Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
6:2 – England gelingt bester WM-Start seiner Geschichte
Beim Spiel gegen Iran geht es fast nur um Themen abseits des Fußballs. Sportlich präsentieren sich Kane und Co. direkt wie ein Titelfavorit.
AL-RAJJAN (dpa) Englands Fans sangen inbrünstig die Nationalhymne „God Save the King“, aus den Boxen dröhnte Partymusik. Die englischen Rekord-Auftaktsieger um Torschütze Jude Bellingham klatschten sich locker und grinsend vor einer Ehrenrunde ab. Der Mitfavorit hat dem Rummel um die symbolträchtige bunte Kapitänsbinde getrotzt und beim lockeren 6:2 (3:0) gegen den überforderten Außenseiter Iran sportlich das erste Ausrufezeichen bei der Fußball-WM in Katar gesetzt. Die Three Lions mit Kapitän Harry Kane, der nach angekündigten Sanktionen der Fifa doch nicht die „One-Love“-Binde für Vielfalt am Arm hatte, startete am Montag in Al-Rajjan so deutlich wie nie in seiner Geschichte in eine WM und wies so eindrucksvoll seine Ambitionen auf den Titel nach.
„Sechs Tore in einem WM-Spiel sind wirklich beeindruckend, egal, gegen wen man spielt“, sagte Bellingham
von Bundesligist Borussia Dortmund der BBC: „Ich habe gesagt, ich will dieses Jahr mehr Tore für Dortmund und England schießen und in die richtige Position kommen.“Das sei ihm durch das 1:0 gelungen. „Wir brauchten diesen guten Start“, sagte Doppel-Torschütze Bukayo Saka der BBC: „Es wurde viel über unsere Form geredet und spekuliert, aber wir haben allen gezeigt, wie viel Qualität wir haben und was wir können. Ich bin so glücklich und so stolz.“
Vor 45.334 Zuschauern, von denen einige wegen Problemen mit der Ticket-App zu spät ins Stadion kamen, erzielte Bellingham (35. Minute) für das Team von Cheftrainer Gareth Southgate das Führungstor. Bukayo Saka (43./62.), Raheem Sterling (45.+1), Marcus Rashford (71.) und Jack Grealish (90.) legten weitere Treffer nach. Für England war es der erste Sieg seit März, im Sommer gelang in sechs NationsLeague-Partien kein einziger Erfolg. Mehr als zwei Tore durch Mehdi Taremi (65./90.+13/Foulelfmeter) waren für den Iran nicht drin. Gleich zweimal gab es mehr als zehn Minuten Nachspielzeit.
Das Spiel stand schon vor Anpfiff im Chalifa International Stadion, in dem 2019 auch die Leichtathletik-WM stattfand, stark unter politischen und symbolischen Gesichtspunkten. England-Kapitän
Kane trug die Binde deshalb nicht, weil die Fifa die Kampagne mehrerer europäischer Verbände als Zeichen für Vielfalt mit Gelben Karten und weiteren Strafen zu sanktionieren drohte. Noch vor einer Woche hatte der Verband FA angekündigt, auch Strafen für das Zeichen für Vielfalt in Kauf zu nehmen. Nun betonten die Verantwortlichen, man wolle die Spieler auf dem Rasen nicht in die Bredouille bringen.
Umso sichtbarer waren die Zeichen des Außenseiters aus Asien – allerdings in ganz anderer Sache. Einige iranische Fans zeigten ihre Solidarität mit den Protesten im Heimatland, indem sie Shirts mit der Aufschrift „Frauen, Leben, Freiheit“trugen. Der Iran wird seit
England: Pickford - Trippier, Stones, Maguire (70. Dier), Shaw - Bellingham, Rice - Saka (70. Rashford), Mount (70. Foden), Sterling (70. Grealish) - Kane (75. Wilson).
Iran: Beiranvand (20. S. H. Hosseini) - Moharrami, Cheshmi (46. Kanaanizadegan), M. Hosseini, Mohammadi (63. Torabi) - Hajsafi - Nourollahi (77. Azmoun), Karimi (46. Ezatolahi) - Jahanbakhsh (46. Gholizadeh), Taremi, Pouraliganji.
Schiedsrichter: Raphael Claus (Brasilien). Tore: 1:0 Bellingham (35.), 2:0 Saka (43.), 3:0 Sterling (45.+1), 4:0 Saka (62.), 4:1 Taremi (65.), 5:1 Rashford (71.), 6:1 Grealish (90.), 6:2 Taremi (90.+13/Foulelfmeter). Gelbe Karten: - / Jahanbakhsh (1), Pouraliganji (1).
Wochen von den schwersten Protesten seit Jahrzehnten erschüttert. Der Tod einer jungen Frau im Polizeigewahrsam hatte diese ausgelöst, der Sicherheitsapparat reagierte mit Härte. Bei der Hymne schwiegen die iranischen Spieler, die Fans machten zusätzlich Lärm - auch das wird als Protest verstanden.
Der Sport und damit der erste Auftritt von Vize-Europameister England rückte über weite Strecken ordentlich an den Rand der Aufmerksamkeit. So auch nach etwa zehn Minuten, als Iran-Keeper Ali Beiranvand nach einem heftigen Zusammenstoß mit einem Mitspieler am Boden lag und behandelt werden musste. Die Ärzte tauschten das blutverschmierte Trikot und versuchten, Beiranvand nochmal spielfähig zu machen, doch das klappte nicht. Nach einer Unterbrechung von insgesamt etwa zehn Minuten ging der Torhüter dann vom Feld.
Bei Englands stimmigen Offensivaktionen war erstaunlich oft Abwehrrecke Harry Maguire beteiligt. Erst wurde er im Strafraum folgenlos zu Fall gebracht, dann traf er nacheinander das Außennnetz und per Kopf die Latte. Für Erleichterung sorgte dann Bellingham, der nach einer passgenauen Flanke von Luke Shaw platziert und überlegt ins lange Eck köpfte. Für den BVB-Profi war es sein erstes Länderspieltor überhaupt.