Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Im Machtzentrum der CDU
Johannes Winkel sollte am Abend auf dem Deutschlandtag der Jungen Union zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt werden und die Nachfolge von Tilman Kuban antreten. Wer ist der 31-Jährige aus dem Siegerland?
DÜSSELDORF Es ist ein steiler, aber hart erarbeiteter Aufstieg, den Johannes Winkel in der Jungen Union hingelegt hat: Erst vor zwei Jahren wurde der Südwestfale zum NRWLandesvorsitzenden der Jugendorganisation der Unionsparteien gewählt, mit einem Traumergebnis von 99 Prozent der Stimmen. Am Freitag schickte sich der 31-Jährige an, Tilman Kuban auf dem Posten des Bundesvorsitzenden nachzufolgen. Der Wunschkandidat des scheidenden Vorsitzenden war Winkel dabei nie, dafür sind die beiden zu unterschiedliche Persönlichkeiten. Ein Versuch Kubans, den NordrheinWestfalen zu verhindern, scheiterte dem Vernehmen nach. Winkel sollte noch am Abend von den 1000 Delegierten in Fulda gewählt werden. Ein Gegenkandidat hatte sich bis zuletzt nicht aus der Deckung gewagt.
Hermann Gröhe, Hildegard Müller, Philipp Mißfelder und zuletzt Paul Ziemiak – das sind nur einige der Bundesvorsitzenden der Jungen Union mit Wurzeln in NRW. Und jetzt noch Johannes Winkel. Der Volljurist, geboren in Kreuztal bei Olpe, vereint dabei das Westfälische mit dem Rheinischen, ging er doch zum Jurastudium nach Stationen in München und St. Gallen in die Bundesstadt Bonn.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte einmal unserer Redaktion, Winkel könne in jungen Jahren pointiert auf die Lage seiner Generation aufmerksam machen, sei aber gleichzeitig auch ausgewogen und reif genug, andere für seine Positionen zu begeistern: „Ich halte ihn für ein großes Talent, weil er reifer ist als ich damals, als ich mit 25 zum JU-Landesvorsitzenden gewählt wurde.“
Winkel selbst bezeichnet sich parteipolitisch als Spätzünder. Erst mit 19 Jahren wird er bei der JU aktiv. „Daheim war niemand Parteimitglied, was ich im Rückblick als eher angenehm empfinde.“Die Eltern sind in der Kirchengemeinde und der Kolpingsfamilie aktiv. Winkel selbst ist Messdiener, in der Kolpingjugend, im Fußball- und Basketballverein. Das Elternhaus ist christlichsozial geprägt. „Zu Hause wurde bei uns viel diskutiert. Mit meinem Vater habe ich sonntags manchmal den ,Presseclub’ geschaut. Ich weiß noch, wie er da sagte: ,Ich verstehe nicht, wie man als christliche Partei gegen den Mindestlohn sein kann.“Seine Lehrer gehören eher dem linken Spektrum an. „Meine Sozialwissenschaftslehrerin meinte zu mir, sie sei aus der SPD ausgetreten, da diese ,nicht mehr links genug sei’.“Winkel hält schon zu Schulzeiten mit seiner Meinung nicht hinterm
Berg: „Da bin ich verbalen Auseinandersetzungen selten aus dem Weg gegangen.“
Der Gedanke reift: Wenn er was ändern will, genüge es nicht, politische Talkshows anzusehen. Mit Freunden reaktiviert er die Junge Union im sozialdemokratisch geprägten Kreuztal. Ein öffentliches Mandat hat Winkel bislang nicht bekleidet. „Meine erste Priorität lag auf dem Studium, das mit dem Staatsexamen auch gut funktioniert hat. Das war mir auch wichtig, um eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren.“Genau die lobt ein langjähriger Weggefährte: „Ihm hilft, dass er nicht nur im JU-Kosmos zu Hause ist. Er schaut über den Tellerrand hinaus: Ein ganz normaler, guter Typ, der mitten im Leben steht.“Zugleich sei Winkel extrem fleißig.
„Ihm macht es nichts, morgens früh quer durch NRW zu fahren, um bei einem Verband am Niederrhein als Redner aufzutreten.“
Für Krawall um der Aufmerksamkeit willen sei er nicht der Typ, sagt Winkel über sich selbst. Trotzdem scheut er nicht die klare Kante in der politischen Auseinandersetzung. Auffallend kritisch setzte er sich noch vor der Landtagswahl mit der Grünen Jugend auseinander, der er insbesondere die Wirtschaftskompetenz absprach. Inzwischen regieren Grüne und CDU gemeinsam in Nordrhein-Westfalen. Man darf annehmen, dass es für Winkel alles andere als eine Wunschkoalition ist. Außer für seine außen- und wirtschaftspolitischen Schwerpunkte interessierte sich Winkel seit jeher für die Bildungspolitik – für die JU ein Kernthema. Im Wahlkampf forderte Winkel als einer von wenigen, die CDU müsse das ungeliebte Bildungsressort in NRW wieder für sich beanspruchen. So kam es am Ende dann auch.
Zuvor hatte er sich im Rennen um den Führungsanspruch in NRW früh auf die Seite von Hendrik Wüst geschlagen, war dann im Landtagswahlkampf mit dem „Team Wüst“omnipräsent. Und er machte kein Hehl daraus, dass er sich Friedrich Merz an der Spitze der CDU Deutschlands wünschte – auch wenn dieser sich zunächst Armin Laschet geschlagen geben musste, ehe es dann doch zum Parteivorsitz reichte. Der direkte Draht zu Wüst und Merz, zwei Machtzentren in der CDU, dürfte Winkel in seiner neuen Rolle noch sehr nützlich werden.