Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Sichere Kommunikation für Europa
Mit Iris2 will die EU unabhängig von Elon Musk und dessen Satelliten werden.
BRÜSSEL Elon Musks Starlink-Satellit sollte die Koordinierung der ukrainischen Verteidigung verstärken, dann plötzlich wollte der Tech-Milliardär sein System abschalten, wenn die USA nicht mehr dafür zahlten. Dieses Hin und Her machte dem letzten Zweifler in der EU klar, wie wichtig eine sichere eigene Kommunikation gerade in Krisen- und Kriegszeiten ist. Das mag dazu beigetragen haben, dass sich der Rat der Regierungen der Europäischen Union und das Europaparlament am Donnerstagabend unerwartet schnell auf ein eigenes Satelliten-System verständigten. Es soll bereits 2024 starten und bis 2027 stehen.
Sechs Milliarden Euro sind dafür angepeilt, 2,4 Milliarden davon aus dem EU-Haushalt. Der Rest soll vor allem in einer Partnerschaft mit Privatunternehmen gehoben werden. Start-ups sollen neue Chancen erhalten und den Standort Europa für sichere Kommunikation nach vorn bringen. Das Projekt heißt Iris2, und das leitet sich ab von der englischen Bezeichnung für das Programm namens „Infrastruktur für Resilienz, Vernetzung und Sicherheit durch Satelliten“– und das „im Quadrat“soll offenbar nicht nur das doppelte S aus Sicherheit und Satellit auffangen, sondern auch ein Hinweis auf die großen Ambitionen sein.
„Das ist historisch“, sagte EUKommissar Thierry Breton nach der Einigung. Und zwar auf Twitter, dem von Musk übernommenen Kurznachrichtendienst. Er hatte das Projekt mit besonderer Energie Anfang des Jahres auf den Weg gebracht. Nun freute er sich entsprechend: „Ein großer Schritt für unsere Widerstandskraft – und ein riesiger Sprung für unsere technologische Souveränität.“Deutschlands Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, begrüßte die MilliardenEntscheidung der EU. Die Pläne für ein sicheres und autonomes weltraumgestütztes System seien „ein wichtiger Schritt, uns von einseitigen Abhängigkeiten zu lösen“. Der FDP-Politiker unterstrich, Iris2 sei die
„dritte Säule zur Stärkung der strategischen Unabhängigkeit der EU im Weltraum und am Boden“– also eine „sinnvolle Ergänzung der beiden Flaggschiffe des EU-Weltraumprogramms Galileo und Copernicus“.
Iris2 soll vor allem drei Anwendergruppen zugutekommen: Regierungsstellen für ihre nationale und internationale Kommunikation, dem Militär in Europa und über Internet-Dienstleister auch der gesamten EU-Bürgerschaft. Und zwar so, dass selbst bei einem Ausfall der Bodenstationen die Kommunikation über das All gesichert ist. Damit könnten auch die derzeit noch vorhandenen „weißen Flecken“auf Deutschlands Internet-Landkarte verschwinden, also vor allem in ländlichen Regionen.
Alle Daten sollen einer speziellen Verschlüsselung unterliegen. Auch das ist Teil des im Frühjahr entwickelten „strategischen Kompasses“der EU, mit dem sie Europa autonomer, sicherer und robuster gegen Cyberangriffe machen will. Vor allem die Unabhängigkeit von amerikanischen und chinesischen Satellitensystemen wird angestrebt. Dabei konzentriert sich die EU, anders als die Konkurrenten, allein auf den eigenen Kontinent. Allerdings legt die Pläne nahe, auch Teile Afrikas zu versorgen – und damit auch ein Versprechen wachsender Infrastruktur-Unterstützung zu erfüllen.