Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zweifel an Aus für Straßenbaubeiträge
Ein Rechtsgutachten für die Landesregierung nennt drei Wege, was aus der ungeliebten Kostenbeteiligung werden könnte. Grundstückseigentümer sind besorgt. Die Opposition spricht von der „Vorbereitung eines Wahlbetrugs“.
DÜSSELDORF Ein von der Landesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zu den Straßenausbaubeiträgen schürt bei Grundstückseignern die Sorge, dass die umstrittenen Kosten doch nicht komplett entfallen. So warnte Jan Koch, Politik-Referent beim Verband Wohneigentum NRW: „Das Gutachten enthält keinen Vorschlag zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in NRW. Keiner der drei Vorschläge gibt den Bürgern die Sicherheit, dass sie am Ende nicht doch die Zeche für den Straßenausbau zahlen müssen.“
Ein Sprecher von Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) erklärte, die Landesregierung prüfe Rechtsänderungen, die sich aus dem Gutachten ableiten ließen. Verfasst hat es der Kieler Jura-Professor Christoph Brüning. Er listet darin drei Vorschläge auf: Demnach könnte das Land den Kommunen freistellen, ob sie die Grundstücksbesitzer belasten wollen oder nicht. Für solvente Kommunen wäre ein Verzicht
kein Problem; allerdings wären Städte und Gemeinden mit angespannter Haushaltssituation wohl aufgrund des Kommunalhaushaltsrechts verpflichtet, Beiträge zu erheben, ehe sie Kredite aufnehmen.
In der zweiten Variante würde die Beitragspflicht nur für den Fall aufgehoben, dass das Land für die anfallenden Straßenausbaubeiträge einspringt. Sollte sich allerdings politisch der Wind drehen und die Übernahme der Beiträge gestoppt werden, wären die Straßenausbaubeiträge automatisch wieder da.
Variante drei: Das Land verpflichtet sich, die Straßenausbaubeiträge vollständig oder teilweise zu erstatten. „Nur die dritte Option geht in die richtige Richtung. Sie würde die heutige Situation, in der das Land die Beiträge durch ein Förderprogramm übernimmt, gesetzlich festschreiben“, sagt Verbandsvertreter Koch. „Die Städte würden wie gehabt mit viel Aufwand die Straßenausbaubeiträge berechnen und müssten dann eine Kostenübernahme beim Land beantragen.“
Das sei nur akzeptabel, wenn sich das Land zur vollständigen Übernahme der Anliegeranteile verpflichte. „Aber genau den Punkt lässt der Regelungsvorschlag im Gutachten offen“, sagte Koch und kritisierte, dass bei allen drei Modellen die Bürokratiekosten für die Abrechnung bei den Kommunen bestehen blieben. Koch fordert stattdessen eine echte Abschaffung der Straßenausbaubeiträge – also ein Verbot,
Beiträge zu erheben, und eine Erstattung der Einnahmeausfälle der Kommunen durch das Land.
„Was wir hier erleben, ist die Vorbereitung eines Wahlbetrugs“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm. „Schon jetzt fragen sich viele Menschen, wieso sie in den letzten Wochen Beitragsbescheide im Briefkasten hatten, obwohl die Straßenausbaubeiträge in ihrer Wahrnehmung doch abgeschafft sind.“Die CDU habe den Menschen Sand in die Augen gestreut. Anders als die Landesregierung glauben machen wolle, seien die Beiträge gerade nicht abgeschafft. Kommunen seien rechtlich weiterhin gezwungen, sie zu erheben: „Daran kann auch das mit viel Tamtam verkündete Förderprogramm nichts ändern.“
Die Beiträge können nicht auf Mieter umgelegt werden. Das Land erstattet die Beiträge für Maßnahmen ab 2018. Dahm sagte: „Die Tragik an der Konstellation, die Frau Scharrenbach herbeigeführt hat: Es trifft die Anliegerinnen und Anlieger, die maßgeblich zum überwältigenden Erfolg der größten Volksinitiative in der Geschichte NordrheinWestfalens beigetragen haben.“Eine Protestinitiative des Bundes der Steuerzahler hatten mehr als 437.000 Menschen unterschrieben. Dahm forderte eine echte Abschaffung und eine Erstattung der Einnahmeausfälle für die Kommunen.
Ein Sprecher des Städte- und Gemeindebunds NRW sagte: „Die Kommunen wollen und müssen dauerhaft in den Erhalt des Straßennetzes investieren. Das Land steht darum in der Pflicht, den Wegfall von Beiträgen dauerhaft und vollständig zu kompensieren.“Dafür brauche es eine verlässliche Regelung mit möglichst wenig Verwaltungsaufwand: „Förderprogramme können auf Dauer keine Lösung sein, weil sie je nach politischer Opportunität gekappt werden könnten.“
Scharrenbach machte jüngst keine Hoffnung auf schnelle Lösungen: „Wir werden das im nächsten Jahr weiterverfolgen, in der Hoffnung, dass nicht eine neue Krise kommt.“Leitartikel