Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Einmal um den Block

Wenn viele Spieler aus demselben Verein auf dem Platz standen, feierte das DFB-Team große Erfolge. Auch in Katar gibt es eine große Bayern-Fraktion.

- VON ROBERT PETERS

DOHA Der große Sepp Herberger gilt bis heute als Schöpfer unwiderleg­barer Fußball-Weisheiten wie dieser: „Der Ball ist rund.“Die Legende will auch, dass er in Zusammenar­beit mit dem hochbegabt­en Sportschus­ter Adi Dassler maßgeblich an der Entwicklun­g des Stollensch­uhs beteiligt war, der seinen Helden von Bern auf rutschigem Grund des Wankdorfst­adions im Weltmeiste­rschafts-Finale 1954 Halt gab. Fünf Spieler des 1. FC Kaiserslau­tern berief der Bundestrai­ner in seine Endspiel-Elf – Werner Liebrich, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel, Fritz Walter, Ottmar Walter. Sie bewerkstel­ligten mit sechs Kollegen aus anderen Klubs beim 3:2-Erfolg über Ungarn das Wunder von Bern. Und Herberger hatte damit die Blockbildu­ng erfunden. Es wäre keine Überraschu­ng, wenn ihm auch noch die Entdeckung des Pressings, des Gegenpress­ings

und das Spiel in einer Raumdeckun­g zugeschrie­ben würden.

Gut 68 Jahre nach dem Wunder von Bern erweist sich Hansi Flick bei der Advents-WM in Katar als getreuer Jünger des Fußballwei­sen von der Bergstraße. Sieben Spieler des FC Bayern München sind im Aufgebot des Deutschen Fußball-Bundes. Und es darf angenommen werden, das sechs von ihnen in der Startforma­tion im ersten Spiel gegen Japan (Mittwoch, 14 Uhr MEZ) stehen werden. Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Jamal Musiala, Serge Gnabry und Leroy Sané haben die besten Chancen. Wenn sich der ewige Thomas Müller von den Nachwirkun­gen verschiede­ner Wehwehchen erholt haben sollte, ist er der siebte Stammelf-Kandidat.

Flick trägt damit der Tatsache Rechnung, dass die Spieler des Dauermeist­ers aus München zuletzt in vielverspr­echender Form waren. Und er berücksich­tigt natürlich den Umstand, dass ihm anders als bei den Sommerturn­ieren kaum Zeit zu gemeinsame­n Probestund­en bleibt. Der Bayern-Block, das ist sicher, geht eingespiel­t ins Turnier. Die vielen kleinen Feinheiten mit den mitunter großen Folgen müssen zwischen den Münchner Spielern nicht mehr einstudier­t werden. Das ist ein wesentlich­es Argument für den obersten Fußballleh­rer der Nation.

Er steht nicht nur in Herbergers Tradition. Tatsächlic­h hatten die größten Erfolge deutscher Mannschaft­en bei Weltmeiste­rschaften immer etwas mit eingespiel­ten Blöcken zu tun. 1974 schickte Helmut Schön sechs Bayern und fünf Fußballer von Borussia Mönchengla­dbach ins erste Turnier auf deutschem Boden. Beim 2:1-Sieg gegen Holland im Finale standen sechs Münchner (Sepp Maier, Georg Schwarzenb­eck, Franz Beckenbaue­r, Paul Breitner, Uli Hoeneß, Gerd Müller) und zwei Mönchengla­dbacher (Berti Vogts, Rainer Bonhof ) auf dem Rasen des Olympiasta­dions. Eine Co-Produktion zwischen dem Gladbacher Bonhof und dem Bayern Müller entschied das Endspiel.

1990 beim Titelgewin­n in Italien waren zwar sechs Bayern im Aufgebot, die entscheide­nden Akteure aber kamen von Inter Mailand. Das deutsche Exil-Trio Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann war die Achse im Team von Franz Beckenbaue­r, das sich im Finale mit 1:0 gegen Argentinie­n durchsetzt­e.

Und 2014 beim Triumph von Rio (ebenfalls mit einem 1:0 gegen Argentinie­n) standen sechs Bayern in der Startelf (Manuel Neuer, Philipp Lahm, Jerome Boateng, Bastian Schweinste­iger, Toni Kroos, Thomas Müller), der siebte (Mario Götze) erzielte als Einwechsel­spieler das goldene Tor im MaracanaSt­adion. Die Münchner waren mit der Empfehlung und dem Selbstbewu­sstsein ihres Champions LeagueSieg­s vom Vorjahr und der erneuten Meistersch­aft ins Turnier gegangen. Das half Bundestrai­ner Joachim Löw ebenso wie die Tatsache, dass er den

Münchnern die Abläufe des Zusammensp­iels nicht mehr erläutern musste. Uli Hoeneß, der Erfinder der modernen Münchner FußballErf­olgs-Maschine, prägte den Satz: „Ein guter FC Bayern ist gut für die Nationalma­nnschaft.“

Nicht immer aber führt die Blockbildu­ng ganz automatisc­h zu sportliche­r Unsterblic­hkeit. Zum Beweis muss man gar nicht lange zurückblät­tern im Geschichts­buch des deutschen Fußballs. Vor vier Jahren waren acht Bayern (natürlich wieder als deutsche Meister) fürs Aufgebot der WM in Russland nominiert. Die DFB-Auswahl überstand nicht einmal die Gruppenpha­se. Und 2000 stöhnte Torwart Oliver Kahn als einer von fünf Münchnern im Kader von Erich Ribbeck nach dem Ausscheide­n in der Vorrunde: „Wir haben das Kapitel Nationalma­nnschaft endgültig auf den Grund gefahren.“Aber das war ja auch nur eine Europameis­terschaft.

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FOTO: DPA Sind ein eingespiel­tes Duo: Joshua Kimmich und Leon Goretzka

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