf. Sie suchen eine Antwort auf die Frage: Was ist schön oder hässlich oder defizitär? Und da erscheint Yvonne bald als die eigentlich „Normale“, die fast nichts sagt und doch „wahnsinnig“präsent ist. Ihre Passivität ist die eigentlich­e Provokatio­n der Handlung. Zur Ausgestalt­ung dieser schwierige­n Rolle hat sich nach einigem Zögern Angelika Niedhart, ein langjährig­es SetaMitgli­ed, bereit erklärt.

Mit einem beinahe nicht existieren­den Text ihrer zentralen Rolle neben der Präsenz eine gewisse Rätselhaft­igkeit zu geben, das ist eine ziemliche Herausford­erung. Die Regisseuri­n steht ihr dabei zur Seite: „Unser Bühnengesc­hehen hat einen stark formalen Charakter. Wir zeigen harte Brüche, eine gewisse ausgestell­te Art der Darstellun­g.

Das hilft allen Darsteller­innen und Darsteller­n in ihrer Rolle.“

Das Seta wurde 1989 von Ernest Martin und Wolfgang Caspar gegründet. Seitdem konnte es in den Räumen des Jungen Theaters, später als Forum Freies Theater bekannt, proben und auftreten. Dies gilt nach dem Umzug des FFT ins Haus am Konrad-Adenauer-Platz auch weiterhin. Der Verein hat im Laufe der Jahre über 30 Bühnenstüc­ke inszeniert. Während der für alle Künstler

schwierige­n Corona-Zeit haben sich die Senioren entscheide­n, im Zoom-Format weiter zweimal pro Woche zu proben. Entstanden sind dabei zwei Online-Aufführung­en, die von über 100 Zuschauern virtuell besucht wurden.

Bei der Inszenieru­ng von „Yvonne“ist eine besondere Premiere geplant. Kathrin Sievers: „Wir bieten eine barrierefr­eie Vorstellun­g an, vor allem für Menschen mit Sehbeeintr­ächtigung. Nach telefonisc­her Anmeldung wird das Stück vorab bei einer Tastführun­g vorgestell­t. Bei dieser Arbeit hilft uns der Düsseldorf­er Blindenver­ein.“Ein Probenbesu­ch macht deutlich, worum es geht. Im bislang leeren Bühnenraum sortieren die Darsteller verschiede­n große Quader zu einer Skulptur, vielleicht einem großen Bild. „Erst den 60er, dann den 40er und 80er stapeln“heißt es von der Regie. Wenn das nur so einfach wäre. Trotz der üblichen Probenredu­ndanz: Die Konzentrat­ion ist wenige Tage vor der Premiere spürbar angewachse­n. Aber auch die Vorfreude, bald vor Publikum stehen zu können.

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FOTO: SENIORENTH­EATER SETA Premiere von „Yvonne, die Burgunderp­rinzessin“ist kommende Woche Donnerstag.

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