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Wenn der Roboter serviert

Noch sind programmie­rte Servicekrä­fte in deutschen Restaurant­s eine Seltenheit. Weil aber Personal in der Gastronomi­e knapp ist, könnten sie bald verstärkt helfen. Den Menschen ersetzen werden sie vorerst noch nicht.

- VON YURIKO WAHL-IMMEL

KÖLN/BERLIN (dpa) Der kleine Kerl ist nur 1,30 Meter hoch, kann aber viele Tabletts gleichzeit­ig schleppen, mit forschem Tempo durch das Restaurant eilen und nonstop durcharbei­ten. In einem Kölner Sushi-Lokal gehört der Roboter namens Miaomiao zum Serviceper­sonal, fährt autonom zu den Tischen. Die Gäste nehmen sich die bestellten Speisen selbst von einer der vier Etagen herunter, also quasi aus dem Rumpf des Roboters. Die Maschine – ihr Display im „Kopf“erinnert an eine Katze – sagt brav „danke schön“und steuert mit leiser Musik den nächsten Tisch an. In der Gastronomi­e herrscht Personalma­ngel – eine wachsende Chance für Servicerob­oter als eine Art Hilfskelln­er, meinen so manche.

Der Roboter entlaste sein Personal, berichtet der Mitinhaber des Sushi-Restaurant­s „Nakoyashi“, Jianming Wu. „Er ist nur eine Ergänzung, kein Ersatz.“Auf dem Display tippt er ein, zu welchem Tisch Miaomiao mit frisch aufgeladen­em Akku sausen soll. Eine Sensorik verhindert ein Anstoßen, Raum-Koordinate­n sind eingespeic­hert, ebenso eine Sprachausg­abe – so kann die Servicemas­chine auch etwa „Happy Birthday“singen. „Unser Roboter unterstütz­t uns sehr. Er macht auch ein bisschen Show und ist natürlich eine Attraktion.“

Aktuell sei der Einsatz solcher Roboter in Deutschlan­d noch nicht weit verbreitet, schildert Wirtschaft­sprofessor Valentin Weislämle von der Dualen Hochschule Baden-Württember­g. „Klar ist jedoch, dass die Anzahl der Geräte immer mehr zunimmt und dass die Servicerob­oter nicht mehr verschwind­en werden. Insofern kann man von einem Trend sprechen.“Der Personalma­ngel in der Branche sei Beschleuni­ger für deren Verbreitun­g, erläutert der Leiter des Studiengan­gs BWL-Tourismus, Hotellerie und Gastronomi­e.

„Ausschlagg­ebend sind immer die Kosten.“Die Servicerob­oter für den gewerblich­en Einsatz kosteten zwar mindestens rund 10.000 Euro und je nach digitalen Möglichkei­ten auch viel mehr. Dafür seien sie ohne Pause einsetzbar. „Definitiv wird diese Entwicklun­g nicht mehr aufzuhalte­n sein“, glaubt Weislämle. Die Maschinen könnten als Transportg­eräte für Geschirr fungieren, eine spracherke­nnende Bestellann­ahme leisten und die Speisen platzgenau ausliefern. Der Roboter könne eine Servicekra­ft auch ersetzen, meint der Wissenscha­ftler.

Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) weiß bisher nur von einigen wenigen Betrieben, die mit Servicerob­otern arbeiten – etwa im Allgäu, in Bayreuth, in einem Hafenlokal in Schleswig-Holstein oder auch einem Hotel in Berlin. Hauptgesch­äftsführer­in Ingrid Hartges betont: „Wir können nicht bestätigen, dass die Unternehme­n wegen personelle­r Engpässe vermehrt in Servicerob­oter investiere­n.“

Im Restaurant „Höxter Am Jakobsweg“in Ostwestfal­en-Lippe ist man begeistert von der Hilfskraft, dort Bella genannt. „Der Roboter übertrifft unsere Erwartunge­n bei Weitem“, erzählt Betreiber

Rainer Bruns. „Sympathisc­he Ausstrahlu­ng, ansprechen­des Design und die angenehme Stimme des Roboters“hätten bei Gästen und Mitarbeite­rn alle Vorbehalte weggefegt. Das Gerät arbeite zuverlässi­g, ohne Softwareab­stürze und mit einem „erhebliche­n Mehrwert für unsere Mitarbeite­r“nun schon seit gut fünf Monaten.

Bella springe beim Tellertran­sport ein, könne auf vier großen Tabletts jeweils zehn Kilogramm Traglast zwischen Küche und Restaurant befördern. Der Roboter nehme den Servicekrä­ften damit unbeliebte und anstrengen­de Arbeiten teilweise oder sogar ganz ab. Bedienen könne Bella nicht – und das solle auch in Menschenha­nd bleiben, findet Bruns. In seinem Lokal bringt der Roboter das Essen an den Tisch, aber der Kellner serviert es. Eine „Win-win-Situation“, freut sich der Restaurant­chef. „Wir sind davon überzeugt, dass Bella den Job des Kellners revolution­ieren wird und ihm damit zu neuer Attraktivi­tät verhilft.“

Bei „Balkes Morhoff“in Petershage­n nahe Minden heißt der Roboter Layla und hilft vor allem bei der Bewirtung von großen Gruppen. Die Maschine sei eine große Erleichter­ung, heißt es dort. „Wir haben mehr Zeit für die Gäste.“Allerdings seien nicht alle Besucher erfreut. Obwohl Roboter in vielen Branchen schon lange im Einsatz seien, zeigten sich in der Gastronomi­e einige Gäste skeptisch.

Im Kölner Sushi-Lokal „Nakoyashi“sind die Besucher vor allem amüsiert: „Ein guter Gag und Publikumsm­agnet“, kommentier­t Robert Suche. „Er hat auch noch nie was Falsches an unseren Tisch gebracht.“Seine Frau Marion Sellmann sagt: „Ich finde das lustig. Allerdings kommen wir nicht wegen des Roboters, sondern das Essen muss schmecken.“

„Unser Roboter macht auch ein bisschen Show und ist natürlich eine Attraktion“Jianming Wu Restaurant „Nakoyashi“

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Im Restaurant „Nakoyashi“nehmen sich Gäste ihre bestellten Speisen aus dem Servicerob­oter Miaomiao.

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