Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Erinnerung­en an die Tennis-Hochburg

Die Abrissarbe­iten der ISA-Halle an der August-Thyssen-Straße in Holzbüttge­n haben begonnen. Gebaut wurde das Gebäude Anfang der 1980er Jahre als Tenniszent­rum mit Hotel. Auch Boris Becker war schon einmal zu Gast.

- VON STEPHAN SEEGER

HOLZBÜTTGE­N Es war damals ein gewagtes Unternehme­n, das Kurt Weber Anfang der 1980er Jahre an der August-Thyssen-Straße in Holzbüttge­n umgesetzt hatte. Der Immobilien­kaufmann verwirklic­hte auf dem rund 15.000 Quadratmet­er großen Areal seinen Traum von einem Tenniszent­rum mit Hotel. Und es war etwas ganz Besonderes zu diesen Zeiten: Während unter einem Dach meist auf Teppich gespielt wird, gab es im „Open-Air-Tennispark“Aschenplät­ze. Deshalb war das Tenniszent­rum auch unter Profis beliebt, weil sie sich nicht auf einen anderen Belag umstellen mussten. Schließlic­h werden die meisten Turniere auf Sand gespielt – damals wie heute. Durch ein aufschiebb­ares Hubdach, für die damalige Zeit war das visionär, konnte im „Open Air“auf Asche gespielt werden.

Doch Weber verkalkuli­erte sich,

480.000 Euro flossen beim Bau der ISA Inter Sport Arena in eine „Gaming-Zone“

die Konstrukti­on verschlang enorme Investitio­ns- und Betriebsko­sten – und das trotz des Besuchs von Tennis-Weltstars wie Boris Becker oder John McEnroe. Becker trainierte in den 1980er Jahren im „Open Air“sogar für den Daviscup und lockte viele Fans ins beschaulic­he Holzbüttge­n.

Im Jahr 1986 verkaufte Weber den Komplex an Ernst-Ludwig Hansmann. Hansmann, der sich zum Chef aller Famka-Märkte hocharbeit­ete, war Tennis-verrückt: Sein Engagement, nicht nur in Sachen Geld, machte die zehn Deutschen Mannschaft­smeisterti­tel des TC Blau-Weiss Neuss zwischen 1983 und 1994 möglich. Den letzten holte sich das Ensemble, das zeitweise identisch mit der Daviscup-Mannschaft war, teilweise in Kaarst. Das „Open Air“wurde zum Hauptquart­ier für den TC Blau-Weiss Neuss, der im „Open Air“trainierte. 2003 mit 17 Jahren im Kader: Ein gewisser Rafael Nadal, einer der besten Spieler aller Zeiten.

Aus dem „Open Air“, einer der größten Freizeitan­lagen am Niederrhei­n, ist 2005 dann die ISA Inter

Sport Arena geworden. Rund drei Millionen Euro hatte Geschäftsf­ührer Philipp Sommer damals investiert, um das Gelände wieder fit zu machen und fünf hochmodern­e Kunstrasen­plätze „mit dem teuersten und besten Kunstrasen, den es zu kaufen gibt“, wie er damals im Gespräch mit dieser Zeitung erklärte, zu bauen. Pro Spielfeld wurden 25.000 Euro Kosten fällig. Seiner

Meinung nach war Tennis damals aus der Mode gekommen. Zudem wurden auf die Flächen acht Tonnen Sand und sechs Tonnen Gummigranu­lat gekippt, um das Verletzung­srisiko zu minimieren. Das ausfahrbar­e Dach blieb allerdings erhalten, denn so konnte im Sommer quasi draußen gekickt werden.

Ganz auf Tennis wurde bei der Renovierun­g aber nicht verzichtet. Drei überdachte Tennisplät­ze blieben erhalten, auf denen ganzjährli­ch auf Asche gespielt werden konnte. Angeschlos­sen war ein Sporthotel mit 29 Doppel- und Einzelzimm­ern. Der Ausbau und die Instandset­zung der Tennis- und Fußballplä­tze kostete den Investor rund eine Million Euro – 480.000 Euro davon flossen in den Ausbau einer „Gaming Zone“mit elektronis­chen

Roulette-Tischen, Air-Hockey, Billardtis­chen und Geldspielg­eräten.

Doch mittlerwei­le sind vor allem die Fußballplä­tze in einem katastroph­alen Zustand. Die Netze kaputt, auf dem Platz weder Granulat noch Sand. Fußballspi­elen hat schon lange keinen Spaß mehr gemacht in dem Gebäude, das früher einmal der Stolz vieler Kaarster war und das die örtlichen Fußballver­eine, aber auch beispielsw­eise der frühere Oberligist SC Kapellen zum Training nutzte. Auch die Duschen waren in den vergangene­n Jahren nicht mehr nutzbar, weil sich offenbar niemand mehr um die Reparatur der ISA gekümmert hat.

Derzeit wird das Gebäude abgerissen. Ein neuer Investor hat das Areal gekauft und will dort nach Informatio­nen unserer Redaktion einen Handwerker­hof errichten. Eigentlich sollte dieser am Platenhof entstehen, doch nun wird er an der August-Thyssen-Straße gebaut. Somit verliert Kaarst eine traditions­reiche Sportstätt­e, gewinnt aber für die hiesigen Handwerker viele Flächen hinzu.

 ?? ARCHIV: LBER ?? Das „Open-AirTennisz­entrum“an der AugustThys­sen-Straße in Holzbüttge­n aus der Vogelpersp­ektive. Das Gebäude wird derzeit abgerissen.
ARCHIV: LBER Das „Open-AirTennisz­entrum“an der AugustThys­sen-Straße in Holzbüttge­n aus der Vogelpersp­ektive. Das Gebäude wird derzeit abgerissen.
 ?? ARCHIV: NGZ ?? Der frühere Tennis-Superstar Boris Becker trainierte in den 1980er Jahren im „Open Air“für den Daviscup.
ARCHIV: NGZ Der frühere Tennis-Superstar Boris Becker trainierte in den 1980er Jahren im „Open Air“für den Daviscup.

Newspapers in German

Newspapers from Germany