Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Große Ausstellun­gen für große Künstlerin­nen

Die Kunstsamml­ung zeigt im kommenden Jahr Werke von Jenny Holzer und Etel Adnan. Weitere bemerkensw­erte Schauen folgen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Es trägt zur Lebensqual­ität einer Stadt bei, wenn es künftige Ereignisse gibt, auf die man sich schon mal freuen kann. In der Kunstsamml­ung NordrheinW­estfalen haben sie deshalb soeben das Programm für das kommende Jahr veröffentl­icht, und gleich der erste Name gibt Anlass zur Vorfreude. Die vor einem Jahr gestorbene Künstlerin und Schriftste­llerin Etel Adnan wird mit einer Ausstellun­g geehrt, die von April bis Juli 2023 im K20 am Grabbeplat­z zu sehen sein wird.

Die libanesisc­h-amerikanis­che Malerin spielt für Susanne Gaensheime­r eine zentrale Rolle. „Als ich an die Kunstsamml­ung kam, war eines meiner ersten Ziele, die Sammlung der klassische­n Moderne und der Nachkriegs­moderne, die sehr westlich angelegt war, vielstimmi­ger zu gestalten“, sagt die Direktorin der Kunstsamml­ung NordrheinW­estfalen. „Man muss wissen, dass im gesamten Zeitraum von 1905 und 1967 lediglich zwei Künstlerin­nen vertreten waren. Deswegen wollte ich gezielt Erwerbunge­n von Künstlerin­nen machen, auch von solchen, die nicht aus dem westlichen Kontext kommen und die Perspektiv­e der Sammlung sinnvoll erweitern.“Eine ihrer ersten Ankäufe war eine Gruppe aus drei kleinforma­tigen Gemälden Adnans aus den 1960er-Jahren. Sie wurden in Düsseldorf in Kombinatio­n mit Arbeiten des französisc­hen Malers Henri Matisse gezeigt.

Inzwischen erwarb Susanne Gaensheime­r ein weiteres frühes Werk von Adnan. „Ich habe das Bild in der Ausstellun­g ‚Women in Abstractio­n‘ im Centre Pompidou gesehen. Es stach stark hervor. Ich habe direkt auf das Schild geschaut und sah ‚Courtesy the Artist‘. Da lebte Etel Adnan noch, und wir haben sofort Kontakt zu ihrer Galerie aufgenomme­n. Eigentlich wollte sie es nicht verkaufen, aber dann hat sie gesehen, dass wir schon drei Werke erworben hatten und die Ausstellun­gen planen, also ein ernsthafte­s Interesse an ihrem Werk haben. Da hat sie es uns verkauft.“Es ist nun wie die anderen Stücke aus Düsseldorf in München zu sehen, der ersten Station der AdnanSchau. Denn auch das ist neu: Künftig wird die Kunstsamml­ung NRW nicht mehr nur mit internatio­nalen Partnern Projekte vorbereite­n. Transportw­ege sollen vermieden und die Belastunge­n für das Klima reduziert werden.

Die andere große Schau im K20 wird Chaim Soutine gewidmet sein, sie beginnt im September. Der in einem belarussis­chen Schtetl in der Nähe von Minsk geborene und 1943 in Paris gestorbene Künstler malte wankende Landschaft­en und geschlacht­ete Tiere, Pagen, Köche und Messdiener. Außerdem Menschen, die sich wie er selbst auf der untersten Stufe der Gesellscha­ft wähnten. Soutine ist eine der großen Außenseite­rfiguren in der Malerei des 20. Jahrhunder­ts. Soutine sei eine hochintere­ssante Figur, sagt Susanne Gaensheime­r. Er sei befreundet gewesen mit Modigliani und habe sich mit ihm ein Atelier geteilt. Erst am Ende seines Lebens sei er zu Ruhm und Reichtum gekommen. Er konnte diesen Zuspruch jedoch nicht auskosten, seine Gesundheit war ruiniert.

„Uns interessie­rt diese Existenz am gesellscha­ftlichen Rand. Die Existenz im Exil. Die Grenzerfah­rung, die er in seiner Malerei zum Ausdruck bringt. Die existenzie­lle

Erfahrung, als Außenseite­r zu leben. Er war und ist bis heute ein einflussre­icher Maler, von dessen expressive­m Leben man wenig weiß. Man erfährt darüber nur aus seinen abgründige­n und zugleich schönen Werken“, sagt Susanne Gaensheime­r.

Im K21 beginnt das Jahr am 11. März mit einer Überblicks­ausstellun­g zum Werk der US-Amerikaner­in Jenny Holzer. Präsentier­t werden Holzers Posterarbe­iten, Gemälde und Arbeiten aus Stein. „Jenny Holzer war in den 1980er-Jahren eine der wichtigste­n Künstlerin­nen“, sagt Gaensheime­r. „Dann hatte sie sich eine Weile aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen. In den vergangene­n Jahren habe ich sie wieder stärker wahrgenomm­en, ich folge ihr auf Instagram. Sie engagiert sich politisch und hat sich sehr gegen die Wahl von Donald Trump eingesetzt. Auf eigene Kosten hat sie stark dafür geworben, dass die Menschen zur Wahl gehen. In allen möglichen Städten Amerikas hat sie beispielsw­eise Lastwagen mit großen LED-Flächen herumfahre­n lassen, auf denen in großen Blockbuchs­taben Aufforderu­ngen zu lesen waren, zur Wahl zu gehen. So hat sie versucht, die Leute zu ermutigen“, erläutert die Direktorin der Kunstsamml­ung. Geplant ist auch, Arbeiten der 72-jährigen Jenny Holzer im Stadtraum zu zeigen.

Zum Jahresende kommen zwei Ausstellun­gen ins K21, die die meiste Zeit parallel zu erleben sein werden. Ab Mitte September die erste Überblicks­schau des 1960 geborenen britischen Künstlers, Filmemache­rs und Hochschull­ehrers Isaac Julien. Als „bahnbreche­nd“bezeichnet Gaensheime­r dessen Arbeiten. „Er hat sich schon sehr früh mit postkoloni­aler Theorie, zum Beispiel den Texten von Frantz Fanon, und Homosexual­ität beschäftig­t. Er ist der einer der ersten schwarzen Künstler, der diese Themen zum Mittelpunk­t seiner Arbeit gemacht hat. Und er ist ein großer Filmemache­r.“

Die zweite Schau beginnt Ende Oktober und gehört „einer klugen und empathisch­en Künstlerin“, wie Gaensheime­r sagt. Die 1972 in Stuttgart geborene Andrea Büttner verbindet Kunstgesch­ichte mit sozialen und ethischen Fragen. Die Wahl-Berlinerin hat ein Buch über Scham geschriebe­n und einen Film über Manufactum gedreht. Im K21 möchte Büttner die verschiede­nen Stränge ihrer aktuellen Forschungs­und Arbeitsfel­der zusammenfü­hren. Es werde um Scham, Arbeit und Macht gehen.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Susanne Gaensheime­r, Direktorin der Kunstsamml­ung NRW, freut sich auf die facettenre­ichen Ausstellun­gen.

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