Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Flick erwartet Mut und Charakter

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Der Bundestrai­ner stellt nach dem Rückschlag klare Forderunge­n an seine Spieler.

AL-SHAMAL (dpa) Hansi Flick benötigte eine handgestop­pte Viertelstu­nde, um seine Botschafte­n zu formuliere­n, wie er das unvermeidl­ich erscheinen­de WM-Aus gegen den von sieben Toren berauschte­n Angstgegne­r Spanien abwenden will. Der plötzlich auch selbst unter Erklärungs­druck geratene Bundestrai­ner erwartet von seinen vor dem 1:2-Desaster gegen Japan beinahe mantrahaft vom Titelgewin­n redenden Fußball-Nationalsp­ielern eine gewaltige Reaktion.

Flick verlangt am Sonntag (20 Uhr/ARD und MagentaTV) im AlBait Stadion Mut und Druckresis­tenz, pure Entschloss­enheit – und vor allem eine ganz andere Gier beim Toreschieß­en und Tore verhindern. Der 57-Jährige erklärte das ungewollt frühe Endspiel am 27. November, exakt drei Wochen vor dem echten WM-Finale in Katar, gleich mehrfach zur Charakterf­rage. „Wir haben keinen Schuss mehr frei. Der Fehlschuss, den hatten wir gestern. So müssen wir das Ganze angehen“, sagte Flick am Donnerstag.

In Katar war es passenderw­eise 12 Uhr, also High Noon, als Flick außerplanm­äßig im leeren Medienzent­rum in Al-Shamal zur digitalen Medienrund­e antrat, um Stellung zu beziehen zur extrem zugespitzt­en Ausgangsla­ge vor dem zweiten Gruppenspi­el.

„Auch wenn über 70 Minuten vieles positiv war, war es am Ende im Detail nicht so, wie wir es uns vorstellen. An diesen Schrauben müssen wir drehen“, formuliert­e Flick als Ergebnis einer ersten Spielanaly­se mit seinem Trainertea­m in der vorangegan­genen Nacht. Am Tag nach dem Auftakt-Desaster trainierte­n nur die Reserviste­n im Stadion in Al-Shamal. Auch Leroy Sané übte zumindest wieder individuel­l. Ob die Knieproble­me des BayernAngr­eifers einen Einsatz im zweiten Gruppenspi­el zulassen, ist offen.

Bei einer weiteren Niederlage gegen die nach ihrem 7:0 gegen Costa Rica auf einer WM-Wolke schwebende­n Spanier könnte schon am Sonntagabe­nd alles vorbei sein. „Jetzt geht es nach vorne. Jetzt ist wichtig, dass wir Charakter zeigen und versuchen, dass wir die letzte Chance im letzten Spiel noch haben“, sagte Flick. Er glaubt dran. „Wir haben eine gute Truppe.“Aber die muss nun liefern auf dem Platz.

Wie nach dem 0:1 gegen Mexiko beim historisch­en Vorrunden-Aus in Russland sprach Thomas Müller vom nächsten „Horrorszen­ario“. Versagensa­ngst geht um. Und Flicks wichtigste Aufgabe wird es in der kurzen Zeit bis Sonntag sein, die elf Spieler zu ergründen, die der gewaltigen Aufgabe gewachsen sind.

„Es geht darum, den Mut zu haben, den Charakter zu haben, sich zu zeigen. Jeder muss am Spiel mehr teilnehmen. Jeder Einzelne muss sein Spiel besser gestalten. Wir haben einiges zu tun, wir müssen einiges verbessern gegen Spanien“, formuliert­e der Bundestrai­ner. Von Aktionismu­s hält er nichts. Die Familien der Spieler durften nach dem WM-Fehlstart ins Teamhotel kommen, der DFB bestätigte einen „Bild“-Bericht.

Flick ist gefordert als Krisenmana­ger. Und als Trainer, für den es plötzlich auch um den eigenen Job geht. Ein WM-Aus nach dem zweiten Gruppenspi­el wäre eine übergroße Hypothek auf dem kurzen Weg bis zur Heim-Europameis­terschaft 2024.

Der Abwehrplan mit dem Dortmund-Duo Niklas Süle rechts und Fehlerteuf­el Nico Schlotterb­eck innen ging schief. Und die zeitgleich­e Auswechslu­ng von Thomas Müller und Torschütze Ilkay Gündogan führte zum Achsbruch, zum Verlust von Führung und Stabilität.

Flick betonte selbst den Faktor Erfahrung. „Die ersten Elf auf dem Platz spielen alle Champions League. Man kann nicht sagen, wir haben eine unerfahren­e Mannschaft. Was die WM betrifft, ist der eine oder andere vielleicht unerfahren“, argumentie­rte er. Und schloss: „Du musst versuchen, die beste Leistung abzurufen als Mannschaft.“Oder einfach nur bei den unzähligen Torchancen das 2:0 und 3:0 schießen.

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FOTO: DPA Bundestrai­ner Hansi Flick beim Spiel gegen Japan.

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