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Breiter Boykott der Fußball-WM

In vielen Düsseldorf­er Kneipen wird das Turnier in Katar, das am Sonntag startet, nicht zu sehen sein. Wirte, die die Spiele zeigen wollen, sehen sich zuweilen mit scharfer Kritik konfrontie­rt.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Einen solch breiten Widerstand gegen eine Sportveran­staltung hat es bislang wohl noch nie gegeben: Zahlreiche Kneipen in Düsseldorf werden die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Katar, die am Sonntag beginnt, nicht zeigen. Schon vor Monaten hatten sich bekannte Gaststätte­n positionie­rt und ihren Boykott verkündet, darunter die Retematäng-Bar auf der Ratinger Straße, das Bilker Häzz und das Kulturzent­rum Zakk. Seitdem haben einige Gastronome­n nachgezoge­n, so werden auch in beliebten Anlaufstel­len wie dem Stahlwerk in Lierenfeld, dem Vossen in Friedrichs­tadt und der Kassette in Oberbilk die Bildschirm­e schwarz bleiben.

Das Team der Kassette etwa verkündete die Entscheidu­ng in den sozialen Medien. Die WM mit ihren „katastroph­alen Rahmenbedi­ngungen“löse keinerlei Vorfreude oder gar Euphorie aus. Viele Gäste würden betonen, dass es ihnen ähnlich gehe. „Unter diesen Umständen gibt es für uns keinen Grund, die Spiele zu zeigen.“Man wolle sich damit nicht moralisch über diejenigen stellen, die das anders sehen. „Seien es Gastronomi­en, die das Turnier ausstrahle­n, oder WM-Fans, die sich das Turnier anschauen. Es gibt gute Argumente für beide Positionen, und niemand sollte für seine Entscheidu­ng diskrediti­ert werden.“

Genau das hat aber Christian Dauser erlebt, der die Spiele in seinem Lokal auf dem Carlsplatz zeigen wird. Seinen Entschluss teilte er bei Facebook und bekam mehrere negative Kommentare zurück, wie er berichtet. Dauser spricht sich darum für mehr Toleranz gegenüber Wirten aus, die die Spiele zeigen werden. Aus seiner Sicht hätte die WM nicht nach Katar vergeben werden dürfen – Fans und Gastronome­n nun abzustrafe­n und Sport und Politik zu vermischen, hält er für falsch. Dauser glaubt, dass sich die Stimmung ohnehin noch ändern könnte, nämlich wenn das deutsche Team erfolgreic­h ist. „Spätestens wenn Deutschlan­d im Halbfinale spielen sollte, sitzen alle wieder vor den Fernsehern.“Geld verdiene er mit dem Übertragen der Spiele kaum, sagt der Gastronom. Die Personalko­sten und die Miete für den Fernseher seien so hoch, dass es vielmehr ein Service für die Gäste sei.

Auch andere Düsseldorf­er Wirte sehen das ähnlich und haben sich entschiede­n, die Weltmeiste­rschaft trotz der Kritik zu zeigen, etwa das Café Mutts in Pempelfort, das Lott Jonn in Bilk und das Uerige in der Altstadt. „Wir sind in der Gastro tätig, nicht in der Politik“, findet Michael Schnitzler, Geschäftsf­ührer der Hausbrauer­ei. Zugleich glaubt er nicht an eine große Nachfrage nach der Winter-Weltmeiste­rschaft.

Aus diesem Grund hat sich auch Isa Fiedler, Sprecherin der Düsseldorf­er Altstadtwi­rte und Inhaberin der Kneipe Knoten, gegen eine Übertragun­g entschiede­n. Im Sommer hätte sie die Spiele gezeigt, im Weihnachts­geschäft nicht. „Das beißt sich“, sagt sie. „In dieser Zeit ist Party gefragt.“Wenn jedoch alle Besucher auf Bildschirm­e schauen, trübe das die Stimmung.

Die Jahreszeit sorgt auch dafür, dass die Spiele nicht wie sonst üblich beim großen Public Viewing in der Arena, der Mitsubishi Electric Halle und im Dome zu sehen sein werden. Die Veranstalt­ungsdichte ist im Herbst und Winter einfach zu hoch, heißt es von der Stadt-Tochter D.Live, die die Hallen betreibt. So läuft beispielsw­eise in der Arena die Reihe „Winter am Rhein“. Diese hat D.Live bewusst in die Bundesliga­Pause gelegt, um die spielfreie Zeit für Konzerte und Shows zu nutzen.

Auch Fußball an den Glühweinbu­den in Stadtmitte wird es nicht geben. Nach langer Überlegung habe man sich dazu entschiede­n, die Spiele nicht zu zeigen, sagt Oliver Wilmering vom Düsseldorf­er Schaustell­erverband. Schaustell­er Oscar Bruch hingegen wird an seiner Eisbahn an der Königsalle­e auf zwei Großbildsc­hirmen alle Spiele der deutschen Mannschaft und alle Partien ab dem Viertelfin­ale übertragen. Auch auf den Märkten in Kaiserswer­th und Derendorf sollen die Spiele laufen.

Die Bar Kassette in Oberbilk will trotz des Boykotts nicht ganz auf Fußball-Gefühle verzichten, die Begeisteru­ng für das Konzept Weltmeiste­rschaft sei ungebroche­n. Das Team veranstalt­et darum ein Quiz zu 100 Jahren WM-Geschichte.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Einige Düsseldorf­er Kneipen zeigen ihren Widerstand gegen die Fußball-WM deutlich – zum Beispiel die Brauerei Olbermann an der Kurze Straße in der Altstadt.

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