Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Elder Statesman des erotischen Konjunktivs
Roland Kaiser ist populärer denn je. In Düsseldorf tritt der Schlagersänger vor 7000 Fans auf. Sie hören Lieder über Zuversicht, Liebe und Sexualität und erfahren, wie man das Wort „Begehren“buchstabiert.
DÜSSELDORF Roland Kaiser wirkt wie eine Mischung aus Standesbeamter und Heiratsschwindler, als er die Vorzüge der Liebe zu dritt zu preisen beginnt. Das sei nun ein ganz schwieriger Teil des Konzerts, sagt er augenzwinkernd. „Normalerweise gehören zu einer heißen Liebesnacht zwei. Aber es könnte ja mal sein, dass es nicht nur zwei sind.“Das Publikum kichert und ahnt schon, was nun kommt, und Kaiser sagt: „Es könnte jedenfalls klappen – egal, in welcher Konstellation.“Und dann singt er „Du, deine Freundin und ich / Können uns doch mal küssen / Muss ja keiner wissen.“Die Musik ist so eine 70erJahre-Disco-Fantasie, ein bisschen schwül und verschwitzt. Alles steuert auf diese Verse zu: „Lassen’s geschehen / Lassen uns gehen / Ohne einen Hauch Verbindlichkeit.“Wer das im Partykeller auflegt, muss sich nicht wundern, wenn der Mettigel rote Bäckchen bekommt.
Roland Kaiser und seine 13-köpfige Band treten im PSD Bank Dome in Düsseldorf auf. 7000 Fans sind gekommen. Sie können im Foyer ein Set mit drei Sektgläsern zu 25 Euro kaufen. Auf dem ersten steht „Du“, auf dem zweiten „Deine Freundin“, auf dem dritten „Ich“. Es gibt T-Shirts mit den Titeln von Kaisers größten Hits für 30 Euro. Und dann ist da das eigentliche Ereignis, ein Konzertabend mit einem sonorcharmanten Künstler, der sein Publikum vom ersten Lied an im Griff hat. Die Halle ist komplett bestuhlt, trotzdem stehen die meisten.
Kaisers Songs haben im Grunde drei Themen: Zuversicht, Liebe und Sexualität. Im ersten Teil des von einer Pause unterbrochenen und rund dreistündigen Auftritts bringt der Sänger vor allem Stücke zu den Punkten eins und zwei. Er beginnt mit „Es ist alles ok“, das komplett aus Versen älterer KaiserSongs montiert ist. Er erzählt, dass er in diesem Jahr 70 geworden ist: „Das war kaum zu verhindern.“Er schäkert und kokettiert, und er wirkt dabei wie das Sinnbild steifer Ehrbarkeit. Er trägt Krawatte und einen schwarzen Dreiteiler, aber das pinke Einstecktuch und das gelegentlich hervorblitzende pinke Innenfutter lassen galante Verwegenheit erahnen.
Als „Santa Maria“beginnt, das Lied, mit dem er 1980 in Deutschland weltberühmt wurde, öffnen viele die Klapphüllen ihrer Handys, filmen den ersten Refrain und versenden die Aufnahmen per Whatsapp. „Santa Maria“könnte beim unaufmerksamen Hören von einer Insel bei Sardinien handeln oder vom Schiff des Christoph Kolumbus. Es geht aber so: „Nachts an deinen schneeweißen Stränden / Hielt ich ihre Jugend in den Händen / Ich hab meine Sinne verloren / In dem Fieber, das wie Feuer brennt“. So macht Kaiser das immer: bisschen verblümen, aber nicht zu stark. Und viel von Feuer reden, von Flammen und diesem Brennen. Dazu singen dann alle „Umbada, umbada, umbada“.
Kaiser erlebt seit ein paar Jahren eine Renaissance. In den Nullerjahren ging es ihm nicht gut, er litt an einer chronischen Lungenkrankheit, 2010 bekam er eine Spenderlunge. Bald trat er wieder auf und eroberte sich ein neues, jüngeres Publikum. Seine Biografie und die harte Zeit beglaubigen, was er sagt. Auf der Bühne hält Roland Kaiser zwischendurch vielbeklatschte Ansprachen. Er steht vor einer mächtigen LEDWand, auf der man sein Gesicht in
Nahaufnahme sieht. Er sagt, dass es ihm darum gehe, das Leben und die Liebe aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Er gesteht, er habe sich oft gefragt, wie man die große Liebe festhalten könne. Und natürlich verrät er, was er sich selbst darauf antwortet: „Den anderen einfach so lassen, wie er ist.“Man solle seinem Lieblingsmenschen sagen: „Es ist schön, dass es dich gibt. Es ist schön, dich zu lieben.“Und für alle von der Gegenwart Angekränkelten hat er noch ein bisschen Medizin: „So, wie wir heute handeln, werden wir morgen leben. Wir dürfen die Zuversicht nicht verlieren.“
Im zweiten Teil dann viel Sünde und Sexualität. Er singt „Joana“, worin es um eine Frau geht, die geboren ist, um Liebe zu geben und verbotene Träume zu leben. Und „Warum hast du nicht Nein gesagt“, das von der Affäre zweier Personen handelt, die eigentlich andere Partner haben. Außerdem singt er den Hit, der auf diese Zeilen zuläuft: „Manchmal möchte ich schon mit dir / Eine Nacht das Wort Begehren buchstabieren.“
Kaisers Lieder fangen da an, wo der Ich-Erzähler aus „Ich war noch niemals in New York“von Udo Jürgens heimgegangen ist. Er ist der Reiseführer durchs Abenteuerland des erotischen Konjunktivs. Er ist der Concierge im Hotel d’Amour, der Elder Statesman des Ehebruchs, nichts Menschliches ist ihm fremd. In seine Konzerte kommt die Monogamie zur Kur, um mal fünfe gerade sein zu lassen.
Zur Zugabe legt Roland Kaiser die Jacke ab. Er hat den Saal in die Ekstase geschaukelt, das Publikum ist völlig aus dem Häuschen. Er verbeugt sich und bringt „Ich glaub, es geht schon wieder los“, den Klassiker mit der wunderbaren Frage „Fühlst du, so wie ich, nur noch Gefühl?“
Beim Verlassen der Halle kann man nur lächeln und kaum denken. Wie buchstabiert man noch das Wort „Begehren“? Umbada, umbada, umbada.