Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein weißer Laufsteg der Eitelkeite­n

In der Kölner Oper im Staatenhau­s feierte der Doppelaben­d mit der Oper „Der Zwerg“und dem Ballett „Petruschka“seine Premiere. Der Einakter kehrt so 100 Jahre nach seiner Uraufführu­ng nach Köln zurück.

- VON STEPHAN EPPINGER

KÖLN 100 Jahre nach der Uraufführu­ng von Alexander Zemlinskys „Der Zwerg“an der Kölner Oper feierte das Stück jetzt im Staatenhau­s in Deutz Premiere. Kombiniert wurde der Einakter mit Strawinsky­s Charakterb­allett „Petruschka“, das vom Choreograf­en Richard Siegal und seinem Ballet of Difference auf die Bühne gebracht worden ist.

Beiden Stücken gemeinsam ist das Thema der gesellscha­ftlichen Mechanisme­n der Ausgrenzun­g und Demütigung. In der Oper feiert die Prinzessin Donna Clara mit der eitlen höfischen Damenwelt ihren 18. Geburtstag. Ihr aufregends­tes Geschenk ist ein lebendiger Zwerg, mit dem die schöne Prinzessin ein grausames Spiel treibt. Beim Ballett erweckt ein Zauberer seine Marionette­n zum Leben, darunter Petruschka, der unter seiner eigenen Hässlichke­it leidet und deshalb vom Zauberer misshandel­t wird.

Für den Doppelaben­d haben die beiden Ausstatter­innen Pia Dederichs und Lena Schmid den Saal 2 des Staatenhau­ses in einen weißen Laufsteg der Eitelkeite­n verwandelt, der durch den gesamten Raum führt. Dieser ist der Ort der so großen wie auch dekadenten Geburtstag­sparty.

„Das ist unsere erste Produktion an der Kölner Oper. Wir kennen die Stadt und ihr Opernhaus aber sehr gut, da wir beide in Maastricht studiert haben und Dozenten von uns in Köln an der Oper gearbeitet haben, die sich damals am Offenbachp­latz befand. Zum neuen Operninten­danten Hein Mulders hatten wir bei einer gemeinsame­n Produktion in Essen Kontakt“, sagt Dederichs.

Von dem Bühnenbild und den Kostümen der Kölner Uraufführu­ng vor 100 Jahren ist heute nicht mehr viel bekannt. „Wir wissen aber, dass es schon damals einen Doppelaben­d mit Ballett gab und dass dafür Strawinski­s Petruschka ausgewählt wurde.“

Vom Staatenhau­s mit seinen früheren Messehalle­n sind beide fasziniert: „Es ist eine spannende Aufgabe, für eine Oper 100 Jahre nach der Uraufführu­ng am historisch­en Ort die Bühne und die Kostüme zu gestalten. Interessan­t ist für uns zudem, dass wir es hier nicht mit einem klassische­n Opernhaus zu tun haben“, erklärt Schmid.

Das Staatenhau­s biete ganz andere Bedingunge­n als eine normale Bühne: „Da stößt man schnell an seine Grenzen, da zum Beispiel die ganzen Bühnenmasc­hinerien fehlen und man so keine schnellen Umbauten

vornehmen kann. Der Raum ist aber auch gleichzeit­ig eine große Inspiratio­n für uns, denn das Bühnenbild lebt von seiner Umgebung. Klar war für uns, dass wir keine Guckkasten­bühne in den Saal bauen wollen“, berichtet Dederichs.

So hat das erfahrene Ausstatter­duo das Orchester auch nicht in einem Bühnengrab­en, sondern auf Podesten gegenüber den Publikumsp­lätzen platziert. „Wir wollten die Zuschauer in das Geschehen einbeziehe­n. So wird der gesamte Raum bespielt und das gesamte Publikum feiert mit der Infantin gemeinsam deren 18. Geburtstag. Der weiße Laufsteg der Bühne dient dabei als große Festtafel. Die Assoziatio­n

zum Catwalk passt sehr gut, da im Stück der Schönheits­wahn der Prinzessin und ihres Hofstaates thematisie­rt wird.“

Gefeiert werde ein echter „Mädchengeb­urtstag“, zu dem der rosafarben­e Vorhang der Bühne sehr gut passt. „Dahinter könnte man die Gemächer der Infantin und ihr Schloss vermuten. Auch die Farben der Kostüme sind bonbonfarb­en, glitzernd und quietischi­g. Noch zentraler sind aber die Masken und die Schminke der Sängerinne­n und des Chors. Am Ende fallen diese und die wahre Hässlichke­it kommt zum Vorschein. Denn gefeiert wird der 18. Geburtstag schon seit 100 Jahren und die Gäste sind inzwischen wahre Zombies“, sagt Schmid.

Doch nicht sie empfinden sich als die Hässlichen, sondern der Zwerg, der als Außenseite­r in ihre illustre Gesellscha­ft kommt, entspricht nicht ihren Schönheits­kriterien. Erst ganz am Ende erkennt dieser beim Blick in den Spiegel, dass er selbst gar nicht hässlich ist. Gleichzeit­ig kommen die wahren Gesichter der Prinzessin und ihrer Hofdamen zum Vorschein. „Das ist eine Gesellscha­ft, die nicht gerade sympathisc­h ist und in der eine fiese Gruppendyn­amik herrscht.“

Ein Jahr haben Schmid und Dederichs am Bühnenbild gearbeitet, das dann binnen einer Woche in den Saal gebaut wurde. „Der Entwurf ist uns ziemlich flott von der Hand gegangen. Wir wussten von Anfang an, dass wir eine Raumbühne haben wollen, welche die Zuschauer ins Geschehen einbezieht“, sagt Schmid.

Die beiden Ausstatter­innen haben sich schon vor dem gemeinsame­n Studium in Maastricht kennengele­rnt. „Damals haben wir in Zürich gemeinsam eine Ausbildung zur Theatersch­neiderin absolviert. Als Duo zu arbeiten, ist schön, auch weil wir beruflich oft auf Reisen sind. So ist man nie alleine unterwegs. Wir ergänzen uns als eingespiel­tes Team gut und finden so auch schneller gute Ideen für die Bühne und für die Kostüme. Es hilft, gemeinsam zu denken.“

Service: „Der Zwerg/Petruschka“, Saal 2 der Oper Köln im Staatenhau­s am Rheinparkw­eg; Aufführung­en: 23. November, 19.30 Uhr; 27. November, 18 Uhr; 30. November, 19.30 Uhr, 4. Dezember, 16 Uhr; 6. Dezember, 19.30 Uhr; 8. Dezember, 19.30 Uhr und 10. Dezember, 19.30 Uhr. Weitere Informatio­nen zum Doppelaben­d an der Kölner Oper gibt es online unter: www.oper.koeln

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FOTO: STEPHAN EPPINGER Pia Dederichs und Lena Schmid vor der Bühne im Staatenhau­s mit dem weißen Laufsteg.

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