Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mit Rasierschaum gegen 1500 Asia-Hornissen
Am Donnerstag ist ein geschätzt fünf Kilogramm schweres Nest der Asiatischen Hornisse aus einem Frimmersdorfer Straßenbaum entfernt worden. Zwei Fachleute sind den invasiven Tierchen mit speziellem Equipment zu Leibe gerückt.
FRIMMERSDORF Medienrummel am frühen Donnerstagabend auf der Frankenstraße in Frimmersdorf: Zahlreiche Journalisten von Radio, Fernsehen und Zeitung versammelten sich unweit des ReweMarktes in einem eigens gesperrten Abschnitt – die Objektive der Kameras in die Krone einer Linde am Straßenrand gerichtet. Denn da hing etwas, das es so in Grevenbroich noch nie gegeben hat: ein geschätzt fünf Kilogramm schweres Nest der Asiatischen Hornisse mit einem stattlichen Durchmesser von etwa 60 Zentimetern. Der Inhalt: quicklebendig. „Ich gehe davon aus, dass etwa 1500 bis 2000 Hornissen noch im Nest sind“, sagte Thomas Beissel, Hornissenberater aus dem Rhein-SiegKreis. Er war von der Unteren Naturschutzbehörde des Rhein-Kreises Neuss verständigt und mit der Beseitigung des XXL-Nests beauftragt worden.
So stieg Beissel mit seinem Kollegen Dirk Wacker während der einsetzenden Dämmerung – beide eingepackt in dicke „Astronautenanzüge“– in den Korb einer Feuerwehr-Drehleiter. Ihre Mission: die Tiere mit CO2 betäuben, anschließend mit einem Insektizid töten und das Nest verschließen. Dabei kamen auch denkbar einfache Mittel zum Einsatz. „Es klingt witzig, aber der Einsatz von Rasierschaum ist eine effektive Methode, um die Einfluglöcher zu verschließen“, sagte Beissel. „Da kommen die Tiere nicht durch.“Gesagt, getan: Zehn Minuten dauerte die Sprüh-Aktion in luftigen 15 Metern Höhe. Dann konnten die beiden Männer im Korb mit einer großen Schere den Ast kappen, an dem die summenden Tierchen monatelang ihr Nest gebaut hatten. Die Fachleute hievten den runden „Ballon“in ihren Korb – und tüteten ihn am Boden sicher ein.
Nicht nur Journalisten verfolgten das Spektakel auf der Frankenstraße: Unter den Zuschauern tummelte sich auch Ralf Dietrich vom Grevenbroicher
Schneckenhaus. „So ein Nest habe ich bisher nur auf Fotos gesehen, noch nie hier in Grevenbroich“, sagte er. Dietrichs Wunsch: Er wollte ein „Grevenbroicher“Exemplar der Asiatischen Hornisse sichern, um es Kindern zeigen zu können, die das Umweltzentrum besuchen. „Ich würde das gern in unsere Sammlung aufnehmen.“
Auch Anwohner waren nach draußen gekommen und richteten ihre Blicke in die Baumkrone. Viele hatten schließlich monatelang „nachbarschaftlich“mit den Asiatischen Hornissen gelebt. Und sie bewiesen auch bei der Beseitigung des Nests einigen Mut. Denn bevor es ans Eingemachte ging, hatte Thomas Beissel noch eine Warnung ausgesprochen: „Wenn ihr gestochen werdet, rennt – und zwar in geschlossene Räume. Der Stich an sich ist zwar nicht schlimm, ungefähr so wie ein Wespenstich. Aber wenn ihr gestochen werdet, seid ihr ,markiert‘. Dann dauert es keine 30 Sekunden, und es kommen noch mehr Hornissen.“
Obwohl bei der ungewöhnlichen Bergungsaktion so einige Hornissen aufgeschreckt wurden und wild umherflogen, ist es unterm Strich friedlich geblieben. Kein Stich, keine Komplikationen. Beissels Fazit: „Das Nest war schon relativ ruhig.“Der Fachmann sprach von einer „guten Größe“, es sei bereits das siebte Nest der invasiven Art, das er in diesem Jahr entfernt hat.
Dass die Aktion in der einsetzenden Dämmerung stattfand, hat einen Grund. Denn anders als die hier heimischen Hornissen sind ihre Artgenossen aus Asien nicht nachtaktiv. Das bedeutet: Mit der Beseitigung am Abend dürften die HornissenFachleute sehr viele Exemplare „daheim“erwischt haben. Die exotische Art soll bis Mitte Dezember und bei Temperaturen von bis zu fünf Grad aktiv sein – ein viel längerer Lebenszyklus als der der heimischen Hornissen. „Wir müssen die Asiatischen Hornissen töten, das ist eine EU-Vorgabe, weil es sich um eine invasive Art handelt“, begründete Beissel. Die Art sei 2004 zum ersten Mal in Frankreich gesichtet worden, mutmaßlich eingewandert durch einen Töpferwaren-Import aus China. Die Asiatischen Hornissen sind für den Menschen zwar nicht gefährlicher als die hier heimischen Arten. Allerdings breitet sich die Variante aus Fernost rasant aus – und gilt als Feind etwa von Bienen. Sie bedroht das hiesige Ökosystem.
Eines der etwa drei Zentimeter großen Tierchen kann Ralf Dietrich nun auch den Besuchern des Schneckenhauses zeigen: Er hat sich ein „abgestürztes“Exemplar in einem Bonbon-Döschen gesichert. Und das große Nest? „Das wird untersucht“, sagte Thomas Beissel. So soll eine ausführliche Bestandsaufnahme erstellt werden, die Forschung verspricht sich durch die Auswertung nähere Erkenntnisse über die Art.
Allzu große Hoffnung, dass sie nun Ruhe haben vor Asiatischen Hornissen, macht Thomas Beissel den Frimmersdorfern aber nicht. „Ich gehe davon aus, dass wir 250 bis 300 Jungköniginnen heute Abend nicht erwischt haben“, sagte er. Genau diese Jungköniginnen, die nun vermutlich irgendwo in der Nähe überwintern, werden im kommenden Jahr ausfliegen und neue Nester bauen. „Vorsichtig geschätzt: fünf bis zehn werden es sein.“Die Wahrscheinlichkeit, dass Beissel und sein Kollege 2023 wieder im Grevenbroicher Süden mit Schutzanzügen, CO2Lanze und Sprühdose unterwegs sein werden, ist also groß.
„Ich gehe davon aus, dass etwa 1500 bis 2000 Hornissen noch im Nest sind“Thomas Beissel Hornissenberater