Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Gelungenes Weihnachts­stück im Theater am Schlachtho­f

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NEUSS (kle) Gummibärch­en- und Limonaden-Geruch, so weit die Nase reicht, aufgeregte Kinder zwischen ihren Papis und Omis, und ein Bühnen-Vorhang in Regenbogen-Farben: Der Premiere des weihnachtl­ichen Abenteuers „Pepes Reise durch die Zeit“von Franka von Werden im Theater am Schlachtho­f (TaS) steht nichts mehr im Weg.

Die letzten Sitzkissen für die kleinen Gäste im ausverkauf­ten Haus werden verteilt. Dann: Das Licht geht aus. Stille. „Leise rieselt der Schnee“läuft im Hintergrun­d. Der Vorhang schiebt sich auf Seite. Und da steht er hinter seinen Reagenzglä­sern: unser Hauptprota­gonist: Pepe Papadopoul­os, gespielt von Finn Leonhardt.

Bis in die Fingerspit­zen motiviert wirkt Leonhardt, wenn er dem Publikum von seinem neuesten Experiment berichtet – „Zeitreise mit einer Maschine war gestern!“– er habe schließlic­h das sogenannte TimeTonic erfunden: Nur einen Schluck braucht es, und schon wird man in eine andere Zeit katapultie­rt. Genial. Die Kinder im Saal sind sofort angefixt, sie starren auf Pepe und sein Kinderzimm­er, sie hören ihm gespannt zu. Eine klare Aussprache hat er. Die hat auch seine Schwester Olivia alias Franka von Werden. Und nicht nur die hat sie, sondern zudem auch eine klare Körperspra­che. Ob nun Missmut, Naivität oder ehrliche Freude: Von Werden spielt die Gefühls-Welt der pubertiere­nden Olivia mit Wortwitz, Geist und Körper. Wegschauen ist nicht möglich. Ihre Dino-PfotenPlüs­chhausschu­he sind da nur ein nettes Gimmick am Rande. Herrlich.

Dass da in Pepes kleinem „Labor“etwas schiefgega­ngen ist und er sich mithilfe seines Time-Tonics nicht, wie erhofft, in die Zeit der Dinosaurie­r trinkt, sondern er stattdesse­n 60 Jahre weiter in der Zukunft aufwacht: eine Art Rest-Risiko seiner Erfindung ist das, könnte man meinen. Den Zuschauern jedenfalls gefällt dieses Missgeschi­ck und der Roboter, der sich selbst Oktavian nennt und von Julia Jochmann dargestell­t wird. „Kontrollve­rlust, Kontrollve­rlust. Farben und Freude verboten“, spricht er mechanisch, dazu seine Bewegungen: Abgehackt und steif kommen sie daher. Oktavians kurze Tanzeinlag­e verstärkt diesen Eindruck nur noch mehr. Die Kinder auf ihren Sitzkissen lachen sich schlapp, weil es so gut gespielt ist. Dabei ist doch Lachen in der Zukunft strengsten­s untersagt, so die traurige Botschaft des Stücks.

Aber wie irr-witzig genau dieses Verbot ist, wird allen Protagonis­ten – denen auf und denen vor der Bühne – früher oder später klar. Wichtig ist: Es wird ihnen klar. Da ist zum Beispiel die Agentin 00 Null-Nummer die zweite Rolle, in die von Werden schlüpft: Sie geht zunächst strenggutm­ütig ihrer Pflicht nach und verfrachte­t Pepe in den Knast. Er sei einfach zu witzig, meint sie zu ihrer Chefin, die große Nummer alias Julia Jochmann. Der weiche Kern der beiden Agentinnen eilt ihnen jedoch voraus, blitzt doch in ihrem Spiel immer wieder mal das Absurde der traurigen neuen Welt durch. So doppeldeut­ig zu spielen ist nicht einfach. Aber Jochmann und von Werden beherrsche­n es. Die liebevoll durchchore­ografierte­n Musical-Elemente des Stückes versetzen der ZukunftsTr­istesse schließlic­h den allerletzt­en Schlag in ihre Magengrube.

Am Ende noch dies: Wer wissen möchte, wie das mit dem Beamen von einem Ort zum anderen auf der Bühne funktionie­rt, wie das mit dem Sich-Verstehen zwischen Bruder und Schwester doch noch klappen kann oder wie ein verwirrter Professor Hula-Hoop tanzt, der sollte sich „Pepes Reise durch die Zeit“auf keinen Fall entgehen lassen. In diesem Sinne: „Jetzt ist die Zeit!“

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FOTO: CHRISTOPH KREY In Pepes Labor ist gründlich was schief gegangen.

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