Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Genossenschaft soll Wohnraum schaffen
Jüchen braucht Wohnraum, bis 2039 sind 1170 Wohneinheiten nötig. Statt eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft zu gründen, will die Stadt ein Genossenschaftsmodell ausprobieren. Wie das funktioniert und wo gebaut werden soll.
JÜCHEN Etliche Jalousien an den Fenstern sind heruntergelassen, die Tordurchfahrt versperrt ein Gatter. Ein trauriges Bild bietet der marode Gebäudekomplex aus den 1920er/30er Jahren. Doch die Grundstücke an der Holzer Straße 68 bis 72 in Hochneukirch sollen Pilotprojekt für etwas Neues werden. Die Stadt plant die Gründung der Wohnungsgenossenschaft „Jüchener Wohnen eG“, um im Stadtgebiet mehr Wohnraum zu schaffen. Bis zu zwölf Wohnungen könnten auf dem Areal an der Holzer Straße entstehen. Ein erster Schritt – weitere Projekte könnten folgen. Am Donnerstag, 24. November, soll der Hauptausschuss unter anderem entscheiden, ob die Stadt der Genossenschaft beitritt und damit
„Wenn das Pilotprojekt ein Erfolg wird, möchten wir weitere Bauprojekte verwirklichen“Oswald Duda Technischer Dezernent
zusammen mit der Serviceund Koordinierungsgesellschaft des Rhein-Kreises Neuss in Jüchen ein Referenzprojekt realisiert. Der Handlungsbedarf jedenfalls ist immens: Laut der vom Kreis in Auftrag gegebenen Analyse des Bochumer Unternehmens InWIS Forschung & Beratung müssen in Jüchen bis zum Jahr 2039 1170 Wohnungen geschaffen werden, darunter 404 Mietwohnungen. Ein Handlungsinstrument dafür könnte eine Wohnungsbaugesellschaft sein. Anfang des Jahres war im Hauptausschuss das Konzept für eine gemeinsame Gesellschaft mit Grevenbroich, Rommerskirchen und Bedburg vorgestellt worden – doch die Jüchener Politiker haben das Vorhaben zurückgestellt. „Die Stadt hätte sich mit bis zu fünf Millionen Euro Kapital beteiligen sollen – bei sechs Prozent Anteilen an der Gesellschaft. Das wäre eine zu große Hausnummer geworden“, erklärt der Technische Dezernent Oswald Duda.
Stattdessen soll jetzt eine andere, für die Stadt deutlich preiswertere Lösung ausprobiert werden: ein Genossenschaftsmodell. Die Stadt würde dabei die 1040 Quadratmeter große Fläche an der Holzer Straße im Wert von 132.000 Euro sowie 330.000 Euro für den Abriss der nicht mehr wirtschaftlich zu sanierenden Gebäude einbringen. Die Stadt hatte die Immobilien vor Jahren zur Entwicklung des Quartiers im Zuge des Bebauungsplans Verlängerte Römerstraße erworben. Weitere Genossenschaftsmitglieder sollen unter anderem künftige Mieter in Neubauten werden. Sie müssen mindestens einen 500-Euro-Anteil halten. Die Investitionen für den Neubau sollen unter anderem über Kredite und Tilgung durch Mieterträge finanziert werden.
In den Genossenschaftsgremien Aufsichtsrat und Generalversammlung soll neben der Stadt die Service- und Koordinierungsgesellschaft vertreten sein. Ihre Aufgabe ist laut Kreissprecher Benjamin Josephs die Beratung der kreisangehörigen Kommunen „bei der Schaffung von preisgünstigem Wohnraum“. Ebenfalls im Boot und in den Gremien soll die Pyramis Immobilien Entwicklungs GmbH mit Sitz in Münster sein. Sie ist bereits in mehreren Kommunen mit dem genossenschaftlichen, sogenannten „Detmolder Modell“aktiv geworden. „Mit der Kreisgesellschaft und Pyramis haben wir fachkundige Partner mit an Bord“, sagt Duda. Die Verwaltung schlägt vor, dass der Dezernent sowie ein Vertreter der Firma Pyramis den Vorstand der Genossenschaft bilden werden.
Duda sieht in dem Modell mehrere Vorteile für die Stadt. So wird laut Verwaltung der städtische Haushalt nicht dauerhaft belastet, die Stadt braucht etwa auch keine Bürgschaft übernehmen. Sie hat aber umfassenden Einfluss auf die Gesellschaft. Ein weiterer Plus-Punkt: Die Genossenschaft ist bei Planung und Bau nicht an öffentliches Vergaberecht gebunden, kann sich ihre Auftragspartner „aufgrund autonomer wirtschaftlicher Entscheidungsfindung auswählen“.
Pläne, wie der Neubaukomplex an der Holzer Straße aussehen soll, bestehen laut Duda noch nicht, an öffentlich geförderte Wohnungen ist dort nicht gedacht. Aber der Dezernent betont: „Wenn das Pilotprojekt ein Erfolg wird, möchten wir mit diesem Modell weitere Projekte im Stadtgebiet verwirklichen. Wir wollen deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und dabei auch städtebauliche Akzente setzen.“