Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kombinierer kämpfen um ihre Zukunft
Die Sportart steht in diesem Winter unter besonderer Beobachtung. Denn Olympia ist in Gefahr. Das deutsche Team hat Ideen für neue Formate zur Rettung.
HERZOGENAURACH Die Bilder vom spektakulären Schlussspurt bei den Olympischen Winterspielen, von den spannenden Aufholjagden und vom engen Kampf um Medaillen sind vielen Fans der Nordischen Kombination noch gut in Erinnerung. Und doch geht die traditionsreiche Sportart unter schwierigen Vorzeichen in die neue Wintersaison. Denn der Weltcup 2022/23, der an diesem Wochenende startet, dürfte sich für viele Athleten wie eine Bewährungsprobe anfühlen. Der Grund: Das Internationale Olympische Komitee hat im Sommer nicht nur die Aufnahme der Frauen-Wettkämpfe in das Programm für die Olympischen Winterspiele 2026 abgelehnt, es stellt die olympische Zukunft der gesamten Sportart infrage.
Die Wettkämpfe seien nicht spannend genug, Nationen außerhalb von Europa seien abgehängt worden, wodurch die Vielfalt und das mediale Interesse verloren gehen würden. Erst einmal will man es 2026 aber wohl noch mit der Kombination versuchen. Damit die erfolgreichen Nationen aber nicht mehr allzu dominant sind, soll das Starterfeld auf zwei Athleten pro Nation reduziert werden. Wenig überraschend stößt das auf wenig Gegenliebe im Deutschen Skiverband (DSV ), bei den Norwegern, Österreichern oder auch Finnen.
Um ihre Sportart zu retten, haben die deutschen Trainer beim Komitee des Ski-Weltverbandes Fis eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, wie Bundestrainer Hermann Weinbuch bei der Einkleidung der Athleten in Herzogenaurach verriet. Denn wenn es künftig wirklich so sein sollte, dass es nur 36 Startplätze bei Olympia gibt, und er nur zwei Athleten statt jetzt vier oder fünf nominieren könne, sei das für ihn sehr schwierig und belastend, gab der Erfolgscoach zu. Die Chancen für die Athleten und vor allem auch den
Nachwuchs würden dann immer kleiner. „Und dann wird die Motivation natürlich sehr, sehr schwierig“, befürchtet der 62-Jährige.
„Man ist ein bisschen der Willkür des IOC ausgeliefert. Die Ansätze oder die Kritikpunkte sehen wir natürlich ein bisschen anders, differenzierter. Es gibt viele andere Sportarten, die da vielleicht auch nicht so eine große Leistungsdichte oder Vielfalt von Nationen haben“, sagt Weinbuch. Das IOC habe zudem nur die letzten zwei olympischen Zyklen angeschaut.
Auch der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger Eric Frenzel kritisiert das IOC. Im Endeffekt würden ihnen als Athleten immer nur Diagramme zur Performance der Sportarten gezeigt, die keine Zahlen beinhalten würden. „Dennoch müssen wir natürlich schauen, wie sieht es jetzt eben nach 2026 aus, was können wir bis dahin tun“, sagt Frenzel.
Zwei Ideen des DSV sollen den schwächeren Teams in der Nordischen Kombination helfen, konkurrenzfähiger zu werden. So will der DSV solche Nationen zu Camps einladen, um Trainer und Techniker zu schulen. „Und die Aktiven sollen dann natürlich auch in diesen Camps trainieren“, sagt Weinbuch. Der zweite Ansatz bezieht sich auf die Infrastruktur und den Personalaufwand bei den Wettkämpfen. Es sollen Racing Teams zusammengestellt werden, in denen dann drei, vier Teams vor allem beim Wachsen der Skier zusammenarbeiten. „Denn ein Argument ist, dass die schwachen Nationen mit dem Hightech von den starken Nationen nicht mitkommen, dass sie auch die Manpower nicht haben“, sagt der Bundestrainer.
Und dann gibt es noch zwei Ideen für neue Wettkampf-Formate: Eines könnte eine Art Kompakt-Race sein. Wie das ablaufen soll? Die Athleten springen wie gehabt von der Skisprungschanze, der Beste startet beim Langlauf als Erster, der Zweite hat dann fünf Sekunden Rückstand, der dritte zehn Sekunden, dann werden Viererschritte gemacht bis zum Abstand von 50 Sekunden. Mit einer Minute Abstand, starten dann alle anderen, erklärt Weinbuch. 25 oder 35 Kombinierer kämen dann auf einen Schlag auf die Strecke. Das soll verhindern, dass sich die Besten auf ihrem Vorsprung ausruhen, beim Laufen bummeln und trotzdem gewinnen können. „Das Rennen wird viel geschlossener und man würde die schwachen Nationen auch mal sehen“, erhofft sich der Bundestrainer von der Idee.
Um einen Gegenpol zur Bevorzugung der guten Läufer zu haben, solle es zudem ein weiteres neues Format geben, das die starken Skispringer bevorzugt. Nach dem Springen soll dass Feld in Gruppen aufgeteilt werden. Die gehen dann zweimal drei Kilometer laufen. „Und das sollte eher ein Geschicklichkeitsrennen mit Wellen, mit Umsteigen, mit Slalomläufe sein“, betonte der Trainer.
Die beiden neuen Formate könnten die Chance erhöhen, dass starke Skispringer wie die Japaner auch beim Laufen vorne dabei sind und dadurch im Fernsehen zu sehen sein würden. Andersrum gelänge das mit dem neuen Lauf-Format für die USAmerikaner. Das könne dann auch neue Sponsoren bringen, sagt Weinbuch.
Für Frenzel mangelt es in Ländern wie China, USA oder Polen eher an der Bereitschaft, in die Sportart zu investieren. Das könne man aus seiner Sicht nur ändern, wenn mehr Rennen auch in Übersee oder eben Polen ausrichte. Damit die entsprechenden Nationen dann merken würden, dass es „coole Wettkämpfe sind“und es lohne, mehr zu investieren.
Fabian Rießle erinnert daran, dass auch der Erfolg in Norwegen, Österreich und Deutschland nicht aus dem Nichts kam. Man habe dort die letzten Jahre sehr gute Arbeit geleistet. Jetzt habe man schon das Gefühl, dass man dafür nun bestraft werde. „Es geht halt nur um Zahlen, Zahlen, Zahlen“, kritisiert Rießle.
Nun geht es für das deutsche Team in Finnland um die ersten Siege und Weltcup-Punkte. Außerdem stehen in dieser Saison Stationen in Norwegen, Österreich, Deutschland, Frankreich und Estland an. Saisonhöhepunkt wird aber die Nordische Ski-Weltmeisterschaft Ende Februar im slowenischen Planica.
Frenzel kann dann mit dem Gewinn seiner 18. WM-Medaille alleiniger WM-Rekordhalter werden. Das sei natürlich sein Ziel, sagt der Sachse, der in Vinzenz Geiger und Co. dann auch große Konkurrenz aus dem eigenen Team haben wird.