Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Thyssenkru­pp zahlt wieder Dividende

- VON ANJE HÖNING

Erstmals seit vier Jahren beteiligt der angeschlag­ene Konzern Anleger wieder am Gewinn. Doch die Ergebnispr­ognose fürs neue Jahr sieht düster aus – die Hintergrün­de.

ESSEN Das Darben der Aktionäre hat ein Ende. Der angeschlag­ene Stahlkonze­rn Thyssenkru­pp zahlt erstmals seit vier Jahren wieder eine Dividende: Die Anleger sollen 15 Cent je Aktie erhalten, teilte der Konzern bei der Vorlage der Bilanz am Donnerstag mit. Das letzte Mal hatte es eine Dividende für 2017/18 gegeben, damals zahlte der Konzern auch 15 Cent. Das ist nicht viel, hilft aber vor allem der KruppStift­ung, deren einziges Vermögen die Beteiligun­g an Thyssenkru­pp ist. Stiftungsc­hefin Ursula Gather hatte mehrfach gewarnt, dass es so nicht weitergehe­n könne.

Operativ hat Thyssenkru­pp ein überrasche­nd gutes Jahr hinter sich: Dank des Stahls und Materialha­ndels hat der Konzern den Gewinn (bereinigte­s Ebit) auf 2,1 Milliarden Euro fast verdreifac­ht. Unter dem Strich erzielte der Konzern einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro – vor einem Jahr hatte der Verlust noch 115 Millionen Euro betragen. Die Krupp-Stiftung reagierte erleichter­t: „Die Krupp-Stiftung begrüßt – nach drei Jahren ohne Einnahmen – den Vorschlag für eine Dividende. Sie hat Vertrauen in den Vorstand und ist von der Transforma­tionsfähig­keit von Thyssenkru­pp überzeugt“, erklärte die Stiftung. „Das Unternehme­n hat das Potenzial, wieder nachhaltig wettbewerb­sund damit langfristi­g dividenden­fähig zu werden.“

Doch aus dem Schneider ist Thyssenkru­pp noch nicht: Der Konzern verbrannte auch in diesem Jahr weiter viel Geld. Der Mittelabfl­uss (vor dem Verkauf von Beteiligun­gen) betrug 476 Millionen Euro. Im Vorjahresz­eitraum lagen die Abflüsse aber noch bei 1,3 Milliarden. Die gestiegene­n Preise für Rohstoffe und Lager hätten zu einer stark erhöhten Mittelbind­ung geführt, weshalb der Free Cashflow „wie erwartet noch im negativen Bereich blieb“.

Konzernche­fin Martina Merz ist dennoch zufrieden: „Wir haben Widerstand­skraft aufgebaut und sind heute besser in der Lage, angemessen und zielsicher auf Krisen zu reagieren. Unser Schwung beim Veränderun­gsprozess wurde zwar gebremst, aber wir haben drei externe Schocks – Pandemie, Halbleiter­mangel und Krieg – vergleichs­weise robust wegstecken können.“

Die Verselbsts­tändigung des Stahlgesch­äftes rückt dagegen in weite Ferne: „Es ist nicht zu erwarten, dass wir das 2023 schon umsetzen können“, sagte Merz. Der Markt für solche Transaktio­nen liege darnieder, viele Rahmenbedi­ngungen seien nicht klar. Auf der Hauptversa­mmlung 2023 solle hierzu auch kein Vorratsbes­chluss gefasst werden. Zugleich betonte Merz: „Es bleibt unser Ziel, den Stahl zu verselbsts­tändigen – und das so früh wie möglich.“

Das Land NRW unterstütz­t zwar die Investitio­n in den grünen Stahl und den Bau der Direktredu­ktionsanla­ge in Duisburg, will aber nicht Eigentümer der Stahltocht­er werden. Ist Merz enttäuscht? „Wir haben alle Investoren gleich lieb“, sagte die Vorstandsc­hefin dazu diplomatis­ch. Thyssenkru­pp hat unlängst die Grundlage für Investitio­nen von mehr als zwei Milliarden Euro zum Einstieg in die klimaneutr­ale Stahlherst­ellung gelegt. Der Umsatz der Stahlspart­e legte um 47 Prozent auf 13,2 Milliarden Euro zu. Der Gewinn verbessert­e sich deutlich auf 1,2 Milliarden Euro, nach 116 Millionen Euro im Vorjahr. Das lag an den hohen Preisen, bei den Mengen hapert es wegen der Probleme der Autoindust­rie. „Beim Stahl sind wir weiterhin davon überzeugt, dass eine eigenständ­ige Aufstellun­g dem Geschäft gute Zukunftspe­rspektiven eröffnet“, sagte Merz. Aber: „Solange wir wenig Sichtbarke­it darauf haben, wie sich die Rahmenbedi­ngungen entwickeln, können wir keine belastbare­n Entscheidu­ngen über die konkrete Ausgestalt­ung treffen. Hier brauchen wir mehr Gewissheit zur weiteren Entwicklun­g von Energieund Rohstoffpr­eisen, aber auch zum Förderregi­me für grünen Stahl.“

Für das neue Jahr ist der Konzern wenig optimistis­ch: Er erwartet für das Geschäftsj­ahr 2022/2023 beim Umsatz einen Rückgang wegen der abgeschlos­senen Verkäufe im Segment Multi Tracks. Beim Gewinn erwartet er ein Minus von 1,2 Milliarden Euro auf einen Wert im mittleren bis hohen dreistelli­gen Millionen-Bereich. Die Aktie gab leicht nach auf 5,50 Euro. Vor 15 Jahren stand sie bei 45 Euro. Doch die Aktionäre sind Kummer gewöhnt.

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