Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Comeback des Nicolás Maduro

Lange Zeit internatio­nal geächtet, ist Venezuelas Machthaber wieder zurück auf der großen Bühne. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.

- VON TOBIAS KÄUFER

CARACAS/RIO DE JANEIRO Die Macht der Bilder ist in der Politik bekannt. Also wusste der französisc­he Staatschef Emmanuel Macron, was er tat, als es am Rande des Klimagipfe­ls in Ägypten zum Handschlag mit Venezuelas sozialisti­schem Machthaber Nicolás Maduro kam. Ein solches Bild, das war Macron klar, wird Maduro nicht nur im eigenen Land als Beweis verwerten, dass er internatio­nal nicht (mehr) isoliert ist. Was vor ein paar Jahren undenkbar schien, ist inzwischen Realität. Venezuelas Präsident, vom Westen wegen der umstritten­en Präsidents­chaftswahl­en 2018 ohne richtigen Gegenkandi­daten gemieden, ist wieder da.

„Es bestand durchaus in einigen Momenten die Möglichkei­t, dass er die Macht verlieren könnte, aber er hat es nicht nur geschafft, die schwierigs­ten Momente zu überstehen. Er ist aufgrund der neuen geopolitis­chen Situation sogar in einer besseren Position denn je“, sagt Professor Vladimir Rouvinski von der Universitä­t Icesi aus Cali (Kolumbien). Vor allem Venezuelas Ölreserven, die größten der Welt, machen das Land angesichts der Sanktionen gegen Russland interessan­t. Das Problem: Venezuelas marode Ölindustri­e braucht Milliarden-Investitio­nen und Fachkräfte. Beides wird Maduro nicht bekommen, solange eine Regierung in Caracas nicht anerkannt ist. Maduro wiederum bietet dem Westen an, dabei zu helfen, die Ölengpässe zu überwinden.

Die Strategie der USA und der EU, Maduro wegen der von UN sowie Menschenre­chtsorgani­sationen dokumentie­rten schweren Menschenre­chtsverlet­zungen zu isolieren und stattdesse­n auf den opposition­ellen Interimspr­äsidenten Juan Guaidó zu setzen, gilt als gescheiter­t. Maduro hält sich mithilfe der Generäle an der Macht, kontrollie­rt weiter alle Institutio­nen. Den Preis dafür zahlen das eigene Volk und die Nachbarlän­der: Mehr als sechs Millionen Menschen sind in den letzten Jahren aus Venezuela geflohen, wegen der staatliche­n Repression, aber auch wegen der katastroph­alen Wirtschaft­slage. Das alles destabilis­iert die Region, die sich nach der Pandemie erst langsam erholt.

Entscheide­nd ist aber noch eine Tatsache: Inzwischen sind mit Chile und Kolumbien zwei Länder links regiert, deren abgewählte konservati­ve Regierunge­n noch im letzten Jahr enge Unterstütz­er des machtlosen Guaidó waren. Besonders Chiles neuer linker Präsident Gabriel Boric kritisiert offen Venezuela und ändert damit den Ton im eigenen sozialisti­schen Lager: „Wir müssen die Menschenre­chte verteidige­n, egal wo und von wem sie verletzt werden.“Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, seit drei Monaten im Amt, ging offensiv auf Maduro zu. Er reaktivier­te die diplomatis­chen Beziehunge­n, öffnete die Grenze und besuchte Caracas. Er braucht Maduros Hilfe auch für seine eigenen Friedensve­rhandlunge­n mit der marxistisc­hen ELN-Guerilla, die längst binational tätig ist und von Maduro geduldet wird. Diese Gespräche haben in dieser Woche in Venezuela begonnen. Nun konnte Petro auf Twitter verkünden: „An diesem 25. und 26. November wird der Dialog zwischen der Maduro-Regierung und der venezolani­schen Opposition wieder aufgenomme­n.“

Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die venezolani­sche Opposition, intern zerstritte­n, muss sich erst einmal auf einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin für die Präsidents­chaftswahl­en 2024 verständig­en. Wenn das gelingt und zwei Voraussetz­ungen erfüllt sind, hat sie Chancen zu gewinnen: Die Wahlen finden transparen­t und mit unabhängig­en Beobachter­n statt, und die vielen ins Ausland geflohenen Venezolane­r dürfen ihre Stimme abgeben.

Unterdesse­n wächst aus dem Lager der demokratis­chen Linken in Lateinamer­ika der Druck auf Maduro, 2024 freiwillig das Feld zu räumen, um einen Neuanfang zu ermögliche­n. Sicher würde sich Maduro einen Rückzug politisch bezahlen zu lassen: Unter anderem damit, dass der Internatio­nale Strafgeric­htshof ihn nicht wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit anklagt. Trotz außergeric­htlicher Hinrichtun­gen, Folter und Millionen Menschen auf der Flucht.

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FOTO: VENEZUELAN PRESIDENCY/AFP Nicolás Maduro – gekleidet in eine Jacke, die der venezolani­schen Flagge nachempfun­den ist – bei einer Veranstalt­ung in Caracas.

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