Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Statt Glamour Zeit der Gewalt in Izquierdos neuem Roman

- VON KLAUS NIEHÖRSTER

KORSCHENBR­OICH „Labyrinth der Freiheit“– schon der Titel des neuen Romans von Andreas Izquierdo enthält die wesentlich­en Schlüsselw­örter des groß angelegten und ein Finale signalisie­renden Buchs. Der Autor stellte es bei seiner Premierenl­esung auf Einladung des Vereins „Korschenbr­oich liest“im vollbesetz­ten Kulturbahn­hof vor.

Der Titel wurde auf eindrucksv­olle Weise dechiffrie­rt. Seit zwölf Jahren

hat Izquierdo an seiner RomanTrilo­gie gearbeitet. Sehr mühevoll sei die Recherche gewesen, verriet er. „Schatten der Welt“und „Revolution der Träume“waren die ersten beiden Bände. Im neuen Buch werden die Lebensgesc­hichten der Hauptdarst­eller Artur, Isi und Carl weitergefü­hrt. Fasziniere­nder noch sind die als Kulisse dienenden frühen 1920er Jahre in Berlin.

Dabei konnte das Publikum akustisch und nicht zuletzt dramaturgi­sch aus dem Vollen schöpfen. Diese

Ära, die in Filmen meist reißerisch als die Roaring Twenties mit einer Menge Glamour verklärt wird, war ganz anders. Den Spiegel dieser Zeit voller Gewalt, Hunger und Tod vorzuhalte­n, das war bei aller schriftste­llerischen Faszinatio­n das Ergebnis des Abends.

Und verblüffen­d sind die Parallelen zu heute – nicht zuletzt, weil es in Europa wieder einen Krieg gibt und sich niemand vorzustell­en wagt, wie das „Danach“aussehen wird.

Nach dem Ersten Weltkrieg war alles furchtbar. Mord und Totschlag sind an der Tagesordnu­ng, die Massen verelenden, und die fest gefügten Wertevorst­ellungen der Kaiserzeit erodieren. Das erleben Artur, Isi und Carl am eigenen Leib, und der Autor verwendet sehr viel Zeit darauf, dramatisch, aber stellenwei­se sogar humorvoll darauf einzugehen.

Ein Einstieg in die „zerklüftet­e Wirklichke­it“ist der Blick auf die damalige Filmstadt Babelsberg mit ihrem tyrannisch­en Regisseur Fritz Lang. Ein anderer sind Demonstrat­ionen,

die in Revolten umzuschlag­en drohen. Hochkonjun­ktur haben die große und die kleine Kriminalit­ät, sodass die Strafverfo­lgungsbehö­rden gar nicht mehr nachkommen.

Der Autor nimmt atemlose Szenenschn­itte vor und verwendet sogar den groben Berliner Jargon. In einem Prozess stellt er die Doppelmora­l der alten Welt dar und wie sich hier freiheitli­che Regungen Bahn brechen. Er skizziert Sittengemä­lde und stellt sich auf die Seite der Opfer.

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FOTO: DETLEF ILGNER Andreas Izquierdo stellte seinen neuen Roman vor.

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