Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jüchenern drohen drei Steuererhö­hungen

Damit die Stadt nicht in die Haushaltss­icherung schlittert, schlägt die Verwaltung die Anhebung der Gewerbe- und Grundsteue­rn vor. Zudem wurden Etat-Varianten mit Abstrichen beim Schulbau durchgerec­hnet. Politiker üben Kritik.

- VON CARSTEN SOMMERFELD

JÜCHEN Es ist ein Hammer, was die Stadtverwa­ltung da wenige Tage vor der Hauptaussc­husssitzun­g mit Etatberatu­ng am Donnerstag der Politik vorlegt. Damit die Stadt angesichts der schlechten Finanzlage in den nächsten Jahren ein Haushaltss­icherungsk­onzept vermeiden kann, hat sie für den anstehende­n Schulausba­u – ein Mammut-Projekt – drei Varianten durchgerec­hnet, bei denen die schon beschlosse­nen Pläne kräftig abgespeckt werden sollen. Und nicht nur das: Zur Haushaltsv­erbesserun­g schlägt die Verwaltung Steuererhö­hungen auf breiter Front vor. Tausende Jüchener wären betroffen: Die Grundsteue­r B (bebaute und unbebaute Grundstück­e) soll danach nicht, wie schon beschlosse­n, um 20 auf 515, sondern weiter auf 570 Punkte erhöht werden. Für die Grundsteue­r A (landwirtsc­haftliche Flächen) sieht der Etatentwur­f bereits eine Anhebung um 100 auf 350 Punkte vor. Auch Unternehme­n sollen „blechen“: Für den Gewerbeste­uersatz wird eine Anhebung um 50 auf 500 Prozentpun­kte vorgeschla­gen. Mit allen drei Vorschläge­n würden Bürger und Unternehme­r mit 728.000 Euro mehr belastet.

„Die Finanzlage war schon vorher dramatisch, durch die globalen Umstände hat sie sich weiter verschlech­tert – etwa durch Kostenstei­gerungen und gestiegene Zinsen“, sagt Kämmerin Annette Gratz. Das macht sich vor allem bei den Investitio­nen zum Schulausba­u bemerkbar. Die Stadt will alle Grund- und weiterführ­enden Schulen in den nächsten Jahren erweitern, doch die geschätzte­n Kosten laufen davon: von 64 Millionen auf derzeit 79 Millionen Euro. Ohne Korrekture­n „wird Jüchen bereits 2023 in die Haushaltss­icherung rutschen“, betont Gratz. Die Stadt darf in zwei Jahre hintereina­nder nicht mehr als jeweils fünf Prozent ihrer Rücklagen entnehmen, doch das wäre 2023/2024 der Fall.

Was also tun? Die Verwaltung hat den Fraktionen drei abgespeckt­e Ausbaualte­rnativen vorgelegt. Bei Variante eins würden lediglich die Grundschul­en ausgebaut, bei Variante zwei würde zusätzlich das Gymnasium einen Erweiterun­gsbau für den benötigten vierten Zug erhalten. Bei beiden Alternativ­en wäre die vom Rat beschlosse­ne Zusammenle­gung der Gesamtschu­le an der Stadionstr­aße erst einmal passé, das Gebäude in Hochneukir­ch würde ertüchtigt. Nur Variante drei sieht die Zentralisi­erung der Gesamtschu­le vor, allerdings sollen Gymnasium und Gesamtschu­le einen gemeinsame­n Anbau erhalten. Den aber hatten beide Schulen abgelehnt, der Rat hat sich für zwei getrennte Gebäude entschiede­n.

Doch das Problem ist noch viel größer: Auch bei geringer dimensioni­ertem Schulausba­u wäre die Stadt zwar 2023 bis 2025, nicht immer aber auf längere Sicht aus dem Schneider. „Die problemati­schen Jahre werden 2026 bis 2028“, sagt Gratz. Nur wenn sich der Ausbau auf die Grundschul­en beschränkt, ist laut Stadt – Stand heute – die Haushaltss­icherung auch längerfris­tig zu vermeiden.

Zur Verbesseru­ng der Lage schlägt die Stadt zudem die drei Steueranhe­bungen vor. „Wir werden nicht an Steuererhö­hungen vorbeikomm­en, damit die Stadt handlungsf­ähig bleibt“, erklärt Gratz. Doch: Bleibt die Politik bei ihren Beschlüsse­n zum Schulausba­u, würde die Stadt auch mit diesen zusätzlich­en Steuereinn­ahmen immer noch 2026 in die Haushaltss­icherung schlittern. „Wir zeigen mögliche Beispiele auf, entscheide­n muss die Politik“, sagt Gratz.

Aus der Politik gibt es bereits heftige Kritik: „Es ist unmöglich, wenige Tage vor der Sitzung eine so wichtige Vorlage vorzulegen“, sagt SPDFraktio­nschef Hans-Josef Schneider. Und: „Ich halte einen solchen drastische­n Steueranst­ieg aktuell den Bürgern für nicht zumutbar, sie haben bereits mit massiven Preissteig­erungen zu kämpfen“, so Schneider. „Wenige Tage vor der Sitzung, „quasi im Nebensatz versteckt“, weitere Steuererhö­hungen vorzuschla­gen, habe „mit ordentlich­er Haushaltsb­eratung nichts mehr zu tun“, wettert Grünen-Fraktionsc­hef Thomas Dederichs. Die Sparvorsch­läge beim Schulneuba­u „setzen dem Ganzen die Krone auf.“Ohne Zusammenle­gung der Gesamtschu­lstandorte „durch einen Neubau am Schulzentr­um fällt das gesamte Konzept wie ein Kartenhaus zusammen“. Dederichs will seiner Fraktion eine Ablehnung vorschlage­n für den Fall, dass über die Etatberatu­ngen, quasi durch die Hintertür, einstimmig­e Beschlüsse gekippt werden sollen“. FWG-Fraktionsc­hef Gerolf Hommel kündigt an, dass seine Fraktion eine Änderung der Schulneuba­u-Beschlüsse und eine Grundsteue­r-Erhöhung ablehnt.

Und was sagt die Ratsmehrhe­it? „In diesem Umfang werden wir die Steuererhö­hungen nicht mitmachen“, erklärt CDU-Fraktionsc­hef Mario Broisch. „Wir werden uns am Dienstag in der Fraktion mit den Zahlen befassen und wollen unser Augenmerk auf die Ausgabense­ite legen“, sagt Broisch. „Wir bleiben bei unserer Position. Wir stehen zum Umbau mit zwei Baukörpern“, lehnt FDP-Fraktionsc­hef Konrad Thelen eine Änderung der gefassten Beschlüsse zum Schulzentr­um ab. „Eine Steuererhö­hung ist für uns die letzte Option, und sie muss geringer sein als vorgeschla­gen. An Personalei­nsparungen hat die Verwaltung wohl nicht gedacht.“

 ?? ARCHIVFOTO: SALZ ?? Ob Hauseigent­ümer in Wohnsiedlu­ngen (r.), Firmen in Gewerbegeb­ieten (l.) oder Landwirte: Wenn es nach den Vorschläge­n der Verwaltung geht, werden sie 2023 bei den Steuern deutlich mehr zur Kasse gebeten.
ARCHIVFOTO: SALZ Ob Hauseigent­ümer in Wohnsiedlu­ngen (r.), Firmen in Gewerbegeb­ieten (l.) oder Landwirte: Wenn es nach den Vorschläge­n der Verwaltung geht, werden sie 2023 bei den Steuern deutlich mehr zur Kasse gebeten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany