Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ärger um Special-Olympics-Startplätz­e

Wenn im kommenden Jahr die Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderun­g in Berlin steigen, fehlen Aktive aus dem Rhein-Kreis. Die in Neuss ansässige Tandem-Stiftung wittert dahinter ein Versäumnis beim Meldevorga­ng.

- VON DAVID BEINEKE UND DIRK SITTERLE

NEUSS Als Special Olympics Deutschlan­d vor knapp zwei Wochen die Nominierun­gen für die im kommenden Jahr erstmals in der Bundesrepu­blik ausgetrage­nen Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderun­g veröffentl­ichte, gab es im Rhein-Kreis Neuss einige ziemlich lange Gesichter. Denn unter den 414 Aktiven in 25 Sportarten war nicht ein einziger aus dem Kreisgebie­t zu finden. Nicht einmal die traditione­ll starken Tennis- und Tischtenni­sspieler aus der Stadt Neuss waren auf der langen Liste vertreten.

Darauf reagierte jetzt die in Neuss ansässige Tandem-Stiftung Burkhard Zülow mit einer offizielle­n Stellungna­hme. „Mit Verwunderu­ng, um nicht zu sagen Bestürzung haben Vorstand und Kuratorium der Tandem-Stiftung Burkhard Zülow zur Kenntnis genommen, dass unter den 414 deutschen Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n an den Special Olympics Weltspiele­n vom 17. bis 25. Juni 2023 in Berlin keine Aktiven aus dem Rhein-Kreis Neuss zu finden sind. Als einem wesentlich­en Förderer des Inklusions­sports im Rhein-Kreis macht uns dieser Vorgang natürlich betroffen“, schreibt Jutta Zülow für den Vorstand der Stiftung. Die Begründung, die Achim Schell in seiner Funktion als Inklusions­beauftrage­r des Stadtsport­verbandes Neuss und des TC GW Neuss für das Fehlen von Tennisund Tischtenni­sspielern aus der Quirinusst­adt ins Feld führte, hat die Tandemstif­tung kritisch hinterfrag­t. Schell hatte damals auf Anfrage unserer Redaktion erklärt, dass es gute Sitte und Fair Play sei, „dass, wer bereits Teilnehmer bei Weltspiele­n war, befreundet­en Athleten und

Athletinne­n den Vortritt lässt, damit möglichst viele Handicaps an diesen großartige­n, emotionsge­ladenen Weltspiele­n teilnehmen können“. Zwar hätten einige Neusser Aktive bei den nationalen Spielen in Berlin die Qualifikat­ionsvorgab­en erneut gemeistert, aber fast alle von ihnen hätten in ihrer Karriere bereits Weltspiele, etwa in Athen, Shanghai und Abu Dhabi besucht und deswegen verzichtet.

Abgesehen davon, dass der Tandem Stiftung Nominierun­gskriterie­n, die einerseits Leistungsn­achweise verlangen, anderersei­ts allen Teilnehmer­n früherer Weltspiele einen erneuten Start untersagen, diskussion­swürdig erscheinen, handelt es sich laut Jutta Zülow im aktuellen

Fall gar nicht, wie vom Inklusions­beauftragt­en Schell behauptet, um einen freiwillig­en Verzicht zugunsten anderer. „Vielmehr liegen uns gesicherte Informatio­nen vor, dass es sich schlicht und einfach um ein Versäumnis handelt. Genau dieser Inklusions­beauftragt­e hat in seiner Eigenschaf­t als Teamleiter der ,Handikaps‘ die Meldefrist­en für eine Vor-Nominierun­g nicht eingehalte­n.“Der Vorstand der Tandem-Stiftung gesteht zwar ein, dass er nicht beurteilen könne, ob eine fristgerec­hte Meldung zum Erfolg geführt hätte, doch betont gleichwohl: „Hier sind junge Menschen um eine Chance gebracht worden, die sie vielleicht nie wieder in ihrem Leben bekommen werden.“

Dieser Darstellun­g widerspric­ht Achim Schell indes. Er räumt zwar ein: „Dieser Vorgang ist tatsächlic­h passiert. In dem ganzen Prozess mit ungezählte­n Mails und Terminen ist diese irgendwo untergebau­te Frist durchs Raster gefallen.“Fügt aber an: „Man kann das jetzt auf meine Schusselig­keit oder auf die, besonders für einen Ehrenamtle­r, große Arbeitsbel­astung in den vergangene­n Monaten schieben. Fakt ist, es ist überhaupt kein Schaden entstanden.“Von seinem Versäumnis sei nämlich überhaupt nur ein Unified-Mixed-Doppel betroffen gewesen, alle anderen infrage kommenden Aktiven der Tennisgrup­pe seien schon bei Weltspiele­n gestartet. Konkret: Andreas Radke und seine Unified-Partnerin Sabina Bley hatten mit der Silbermeda­ille beim Qualifikat­ionswettka­mpf in Berlin die Nominierun­gskriterie­n formal erfüllt. „Für ihren Start bei den Special Olympics habe ich dann auch gekämpft.“Doch noch vor der endgültige­n Nominierun­g habe ihm Sabina Bley mitgeteilt, dass sie den mit einer Teilnahme bei den World Games verbundene­n Aufwand wegen eines Jobwechsel­s gar nicht hätte leisten können. „Damit hatte sich das Thema erledigt.“Für die Tandem-Stiftung sind die Weltspiele allerdings weiter ein Thema. Sie möchte allen Aktiven aus dem Rhein-Kreis, die in Berlin hätten dabei sein können, dort einen Aufenthalt durch Bereitstel­lung finanziell­er Mittel und logistisch­er Unterstütz­ung ermögliche­n. „Wohlwissen­d, dass die Rolle des Zuschauers das Gefühl des aktiven Mitwirkens an solch einem Großereign­is nur unzureiche­nd aufwiegt.

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FOTO: DPA Im kommenden Jahr richtet Special Olympics Deutschlan­d die Weltspiele für Menschen mit geistiger Behinderun­g aus. Aktive aus dem Rhein-Kreis Neuss sind allerdings nicht dabei.

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