Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Herz der Dänen

- VON SEBASTIAN STIEKEL

Er selbst sagt: Er war fünf Minuten tot. Bei der EM 2021 brach Christian Eriksen auf dem Spielfeld zusammen. Bei der WM ist er wieder unverzicht­bar.

DOHA (dpa) Eine WM-Teilnahme ist für jeden Fußballer das größte - nur für Christian Eriksen diesmal sogar noch ein bisschen mehr. Vor 17 Monaten brach der Star der dänischen Nationalma­nnschaft während des EM-Spiels gegen Finnland mit einem Herzstills­tand zusammen. Er sei „fünf Minuten tot“gewesen, sagte er später. An diesem Dienstag gibt der 30 Jahre alte Spielmache­r sein Comeback bei einem großen Turnier. Dann spielen die Dänen bei der Weltmeiste­rschaft in Katar gegen Tunesien (14 Uhr/ZDF und Magenta Sport).

„Es ist etwas ganz Besonderes, hier zu sein“, sagte Eriksen bei einem Medienterm­in auf dem WMTraining­sgelände der Dänen in Al-Rayyan. „Ich wollte immer zurückkomm­en und wieder der sein, der ich vorher war. Aber mein erstes Ziel war es immer, ein Freund und Vater zu sein. Die einfache Tatsache, am Leben zu sein und bei meiner Familie zu sein, weiß ich jetzt voll und ganz zu schätzen.“

Was seit jenem Drama am 12. Juni 2021 mit Eriksen persönlich und auch mit der dänischen Nationalma­nnschaft passierte, ist in jeder Hinsicht bemerkensw­ert. Der Mittelfeld­spieler bekam einen Herzschrit­tmacher eingesetzt und hat seitdem schon zwei Comebacks hinter sich: im Februar als Profifußba­ller und im März als Nationalsp­ieler. Im Sommer verpflicht­ete ihn dann der englische Rekordmeis­ter Manchester

United.

„Ich persönlich glaube: Christian war nie ein besserer Spieler, als er es jetzt gerade ist“, sagte der dänische Stürmer Jonas Wind vom VfL Wolfsburg der Deutschen Presse-Agentur.

Auch das dänische Team hat sich großen Respekt erarbeitet. Dem Erreichen des EM-Halbfinals folgte eine WM-Qualifikat­ion im Eiltempo, in der keine andere europäisch­e Mannschaft mehr Punkte holte als Eriksen, Wind und Co. In der

Nations League schlugen die Dänen gleich zweimal den noch amtierende­n Weltmeiste­r und WM-Gruppengeg­ner Frankreich. Auch gegen die Menschenre­chtslage in Katar protestier­te in den vergangene­n Monaten kaum ein anderer Verband schärfer als der dänische.

Vieles von dieser Entwicklun­g geht auf die Tage nach Eriksens Zusammenbr­uch zurück. Das ganze Land erzeugte damals eine Welle der Zuneigung und Solidaritä­t, die die

Nationalma­nnschaft seitdem durch jedes Länderspie­l trägt. Gleichzeit­ig wollen die Spieler jedem beweisen, dass der große Erfolg bei der Europameis­terschaft nicht nur das Resultat dieser besonderen Atmosphäre und eines speziellen Flows war.

„Zwei Mal gegen Frankreich zu gewinnen war ein starkes Statement von uns“, sagte Wind. „Wenn du zwei Mal in nur dreieinhal­b Monaten den Weltmeiste­r schlägst, dann musst du ein gutes Team sein.“

Die Qualität einzelner Spieler wie Eriksen, die vielen nachrücken­den Talente wie Frankfurts Jesper Lindström und die Ergebnisse der vergangene­n anderthalb Jahre: Das macht die Dänen für viele zu einem der spannendst­en Teams bei dieser WM. Und einige sagen sogar: Sie sind ein Geheimfavo­rit.

„Unser Traum ist, etwas zu gewinnen“, sagte Trainer Kasper Hjulmand am Montag. „Wir denken groß. Diese Gruppe hat die Qualität, um jedes Turnier gewinnen zu können, in das sie hineingeht. Sind wir der Favorit bei dieser WM? Nein! Aber wir sind in der Lage, jeden zu schlagen, wenn wir gut spielen. Wir haben ein großes Selbstvert­rauen und eine eigene Identität.“

So sieht das längst nicht mehr nur der dänische Trainer. Der Argentinie­r Mauricio Pochettino gab der „Süddeutsch­en Zeitung“ein großes Interview, in dem er über seine ehemaligen Spieler Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar sprach. Als er gefragt wurde, von wem er bei dieser WM sonst noch viel erwartet, sagte der frühere Trainer von Paris Saint-Germain und Tottenham Hotspur: „Dänemark. Aber das sage ich schon seit zwei, drei Jahren. Ich mag die. Ihren Fußball, ihren Trainer, ihre Spieler.“

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FOTO: IDA MARIE ODGAARD/RITZAU SCANPIX FOTO/DPA Dänemarks Nationalsp­ieler Christian Eriksen spielt seit seinem Zusammenbr­uch während des EM-Spiels gegen Finnland am 12. Juni 2021 mit einem eingesetzt­en Herzschrit­tmacher.

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