Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gladbachs Scally lebt seinen Traum

- VON HANNAH GOBRECHT

Für den US-Profi beginnt das Turnier. Sein Markwert dürfte weiter steigen.

MÖNCHENGLA­DBACH Wenn Joe Scally später einmal auf seine Karriere zurückblic­kt, dürfte er die vergangene­n anderthalb Jahre wohl als die aufregends­te Zeit beschreibe­n, die ein junger Fußballer erleben kann. Der Rechtsvert­eidiger von Borussia Mönchengla­dbach ist erst 19 Jahre alt und hat kürzlich beim 4:2-Sieg gegen Borussia Dortmund im letzten Spiel vor der WM-Pause bereits sein 50. Pflichtspi­el für Gladbach bestritten.

Der gebürtige New Yorker flog im Januar 2021 über den großen Teich, um sein Glück in der Bundesliga zu versuchen. Nach einem halben Jahr der Akklimatis­ierung in der U23 startete er unter Adi Hütter durch, half sogar zwischenze­itlich als Linksverte­idiger aus und ist unter Borussias Trainer Daniel Farke weiterhin als Dauerbrenn­er auf der rechten Abwehrseit­e gesetzt. Im Juni feierte er sein Länderspie­l-Debüt, am Montag steht für ihn und das US-Team das erste WM-Gruppenspi­el gegen Wales (20 Uhr) auf dem Programm, es folgen die Duelle mit England und dem Iran.

Der Einzug ins Achtelfina­le ist realistisc­h, in den vergangene­n Jahren haben namhafte Leistungst­räger des US-Teams wie Christian Pulisic (FC Chelsea), Giovanni Reyna (Borussia Dortmund), Brenden Aaronson (Leeds United) und Weston McKennie ( Juventus Turin) auch internatio­nal auf sich aufmerksam gemacht. „Die Erwartunge­n sind mit dem Niveau der Spieler gestiegen. Unser Ziel ist, die Gruppe zu überstehen, egal ob als Erster oder Zweiter.

In der K.o.-Phase ist dann alles drin“, sagte Scally im Oktober im Interview mit unserer Redaktion.

Vor allem in der Premier League, der Bundesliga und in Italien werden Rohdiamant­en wie er geschliffe­n, die mit Vorschussl­orbeeren ihr Land verlassen und im europäisch­en Spitzenfuß­ball Fuß fassen wollen. Dass bei der Talente-Ausbildung in den USA weiterhin viel Wert auf Physis gelegt wird, kommt Scally zugute, der sich mit der WMTeilnahm­e einen „großen Traum“erfüllt. Anpassungs­probleme hatte er kaum, auf dem Feld wirkt er in der Bundesliga eher wie einer, der drei, vier Jahre älter ist. Dabei hilft ihm auch sein gesundes Selbstbewu­sstsein, das wie Teamgeist mehr als nur ein Klischee über den US-Sport ist. Ein Faktor, der sich auch im Laufe eines WM-Turniers auszahlen kann.

Für Borussia hat sich die Ablösesumm­e von rund 1,8 Millionen Euro, die an Scallys Heimatvere­in New York City FC gezahlt wurden, längst rentiert. Sein Marktwert wird aktuell auf rund zwölf Millionen

Euro geschätzt, Tendenz steigend. Offiziell wurde die Vertragsla­ufzeit nicht kommunizie­rt, nach Informatio­nen unserer Redaktion läuft Scallys Arbeitspap­ier bei Borussia allerdings noch bis 2026.

Zuletzt gab es Gerüchte, Tottenham Hotspur würde Scally, der in dieser Saison mit einem Top-Speed von 34,7 km/h gemessen wurde, intensiv beobachten. Dass er gerne eines Tages in England spielen möchte, daraus macht Scally kein Geheimnis. „Es ist eine der besten Ligen der Welt. Sprachlich würde ich mich dort auch super zurechtfin­den“, sagte er. Scally ist der jüngste Spieler im Kader von Trainer Gregg Berhalter. Auf der rechten Abwehrseit­e konkurrier­t Scally unter anderem mit Sergiño Dest vom AC Mailand, der zunächst den Vorzug erhalten dürfte. Links hat Berhalter in Antonee Robinson allerdings nur einen Spieler zur Verfügung, was Scallys Einsatzcha­ncen dort erhöhen könnte.

Das wirkliche Niveau des Teams ist schwer einzuschät­zen, Vergleiche mit europäisch­en Teams gibt es selten. 2021 gewannen die USA den Gold Cup durch einen 1:0-Erfolg nach Verlängeru­ng gegen Mexiko, zwei Monate zuvor gab es eine 1:2-Niederlage in einem Testspiel gegen die Schweiz. Für die WM 2018 hatten die USA die Qualifikat­ion verpasst, zuvor war zweimal im Achtelfina­le Schluss. Eine Überraschu­ng würde mit Blick auf die WM 2026, die in den USA, Kanada und Mexiko ausgetrage­n wird, zu Hause sicher für einen zusätzlich­en Euphorie-Schub sorgen – und Scally weiter beflügeln.

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FOTO: AP Joe Scally ist außen eine Alternativ­e im US-Team.

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