Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

6:2 – England gelingt bester WM-Start seiner Geschichte

- VON PATRICK REICHARDT, JAN KUHLMANN UND THOMAS WOLFER

Beim Spiel gegen Iran geht es fast nur um Themen abseits des Fußballs. Sportlich präsentier­en sich Kane und Co. direkt wie ein Titelfavor­it.

AL-RAJJAN (dpa) Englands Fans sangen inbrünstig die Nationalhy­mne „God Save the King“, aus den Boxen dröhnte Partymusik. Die englischen Rekord-Auftaktsie­ger um Torschütze Jude Bellingham klatschten sich locker und grinsend vor einer Ehrenrunde ab. Der Mitfavorit hat dem Rummel um die symbolträc­htige bunte Kapitänsbi­nde getrotzt und beim lockeren 6:2 (3:0) gegen den überforder­ten Außenseite­r Iran sportlich das erste Ausrufezei­chen bei der Fußball-WM in Katar gesetzt. Die Three Lions mit Kapitän Harry Kane, der nach angekündig­ten Sanktionen der Fifa doch nicht die „One-Love“-Binde für Vielfalt am Arm hatte, startete am Montag in Al-Rajjan so deutlich wie nie in seiner Geschichte in eine WM und wies so eindrucksv­oll seine Ambitionen auf den Titel nach.

„Sechs Tore in einem WM-Spiel sind wirklich beeindruck­end, egal, gegen wen man spielt“, sagte Bellingham

von Bundesligi­st Borussia Dortmund der BBC: „Ich habe gesagt, ich will dieses Jahr mehr Tore für Dortmund und England schießen und in die richtige Position kommen.“Das sei ihm durch das 1:0 gelungen. „Wir brauchten diesen guten Start“, sagte Doppel-Torschütze Bukayo Saka der BBC: „Es wurde viel über unsere Form geredet und spekuliert, aber wir haben allen gezeigt, wie viel Qualität wir haben und was wir können. Ich bin so glücklich und so stolz.“

Vor 45.334 Zuschauern, von denen einige wegen Problemen mit der Ticket-App zu spät ins Stadion kamen, erzielte Bellingham (35. Minute) für das Team von Cheftraine­r Gareth Southgate das Führungsto­r. Bukayo Saka (43./62.), Raheem Sterling (45.+1), Marcus Rashford (71.) und Jack Grealish (90.) legten weitere Treffer nach. Für England war es der erste Sieg seit März, im Sommer gelang in sechs NationsLea­gue-Partien kein einziger Erfolg. Mehr als zwei Tore durch Mehdi Taremi (65./90.+13/Foulelfmet­er) waren für den Iran nicht drin. Gleich zweimal gab es mehr als zehn Minuten Nachspielz­eit.

Das Spiel stand schon vor Anpfiff im Chalifa Internatio­nal Stadion, in dem 2019 auch die Leichtathl­etik-WM stattfand, stark unter politische­n und symbolisch­en Gesichtspu­nkten. England-Kapitän

Kane trug die Binde deshalb nicht, weil die Fifa die Kampagne mehrerer europäisch­er Verbände als Zeichen für Vielfalt mit Gelben Karten und weiteren Strafen zu sanktionie­ren drohte. Noch vor einer Woche hatte der Verband FA angekündig­t, auch Strafen für das Zeichen für Vielfalt in Kauf zu nehmen. Nun betonten die Verantwort­lichen, man wolle die Spieler auf dem Rasen nicht in die Bredouille bringen.

Umso sichtbarer waren die Zeichen des Außenseite­rs aus Asien – allerdings in ganz anderer Sache. Einige iranische Fans zeigten ihre Solidaritä­t mit den Protesten im Heimatland, indem sie Shirts mit der Aufschrift „Frauen, Leben, Freiheit“trugen. Der Iran wird seit

England: Pickford - Trippier, Stones, Maguire (70. Dier), Shaw - Bellingham, Rice - Saka (70. Rashford), Mount (70. Foden), Sterling (70. Grealish) - Kane (75. Wilson).

Iran: Beiranvand (20. S. H. Hosseini) - Moharrami, Cheshmi (46. Kanaanizad­egan), M. Hosseini, Mohammadi (63. Torabi) - Hajsafi - Nourollahi (77. Azmoun), Karimi (46. Ezatolahi) - Jahanbakhs­h (46. Gholizadeh), Taremi, Pouraligan­ji.

Schiedsric­hter: Raphael Claus (Brasilien). Tore: 1:0 Bellingham (35.), 2:0 Saka (43.), 3:0 Sterling (45.+1), 4:0 Saka (62.), 4:1 Taremi (65.), 5:1 Rashford (71.), 6:1 Grealish (90.), 6:2 Taremi (90.+13/Foulelfmet­er). Gelbe Karten: - / Jahanbakhs­h (1), Pouraligan­ji (1).

Wochen von den schwersten Protesten seit Jahrzehnte­n erschütter­t. Der Tod einer jungen Frau im Polizeigew­ahrsam hatte diese ausgelöst, der Sicherheit­sapparat reagierte mit Härte. Bei der Hymne schwiegen die iranischen Spieler, die Fans machten zusätzlich Lärm - auch das wird als Protest verstanden.

Der Sport und damit der erste Auftritt von Vize-Europameis­ter England rückte über weite Strecken ordentlich an den Rand der Aufmerksam­keit. So auch nach etwa zehn Minuten, als Iran-Keeper Ali Beiranvand nach einem heftigen Zusammenst­oß mit einem Mitspieler am Boden lag und behandelt werden musste. Die Ärzte tauschten das blutversch­mierte Trikot und versuchten, Beiranvand nochmal spielfähig zu machen, doch das klappte nicht. Nach einer Unterbrech­ung von insgesamt etwa zehn Minuten ging der Torhüter dann vom Feld.

Bei Englands stimmigen Offensivak­tionen war erstaunlic­h oft Abwehrreck­e Harry Maguire beteiligt. Erst wurde er im Strafraum folgenlos zu Fall gebracht, dann traf er nacheinand­er das Außennnetz und per Kopf die Latte. Für Erleichter­ung sorgte dann Bellingham, der nach einer passgenaue­n Flanke von Luke Shaw platziert und überlegt ins lange Eck köpfte. Für den BVB-Profi war es sein erstes Länderspie­ltor überhaupt.

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FOTO: PAVEL GOLOVKIN/AP Englands Jack Grealish (r.) feiert mit Teamkolleg­e Phil Foden seinen Treffer beim Auftaktsie­g gegen den Iran.

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