Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Ärger um Special-Olympics-Startplätze
Wenn im kommenden Jahr die Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderung in Berlin steigen, fehlen Aktive aus dem Rhein-Kreis. Die in Neuss ansässige Tandem-Stiftung wittert dahinter ein Versäumnis beim Meldevorgang.
NEUSS Als Special Olympics Deutschland vor knapp zwei Wochen die Nominierungen für die im kommenden Jahr erstmals in der Bundesrepublik ausgetragenen Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderung veröffentlichte, gab es im Rhein-Kreis Neuss einige ziemlich lange Gesichter. Denn unter den 414 Aktiven in 25 Sportarten war nicht ein einziger aus dem Kreisgebiet zu finden. Nicht einmal die traditionell starken Tennis- und Tischtennisspieler aus der Stadt Neuss waren auf der langen Liste vertreten.
Darauf reagierte jetzt die in Neuss ansässige Tandem-Stiftung Burkhard Zülow mit einer offiziellen Stellungnahme. „Mit Verwunderung, um nicht zu sagen Bestürzung haben Vorstand und Kuratorium der Tandem-Stiftung Burkhard Zülow zur Kenntnis genommen, dass unter den 414 deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Special Olympics Weltspielen vom 17. bis 25. Juni 2023 in Berlin keine Aktiven aus dem Rhein-Kreis Neuss zu finden sind. Als einem wesentlichen Förderer des Inklusionssports im Rhein-Kreis macht uns dieser Vorgang natürlich betroffen“, schreibt Jutta Zülow für den Vorstand der Stiftung. Die Begründung, die Achim Schell in seiner Funktion als Inklusionsbeauftrager des Stadtsportverbandes Neuss und des TC GW Neuss für das Fehlen von Tennisund Tischtennisspielern aus der Quirinusstadt ins Feld führte, hat die Tandemstiftung kritisch hinterfragt. Schell hatte damals auf Anfrage unserer Redaktion erklärt, dass es gute Sitte und Fair Play sei, „dass, wer bereits Teilnehmer bei Weltspielen war, befreundeten Athleten und
Athletinnen den Vortritt lässt, damit möglichst viele Handicaps an diesen großartigen, emotionsgeladenen Weltspielen teilnehmen können“. Zwar hätten einige Neusser Aktive bei den nationalen Spielen in Berlin die Qualifikationsvorgaben erneut gemeistert, aber fast alle von ihnen hätten in ihrer Karriere bereits Weltspiele, etwa in Athen, Shanghai und Abu Dhabi besucht und deswegen verzichtet.
Abgesehen davon, dass der Tandem Stiftung Nominierungskriterien, die einerseits Leistungsnachweise verlangen, andererseits allen Teilnehmern früherer Weltspiele einen erneuten Start untersagen, diskussionswürdig erscheinen, handelt es sich laut Jutta Zülow im aktuellen
Fall gar nicht, wie vom Inklusionsbeauftragten Schell behauptet, um einen freiwilligen Verzicht zugunsten anderer. „Vielmehr liegen uns gesicherte Informationen vor, dass es sich schlicht und einfach um ein Versäumnis handelt. Genau dieser Inklusionsbeauftragte hat in seiner Eigenschaft als Teamleiter der ,Handikaps‘ die Meldefristen für eine Vor-Nominierung nicht eingehalten.“Der Vorstand der Tandem-Stiftung gesteht zwar ein, dass er nicht beurteilen könne, ob eine fristgerechte Meldung zum Erfolg geführt hätte, doch betont gleichwohl: „Hier sind junge Menschen um eine Chance gebracht worden, die sie vielleicht nie wieder in ihrem Leben bekommen werden.“
Dieser Darstellung widerspricht Achim Schell indes. Er räumt zwar ein: „Dieser Vorgang ist tatsächlich passiert. In dem ganzen Prozess mit ungezählten Mails und Terminen ist diese irgendwo untergebaute Frist durchs Raster gefallen.“Fügt aber an: „Man kann das jetzt auf meine Schusseligkeit oder auf die, besonders für einen Ehrenamtler, große Arbeitsbelastung in den vergangenen Monaten schieben. Fakt ist, es ist überhaupt kein Schaden entstanden.“Von seinem Versäumnis sei nämlich überhaupt nur ein Unified-Mixed-Doppel betroffen gewesen, alle anderen infrage kommenden Aktiven der Tennisgruppe seien schon bei Weltspielen gestartet. Konkret: Andreas Radke und seine Unified-Partnerin Sabina Bley hatten mit der Silbermedaille beim Qualifikationswettkampf in Berlin die Nominierungskriterien formal erfüllt. „Für ihren Start bei den Special Olympics habe ich dann auch gekämpft.“Doch noch vor der endgültigen Nominierung habe ihm Sabina Bley mitgeteilt, dass sie den mit einer Teilnahme bei den World Games verbundenen Aufwand wegen eines Jobwechsels gar nicht hätte leisten können. „Damit hatte sich das Thema erledigt.“Für die Tandem-Stiftung sind die Weltspiele allerdings weiter ein Thema. Sie möchte allen Aktiven aus dem Rhein-Kreis, die in Berlin hätten dabei sein können, dort einen Aufenthalt durch Bereitstellung finanzieller Mittel und logistischer Unterstützung ermöglichen. „Wohlwissend, dass die Rolle des Zuschauers das Gefühl des aktiven Mitwirkens an solch einem Großereignis nur unzureichend aufwiegt.