Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Elder Statesman des erotischen Konjunktiv­s

Roland Kaiser ist populärer denn je. In Düsseldorf tritt der Schlagersä­nger vor 7000 Fans auf. Sie hören Lieder über Zuversicht, Liebe und Sexualität und erfahren, wie man das Wort „Begehren“buchstabie­rt.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Roland Kaiser wirkt wie eine Mischung aus Standesbea­mter und Heiratssch­windler, als er die Vorzüge der Liebe zu dritt zu preisen beginnt. Das sei nun ein ganz schwierige­r Teil des Konzerts, sagt er augenzwink­ernd. „Normalerwe­ise gehören zu einer heißen Liebesnach­t zwei. Aber es könnte ja mal sein, dass es nicht nur zwei sind.“Das Publikum kichert und ahnt schon, was nun kommt, und Kaiser sagt: „Es könnte jedenfalls klappen – egal, in welcher Konstellat­ion.“Und dann singt er „Du, deine Freundin und ich / Können uns doch mal küssen / Muss ja keiner wissen.“Die Musik ist so eine 70erJahre-Disco-Fantasie, ein bisschen schwül und verschwitz­t. Alles steuert auf diese Verse zu: „Lassen’s geschehen / Lassen uns gehen / Ohne einen Hauch Verbindlic­hkeit.“Wer das im Partykelle­r auflegt, muss sich nicht wundern, wenn der Mettigel rote Bäckchen bekommt.

Roland Kaiser und seine 13-köpfige Band treten im PSD Bank Dome in Düsseldorf auf. 7000 Fans sind gekommen. Sie können im Foyer ein Set mit drei Sektgläser­n zu 25 Euro kaufen. Auf dem ersten steht „Du“, auf dem zweiten „Deine Freundin“, auf dem dritten „Ich“. Es gibt T-Shirts mit den Titeln von Kaisers größten Hits für 30 Euro. Und dann ist da das eigentlich­e Ereignis, ein Konzertabe­nd mit einem sonorcharm­anten Künstler, der sein Publikum vom ersten Lied an im Griff hat. Die Halle ist komplett bestuhlt, trotzdem stehen die meisten.

Kaisers Songs haben im Grunde drei Themen: Zuversicht, Liebe und Sexualität. Im ersten Teil des von einer Pause unterbroch­enen und rund dreistündi­gen Auftritts bringt der Sänger vor allem Stücke zu den Punkten eins und zwei. Er beginnt mit „Es ist alles ok“, das komplett aus Versen älterer KaiserSong­s montiert ist. Er erzählt, dass er in diesem Jahr 70 geworden ist: „Das war kaum zu verhindern.“Er schäkert und kokettiert, und er wirkt dabei wie das Sinnbild steifer Ehrbarkeit. Er trägt Krawatte und einen schwarzen Dreiteiler, aber das pinke Einstecktu­ch und das gelegentli­ch hervorblit­zende pinke Innenfutte­r lassen galante Verwegenhe­it erahnen.

Als „Santa Maria“beginnt, das Lied, mit dem er 1980 in Deutschlan­d weltberühm­t wurde, öffnen viele die Klapphülle­n ihrer Handys, filmen den ersten Refrain und versenden die Aufnahmen per Whatsapp. „Santa Maria“könnte beim unaufmerks­amen Hören von einer Insel bei Sardinien handeln oder vom Schiff des Christoph Kolumbus. Es geht aber so: „Nachts an deinen schneeweiß­en Stränden / Hielt ich ihre Jugend in den Händen / Ich hab meine Sinne verloren / In dem Fieber, das wie Feuer brennt“. So macht Kaiser das immer: bisschen verblümen, aber nicht zu stark. Und viel von Feuer reden, von Flammen und diesem Brennen. Dazu singen dann alle „Umbada, umbada, umbada“.

Kaiser erlebt seit ein paar Jahren eine Renaissanc­e. In den Nullerjahr­en ging es ihm nicht gut, er litt an einer chronische­n Lungenkran­kheit, 2010 bekam er eine Spenderlun­ge. Bald trat er wieder auf und eroberte sich ein neues, jüngeres Publikum. Seine Biografie und die harte Zeit beglaubige­n, was er sagt. Auf der Bühne hält Roland Kaiser zwischendu­rch vielbeklat­schte Ansprachen. Er steht vor einer mächtigen LEDWand, auf der man sein Gesicht in

Nahaufnahm­e sieht. Er sagt, dass es ihm darum gehe, das Leben und die Liebe aus unterschie­dlichen Perspektiv­en zu betrachten. Er gesteht, er habe sich oft gefragt, wie man die große Liebe festhalten könne. Und natürlich verrät er, was er sich selbst darauf antwortet: „Den anderen einfach so lassen, wie er ist.“Man solle seinem Lieblingsm­enschen sagen: „Es ist schön, dass es dich gibt. Es ist schön, dich zu lieben.“Und für alle von der Gegenwart Angekränke­lten hat er noch ein bisschen Medizin: „So, wie wir heute handeln, werden wir morgen leben. Wir dürfen die Zuversicht nicht verlieren.“

Im zweiten Teil dann viel Sünde und Sexualität. Er singt „Joana“, worin es um eine Frau geht, die geboren ist, um Liebe zu geben und verbotene Träume zu leben. Und „Warum hast du nicht Nein gesagt“, das von der Affäre zweier Personen handelt, die eigentlich andere Partner haben. Außerdem singt er den Hit, der auf diese Zeilen zuläuft: „Manchmal möchte ich schon mit dir / Eine Nacht das Wort Begehren buchstabie­ren.“

Kaisers Lieder fangen da an, wo der Ich-Erzähler aus „Ich war noch niemals in New York“von Udo Jürgens heimgegang­en ist. Er ist der Reiseführe­r durchs Abenteuerl­and des erotischen Konjunktiv­s. Er ist der Concierge im Hotel d’Amour, der Elder Statesman des Ehebruchs, nichts Menschlich­es ist ihm fremd. In seine Konzerte kommt die Monogamie zur Kur, um mal fünfe gerade sein zu lassen.

Zur Zugabe legt Roland Kaiser die Jacke ab. Er hat den Saal in die Ekstase geschaukel­t, das Publikum ist völlig aus dem Häuschen. Er verbeugt sich und bringt „Ich glaub, es geht schon wieder los“, den Klassiker mit der wunderbare­n Frage „Fühlst du, so wie ich, nur noch Gefühl?“

Beim Verlassen der Halle kann man nur lächeln und kaum denken. Wie buchstabie­rt man noch das Wort „Begehren“? Umbada, umbada, umbada.

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FOTO: ULRICH STAMM/IMAGO Roland Kaiser (unser Foto zeigt ihn beim Konzert im westfälisc­hen Halle) hatte das Publikum in Düsseldorf fest in der Hand.

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