Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Milliardengewinn zum Jubiläum
Siemens ist jetzt 175 Jahre alt und legt trotz weltweiter Krisen eine starke Bilanz vor. Der Konzernumbau schreitet voran.
FRANKFURT Die Herausforderungen in diesem Jahr waren groß – die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine etwa oder die anhaltenden Lieferschwierigkeiten. Dennoch hat Siemens das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr mit einem riesigen Gewinn abgeschlossen: 4,4 Milliarden Euro standen am Ende im Jubiläumsjahr unter dem Strich. Der Industriekonzern ist in diesem Jahr 175 Jahre alt geworden. Ein solches Ergebnis war nicht zu erwarten. Operativ erzielten die Münchner sogar einen Rekordgewinn von 10,3 Milliarden Euro. Dazu habe auch das „enorm starke“vierte Quartal beigetragen, sagte Siemens-Chef Roland Busch. Wären da nicht die hohen Verluste, die Siemens Energy der Mutter eingebrockt hat, sähe der Jahresnettogewinn noch besser aus. So aber sank er um ein Drittel. Die Dividende soll aber um 25 Cent auf 4,25 Euro steigen.
Der Aktienkurs, der in den vergangenen Monaten geschwächelt hatte, machte jedenfalls einen Satz nach oben um fast sieben Prozent auf 129 Euro. Denn die Aktionäre freuten sich vor allem über den Ausblick: Da soll der Umsatz, der im abgelaufenen Geschäftsjahr auf vergleichbarer Basis um 8,2 Prozent auf 72 Milliarden Euro zulegte, nochmals steigen um sechs bis neun Prozent. Auch der Gewinn je Aktie vor Sondereffekten soll weiter wachsen auf 8,70 bis 9,20 Euro. Im vergangenen Geschäftsjahr lag der wegen der Sonderabschreibung auf Siemens Energy bei nur 5,47 Euro, ein Jahr davor bei 8,32 Euro. Das sei ein sehr ermutigender Ausblick, meint Gael de-Bray, Analyst der Deutschen Bank Research. Dies belege die Widerstandsfähigkeit der Gruppe und die starke strategische Ausrichtung.
Das Energiegeschäft hatte Siemens abgespalten und konzentriert sich inzwischen stärker auf IT und Digitaltechnologien. Die Nachfrage nach den Hard- und Softwareangeboten des Konzerns halte an, stellte Busch bei der Bilanzvorlage fest.
Dabei will Siemens das Geschäftsmodell im Softwarebereich auf ein Mietmodell umstellen – ähnlich wie das etwa der Softwarekonzern SAP seit Jahren tut. Die Umstellung ist jedoch meist mit Umsatzeinbußen verbunden, andererseits aber fließen die Mieteinnahmen regelmäßiger, als wenn Lizenzen einmalig verkauft werden.
Der Umbau des Geschäfts ist allerdings noch nicht beendet. So soll der Bereich mit großen Antrieben und Motoren zwar verkauft werden. Doch weil diese Sparte zunächst um drei Bereiche erweitert wird, könnte sich der Verkauf noch etwas verzögern. Denn die Niederspannungsund Getriebemotoren aus dem Bereich Motion Control werden mit eingebracht, ebenso die Fertigungstechnik-Tochter Sykatec und das Spezialgeschäft Weiss Spindeltechnologie. Im Laufe des Geschäftsjahres soll dann eine neue Einheit entstehen, die insgesamt 14.000 Mitarbeiter beschäftigt und etwa drei Milliarden Euro pro Jahr umsetzt.
An Arbeit wird es dem Industriekonzern jedenfalls so schnell nicht mangeln. Siemens freut sich über einen Rekordauftragsbestand von 102 Milliarden Euro, und immer noch bestellen die Kunden vor allem aus den USA und Europa. So gingen im abgelaufenen Geschäftsjahr 17 Prozent mehr Aufträge ein als ein Jahr zuvor. Stornierungen gebe es kaum. Nur China schwächelt wegen der Null-Covid-Politik etwas.
Dennoch will Siemens-Chef Busch die China-Aktivitäten ausbauen: In der Kernsparte Digitale Industrien sollen die Umsätze bis zum Jahr 2025 dort verdoppelt werden. Busch, der Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner jüngsten Chinareise begleitet hatte, ist überzeugt, dass die Politik eine verträgliche Lösung finden werde und es in nächster Zeit nicht zu „ganz großen“Veränderungen kommen werde. Denn die Abhängigkeiten der Weltregionen voneinander sei so groß, dass man versuchen werden, den Handel weiterzubetreiben.