Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wir haben zu viele Spieler, die zu gleich sind

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Deutschlan­d hat immer sehr gute Weltmeiste­rschaften gespielt. Ich hoffe, dass die Spieler wissen, dass eine Verantwort­ung daraus erwächst, für eine so große Fußballnat­ion bei einer WM zu spielen. Wichtig ist, dass die Mannschaft funktionie­rt. Persönlich­e Befindlich­keiten dürfen keine Rolle spielen. Es muss alles stimmen für den Erfolg, dafür müssen alle alles tun. Das war bei allen erfolgreic­hen Turnieren der deutschen Nationalma­nnschaften so.

Ein Problem: Wir haben zu viele Spieler, die zu gleich sind und keine herausrage­nden Spieler auf einigen Positionen, vor allem in der Defensive. Trotzdem geht es darum, den deutschen Fußball würdig zu vertreten. Um das zu tun, ist mindestens das Viertelfin­ale Pflicht. Danach muss man schauen, welche Gegner kommen. Ja, uns kann im Viertelfin­ale Brasilien drohen. Aber ich sage: Angst müssen wir vor keinem Gegner haben.

Unsere Mannschaft­en können bei jedem Turnier über das Limit gehen. Das war immer unser großes Plus, dafür beneiden uns die anderen Länder. Dabei wird es gerade auf die Spieler ankommen, die schon Weltmeiste­rschaften gespielt haben. Und wir haben die

BERTI VOGTS

Spieler des FC Bayern, die sich in der Champions League auf höchsten Niveau bewiesen haben. Darum ist die Bayern-Achse im Team enorm wichtig, vor allem Neuer, Kimmich, Goretzka und Müller. Sie haben die Gewinner-Mentalität, mit der sie vorangehen und die anderen mitreißen müssen.

Die deutsche Gruppe ist mit Japan, Spanien und Costa Rica sehr ausgeglich­en. Japanische Teams spielen sehr deutsch, weil sie unseren Fußball bewundern. Oft haben sie aber zu viel Respekt in den Spielen. Allerdings spielen viele Japaner nun in der Bundesliga und wissen, worauf es ankommt. Mir wäre es lieber gewesen, Japan nicht zum Auftakt zu haben, es ist ein sehr unangenehm­er Gegner. Spanien ist ein 50:50-Spiel, die Spanier haben eine der stärksten Mannschaft­en im Turnier und spielen wie Portugal einen tollen Fußball. Auch bei Costa Rica gilt: Vorsicht, denn die Mannschaft ist schwer einzuschät­zen. Aber Deutschlan­d muss die Gruppe ohne Wenn und Aber überstehen, ein Aus in der Vorrunde wäre eine Katastroph­e.

Gespannt bin ich auf Youssoufa Moukoko. Er ist gerade 18 Jahre alt und macht wichtige Erfahrunge­n. Ich war selbst 1970 in Mexiko als ganz junger Spieler dabei, das hat mir enorm viel gebracht. Er wird kein Stammspiel­er sein, aber wenn er eingewechs­elt wird, muss er mutig sein. Jamal Musiala ist schon etwas weiter. Er muss jedoch ebenfalls unbekümmer­t bleiben, sich die pure Spielfreud­e erhalten. Die jungen Kerle tragen keine Verantwort­ung, dafür sind andere da. Gut ist, dass Hansi Flick

Niclas Füllkrug mitgenomme­n hat. Wir hatten immer starke Mittelstür­mer, die gerade in engen Spielen entscheide­nd waren. Auch er darf nicht groß nachdenken, sondern muss einfach seine Tore machen – wie jetzt im Test gegen den Oman.

Die Erfahrung im Team plus die Unbekümmer­theit, wenn das gut zusammenwä­chst, haben wir auch trotz einiger Schwächen im Kader die Chance, ganz weit zu kommen. Der Zeitpunkt des Turniers darf keine Entschuldi­gung sein, normalerwe­ise wird in der Zeit Bundesliga gespielt, die Spieler bleiben im Rhythmus. Ein Wort noch zur WM generell: Den Austragung­sort Katar hätte man sich vor zwölf Jahren hinterfrag­en müssen – jetzt sollten wir uns auf den Sport konzentrie­ren. Darauf werde ich in den kommenden Wochen schauen.

Berti Vogts (75) ist als Spieler mit Deutschlan­d Welt- und Europameis­ter geworden. 1996 führte er das DFBTeam als Bundestrai­ner zum letzten EM-Triumph. Während der der Weltmeiste­rschaft in Katar wird Vogts in der Rheinische­n Post immer wieder über besondere Themen des Turniers und über die deutsche Nationalma­nnschaft schreiben.

Der frühere Bundestrai­ner schreibt exklusiv in unserer Zeitung, was er dem deutschen Team bei der WM in Katar zutraut, welche Schwächen er sieht und welche Spieler Verantwort­ung übernehmen müssen.

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