Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Jüchenern drohen drei Steuererhöhungen
Damit die Stadt nicht in die Haushaltssicherung schlittert, schlägt die Verwaltung die Anhebung der Gewerbe- und Grundsteuern vor. Zudem wurden Etat-Varianten mit Abstrichen beim Schulbau durchgerechnet. Politiker üben Kritik.
JÜCHEN Es ist ein Hammer, was die Stadtverwaltung da wenige Tage vor der Hauptausschusssitzung mit Etatberatung am Donnerstag der Politik vorlegt. Damit die Stadt angesichts der schlechten Finanzlage in den nächsten Jahren ein Haushaltssicherungskonzept vermeiden kann, hat sie für den anstehenden Schulausbau – ein Mammut-Projekt – drei Varianten durchgerechnet, bei denen die schon beschlossenen Pläne kräftig abgespeckt werden sollen. Und nicht nur das: Zur Haushaltsverbesserung schlägt die Verwaltung Steuererhöhungen auf breiter Front vor. Tausende Jüchener wären betroffen: Die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) soll danach nicht, wie schon beschlossen, um 20 auf 515, sondern weiter auf 570 Punkte erhöht werden. Für die Grundsteuer A (landwirtschaftliche Flächen) sieht der Etatentwurf bereits eine Anhebung um 100 auf 350 Punkte vor. Auch Unternehmen sollen „blechen“: Für den Gewerbesteuersatz wird eine Anhebung um 50 auf 500 Prozentpunkte vorgeschlagen. Mit allen drei Vorschlägen würden Bürger und Unternehmer mit 728.000 Euro mehr belastet.
„Die Finanzlage war schon vorher dramatisch, durch die globalen Umstände hat sie sich weiter verschlechtert – etwa durch Kostensteigerungen und gestiegene Zinsen“, sagt Kämmerin Annette Gratz. Das macht sich vor allem bei den Investitionen zum Schulausbau bemerkbar. Die Stadt will alle Grund- und weiterführenden Schulen in den nächsten Jahren erweitern, doch die geschätzten Kosten laufen davon: von 64 Millionen auf derzeit 79 Millionen Euro. Ohne Korrekturen „wird Jüchen bereits 2023 in die Haushaltssicherung rutschen“, betont Gratz. Die Stadt darf in zwei Jahre hintereinander nicht mehr als jeweils fünf Prozent ihrer Rücklagen entnehmen, doch das wäre 2023/2024 der Fall.
Was also tun? Die Verwaltung hat den Fraktionen drei abgespeckte Ausbaualternativen vorgelegt. Bei Variante eins würden lediglich die Grundschulen ausgebaut, bei Variante zwei würde zusätzlich das Gymnasium einen Erweiterungsbau für den benötigten vierten Zug erhalten. Bei beiden Alternativen wäre die vom Rat beschlossene Zusammenlegung der Gesamtschule an der Stadionstraße erst einmal passé, das Gebäude in Hochneukirch würde ertüchtigt. Nur Variante drei sieht die Zentralisierung der Gesamtschule vor, allerdings sollen Gymnasium und Gesamtschule einen gemeinsamen Anbau erhalten. Den aber hatten beide Schulen abgelehnt, der Rat hat sich für zwei getrennte Gebäude entschieden.
Doch das Problem ist noch viel größer: Auch bei geringer dimensioniertem Schulausbau wäre die Stadt zwar 2023 bis 2025, nicht immer aber auf längere Sicht aus dem Schneider. „Die problematischen Jahre werden 2026 bis 2028“, sagt Gratz. Nur wenn sich der Ausbau auf die Grundschulen beschränkt, ist laut Stadt – Stand heute – die Haushaltssicherung auch längerfristig zu vermeiden.
Zur Verbesserung der Lage schlägt die Stadt zudem die drei Steueranhebungen vor. „Wir werden nicht an Steuererhöhungen vorbeikommen, damit die Stadt handlungsfähig bleibt“, erklärt Gratz. Doch: Bleibt die Politik bei ihren Beschlüssen zum Schulausbau, würde die Stadt auch mit diesen zusätzlichen Steuereinnahmen immer noch 2026 in die Haushaltssicherung schlittern. „Wir zeigen mögliche Beispiele auf, entscheiden muss die Politik“, sagt Gratz.
Aus der Politik gibt es bereits heftige Kritik: „Es ist unmöglich, wenige Tage vor der Sitzung eine so wichtige Vorlage vorzulegen“, sagt SPDFraktionschef Hans-Josef Schneider. Und: „Ich halte einen solchen drastischen Steueranstieg aktuell den Bürgern für nicht zumutbar, sie haben bereits mit massiven Preissteigerungen zu kämpfen“, so Schneider. „Wenige Tage vor der Sitzung, „quasi im Nebensatz versteckt“, weitere Steuererhöhungen vorzuschlagen, habe „mit ordentlicher Haushaltsberatung nichts mehr zu tun“, wettert Grünen-Fraktionschef Thomas Dederichs. Die Sparvorschläge beim Schulneubau „setzen dem Ganzen die Krone auf.“Ohne Zusammenlegung der Gesamtschulstandorte „durch einen Neubau am Schulzentrum fällt das gesamte Konzept wie ein Kartenhaus zusammen“. Dederichs will seiner Fraktion eine Ablehnung vorschlagen für den Fall, dass über die Etatberatungen, quasi durch die Hintertür, einstimmige Beschlüsse gekippt werden sollen“. FWG-Fraktionschef Gerolf Hommel kündigt an, dass seine Fraktion eine Änderung der Schulneubau-Beschlüsse und eine Grundsteuer-Erhöhung ablehnt.
Und was sagt die Ratsmehrheit? „In diesem Umfang werden wir die Steuererhöhungen nicht mitmachen“, erklärt CDU-Fraktionschef Mario Broisch. „Wir werden uns am Dienstag in der Fraktion mit den Zahlen befassen und wollen unser Augenmerk auf die Ausgabenseite legen“, sagt Broisch. „Wir bleiben bei unserer Position. Wir stehen zum Umbau mit zwei Baukörpern“, lehnt FDP-Fraktionschef Konrad Thelen eine Änderung der gefassten Beschlüsse zum Schulzentrum ab. „Eine Steuererhöhung ist für uns die letzte Option, und sie muss geringer sein als vorgeschlagen. An Personaleinsparungen hat die Verwaltung wohl nicht gedacht.“