Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Im Fort Knox wächst die Anspannung

- VON ARNE RICHTER UND KLAUS BERGMANN

Die Zeit bis zum Japan-Spiel ist knapp. Hansi Flick schärft die Sinne. Und Manuel Neuer bestimmt das Gesprächst­hema am Mittagstis­ch des Teams.

AL-SHAMAL (dpa) Der Shirt von Hansi Flick flatterte im Wüstenwind. Der Bundestrai­ner schaute bei der Trainingsg­ruppe um seine Rückkehrer Niklas Füllkrug, Thomas Müller und Antonio Rüdiger in der deutschen Trainingst­rutzburg in Al-Shamal am Sonntag ganz genau hin. Im von Oliver Bierhoff zum „Fort Knox“erkorenen Übungsarea­l mit den dicken Backsteinm­auern und den vier markanten roten Türmen wurde weiter geschuftet. Flick war unter dem Flutlicht fokussiert. Der Bundestrai­ner hat in den Titel-Modus geschaltet. Die Turbo-Vorbereitu­ng der Fußball-Nationalma­nnschaft auf den WM-Start gegen Japan läuft - und die Signale sind positiv.

Sturmhoffn­ung Füllkrug kehrte nach nur einem Tag Pause wegen seines grippalen Infekts gleich wieder ins Teamtraini­ng zurück. Müller und Rüdiger haben nach wochenlang­er Pause ihre Muskelbles­suren wohl rechtzeiti­g auskuriert und die erste große Belastung überstande­n. Das ist wichtig, denn die Zeit rennt. Die nur 100 Stunden zwischen erstem Teamtraini­ng in Katar am Samstag und dem Anpfiff am Mittwoch (14 Uhr/ARD und MagentaTV) im Chalifa Internatio­nal Stadium von Doha zerrinnen förmlich wie Wüstensand zwischen den Händen.

„Wir alle sind einen Ticken angespannt. Wir können es kaum erwarten, dass die WM losgeht“, sagte Bayern-Angreifer Serge Gnabry. Manuel Neuer hat die ungewöhnli­che Situation vor seiner vierten WMEndrunde erkannt. „Es ist natürlich etwas Besonderes, es sind andere Umstände, weil die Vorbereitu­ng sehr kurz ist“, sagte der DFB-Kapitän und mahnte darum volle Konzentrat­ion an.

Neuers Ansage ist eindeutig. Jetzt darf nur noch Fußball gespürt, gelebt und gedacht werden. So kann der Zeit-Nachteil, der für alle Turnierfav­oriten gleicherma­ßen gilt, aber für die deutschen Turniertug­enden besonders abträglich ist, kompensier­t werden. „Wichtig wird sein, dass wir viel miteinande­r reden. Gerade die Zeit, die wir jetzt nicht haben, um Sondertrai­ningseinhe­iten zu absolviere­n, müssen wir zum Beispiel beim Essen miteinande­r über Fußball sprechen“, forderte Neuer (36), der in Katar zum WM-Rekordtorw­art werden will.

Auch Bierhoff mahnte einen konzentrie­rten Countdown auf das komplizier­te Auftaktspi­el gegen Asiens Rekordcham­pion an. Alle wissen: Schon durch ein Remis gegen die schnellen und unbequemen Japaner würde der Druck für das vier Tage später folgende Gruppentop­spiel gegen Spanien enorm anwachsen. „Für uns könnte es ein Nachteil sein, dass wir nicht zwei, drei Wochen Vorbereitu­ng haben“, sinnierte Bierhoff. „Die deutsche Mannschaft hat immer von der Gruppe gelebt und nicht von dem Individuum. Das ist für uns jetzt auch wichtig, trotz der Qualität der einzelnen Spieler, die wir haben.“

Die deutsche Mannschaft ist für Bierhoff „nicht der Turnierfav­orit“, aber ein Kandidat für den Titelgewin­n. Themen abseits des Sports, wie die Debatte um die weiterhin von der Fifa verbotene One-LoveKapitä­nsbinde von Neuer oder das Bierverbot der katarische­n Gastgeber für Fans in den Stadien, dürfen nicht ablenken.

Am Sonntagabe­nd stand noch ein gesellscha­ftspolitis­cher Termin an. Im Stadion des Al-Shamal Sports Club sollte mit 20 Mädchen aus der Region gekickt werden. Beim Training durften sie schon zuschauen. Die Fifa organisier­t so eine GoodWill-Aktion für alle 32 WM-Teams.

Den Fokus verschiebe­n darf das nicht. „Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass das ein harter Kampf sein wird. Es wird keine Zauberei sein“, lautete Bierhoffs WMPropheze­iung. „Wir sind gewarnt, von der ersten Minute an voll fokussiert zu sein. Dann ist mit der Mannschaft alles möglich“, sagte er. Das Debakel in Russland vor vier Jahren mit dem historisch­en Vorrundena­us sitzt noch in den deutschen Hinterköpf­en.

Auch Gnabry machte nochmals klar, wie wichtig ein guter Start ist und erinnerte an die Sieben-TitelSerie mit Flick vor nicht langer Zeit beim FC Bayern. „Das Ganze kommt durch die Erfolgserl­ebnisse, durch die guten Spiele, durch die Siege, wo dann dieser Spirit und der Erfolgshun­ger wachsen kann“, sagte der Münchner Angreifer.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Die Zeit wird knapp bis zum ersten Spiel: Bundestrai­ner Hansi Flick während des Trainings mit der Nationalma­nnschaft am Samstag im Al-Shamal-Stadion.

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