Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Algorithmen helfen bei der Personalwahl
Der Fachkräftemangel wird immer drängender. Das führt häufig dazu, dass viele Unternehmen auch Leute einstellen, die eigentlich gar nicht so recht zu dem Job passen. Aber auch Bewerber wählen ihre Arbeitgeber oft nicht präzise aus.
Der Fachkräftemangel erreicht in Deutschland immer wieder neue Höchststände. Im Juli waren 49,7 Prozent der Unternehmen beeinträchtigt. Das geht aus einer Erhebung im Rahmen der ifo-Konjunkturumfragen seit dem Jahr 2009 hervor. Der bisherige Rekord vom April (43,6 Prozent) wurde damit deutlich übertroffen. Mittel- und langfristig dürfte dieses Problem noch schwerwiegender werden.
Diese Situation führt dazu, dass viele Unternehmen einfach jeden Bewerber einstellen, der auch nur einigermaßen von den formalen Qualifikationen her zu einer Stelle passt, beobachtet Alexander Cisik, Professor für Wirtschafts-, Organisationsund Arbeitspsychologie an der Hochschule Niederrhein. „Der Druck ist in vielen Unternehmen derart hoch, dass immer öfter personelle Fehlentscheidungen getroffen werden. Dann kommt schnell zusammen, was nicht zusammengehört“, sagt Cisik. Und das sei für beide Seiten ein Problem. „Die Unzufriedenheit steigt, was wiederum zu schlechten Arbeitsergebnissen, massiven Fehlzeiten und hoher Fluktuation führen kann. Die Folge sind ständige Ausschreibungs-, Bewerbungsund Einstellungsprozesse.“Daher rät der Psychologe dazu, ein professionelles Screening (Prüfung) und Matching (Zusammenführung) durchzuführen, damit diejenigen Unternehmen und Mitarbeiter zusammenfinden, die wirklich auch zusammenpassen.
Bei der Bewerberprüfung wird festgestellt, welche Ausbildung, Erfahrung und Kompetenzen, (bü) Gewerkschaft Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Gewerkschaft Verdi in der Pflegebranche tariffähig ist und damit auch entsprechende Tarifverträge abschließen kann. Ein Arbeitgeberverband für Pflegeeinrichtungen hatte vergeblich die Tariffähigkeit „mangels Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite“bezweifelt. Die auf die Feststellung einer teilweisen Tarifunfähigkeit gerichtete Klage war unzulässig. Die Tariffähigkeit sei die rechtliche Fähigkeit, im selbst beanspruchten Organisationsbereich wirksam Tarifverträge mit dem sozialen Gegenspieler abzuschließen. Diese Fähigkeit sei für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einer Vereinigung einheitlich und unteilbar. Somit gebe es keine teilweise, auf bestimmte Branchen, Regionen, Berufskreise oder Personengruppen beschränkte Tariffähigkeit einer Koalition. (BAG, 1 ABR 24/21) (tmn) Krankmeldung Wer krank ist und nicht zur Arbeit kommen kann, muss seinem Arbeitgeber direkt Bescheid geben. Die sogenannte Anzeigepflicht legt fest, dass Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich melden sollen. Eine besondere Form ist dafür laut Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht,
vor allem aber auch Persönlichkeit ein Bewerber mitbringt. Ziel des Screenings ist es, zu entscheiden, ob der Bewerber in die engere Auswahl kommt, oder ob die Bewerbung aber nicht vorgeschrieben. Die Mitteilung kann mündlich, telefonisch, per SMS, Fax oder E-Mail erfolgen. Und: Auch Angehörige oder Kollegen können den Arbeitgeber darüber informieren. Wichtig sei, dass der Arbeitgeber informiert wird – denkbar sind also Geschäftsleitung, Personalabteilung oder unmittelbarer Vorgesetzter, wenn der zur Entgegennahme befugt ist. „Eine Mitteilung an den Betriebsrat, die Telefonzentrale oder den Pförtner reicht natürlich nicht aus“, betont Markowski. Andere Personen könnten also als Bote beauftragt werden, den Arbeitgeber zu informieren. Der Haken: Geht das schief, fällt das auf die erkrankte Person zurück. Und wer als Beschäftigter wiederholt gegen die Anzeigepflicht verstößt, kann erst abgemahnt und schließlich auch verhaltensbedingt gekündigt werden.
abgelehnt wird. Unter Matching wiederum wird allgemein der Abgleich von Arbeitgeberanforderungen mit Bewerberkompetenzen verstanden, der immer häufiger automatisiert abläuft, heißt es beim digitalen Personalmanagementunternehmen Softgarden. Algorithmen seien heute in der Lage, anhand von vorprogrammierten Auswahlregeln
und statistischen Auswertungen die für ein Unternehmen passenden Kandidaten zu identifizieren.
Apropos Algorithmen: „Einstellungsalgorithmen sollen Personalchefs dabei helfen, weniger Zeit mit dem Lesen von Lebensläufen zu verbringen, die nicht den Stellenanforderungen entsprechen. Anstatt Lebensläufe von
Hand zu durchsuchen, um herauszufinden, welche Bewerber über einen bestimmten Berufsabschluss verfügen, können Personalverantwortliche nun auf ein Programm vertrauen, das die Bewerber automatisch filtert“, heißt es dazu beim US-Personalunternehmen Aerotek.
Für Arbeitssuchende bedeute das laut Aerotek, dass Algorithmen eine Art Türhüter seien. Sie stellten vielleicht nicht das größte Hindernis für eine Einstellung dar, aber sie könnten die Möglichkeiten einschränken, wenn Bewerber nicht aufmerksam seien. Sie müssten also die Algorithmen überwinden, um die Chance zu erhalten, als Kandidat im weiteren Auswahlprozess zu glänzen.
„Auch wenn sich die Technologie zur Unterstützung der Personalbeschaffung immer weiterentwickelt, bleibt das menschliche Element ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses. Daher müssen auch Bewerber in einem Screeningund
Matching-Verfahren den Vorgaben des Algorithmus entsprechen“, betont Alexander Cisik.
Mit seinem Start-up Matchpoint Campus, das er gemeinsam mit René Steinwartz und Phillip Sandkühler als Algorithmus-basierte Online-Plattform entwickelt hat, die zentrale Elemente von Self Assessments und Jobbörsen in einer App verbindet, unterstützt der Psychologieprofessor Unternehmer und Bewerber gleichermaßen, sich optimal im Arbeitsbeziehungsweise Bewerbermarkt zu positionieren und so den richtigen Job beziehungsweise die passenden Mitarbeiter zu finden. „Wir stellen ein digitales Portal zur Verfügung, auf dem sowohl Bewerber als auch Unternehmen ein Screening durchlaufen. So reflektieren sich beide selbst, lernen sich besser kennen und spüren dann im Matchingprozess viel genauer, was sie erreichen und mit wem sie bestmöglich zusammenarbeiten können und wollen.“Der Algorithmus liefere dabei die Basis für die Vorentscheidung für einen Bewerber beziehungsweise ein Unternehmen. Und das funktioniere am besten, wenn das Screening professionell und ehrlich durchgeführt werde.
RECHT & ARBEIT
„Der Druck ist in vielen Unternehmen derart hoch, dass immer öfter personelle Fehlentscheidungen getroffen werden“Alexander Cisik Wirtschaftspsychologe