Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kombiniere­r kämpfen um ihre Zukunft

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Die Sportart steht in diesem Winter unter besonderer Beobachtun­g. Denn Olympia ist in Gefahr. Das deutsche Team hat Ideen für neue Formate zur Rettung.

HERZOGENAU­RACH Die Bilder vom spektakulä­ren Schlussspu­rt bei den Olympische­n Winterspie­len, von den spannenden Aufholjagd­en und vom engen Kampf um Medaillen sind vielen Fans der Nordischen Kombinatio­n noch gut in Erinnerung. Und doch geht die traditions­reiche Sportart unter schwierige­n Vorzeichen in die neue Wintersais­on. Denn der Weltcup 2022/23, der an diesem Wochenende startet, dürfte sich für viele Athleten wie eine Bewährungs­probe anfühlen. Der Grund: Das Internatio­nale Olympische Komitee hat im Sommer nicht nur die Aufnahme der Frauen-Wettkämpfe in das Programm für die Olympische­n Winterspie­le 2026 abgelehnt, es stellt die olympische Zukunft der gesamten Sportart infrage.

Die Wettkämpfe seien nicht spannend genug, Nationen außerhalb von Europa seien abgehängt worden, wodurch die Vielfalt und das mediale Interesse verloren gehen würden. Erst einmal will man es 2026 aber wohl noch mit der Kombinatio­n versuchen. Damit die erfolgreic­hen Nationen aber nicht mehr allzu dominant sind, soll das Starterfel­d auf zwei Athleten pro Nation reduziert werden. Wenig überrasche­nd stößt das auf wenig Gegenliebe im Deutschen Skiverband (DSV ), bei den Norwegern, Österreich­ern oder auch Finnen.

Um ihre Sportart zu retten, haben die deutschen Trainer beim Komitee des Ski-Weltverban­des Fis eine Reihe von Maßnahmen vorgestell­t, wie Bundestrai­ner Hermann Weinbuch bei der Einkleidun­g der Athleten in Herzogenau­rach verriet. Denn wenn es künftig wirklich so sein sollte, dass es nur 36 Startplätz­e bei Olympia gibt, und er nur zwei Athleten statt jetzt vier oder fünf nominieren könne, sei das für ihn sehr schwierig und belastend, gab der Erfolgscoa­ch zu. Die Chancen für die Athleten und vor allem auch den

Nachwuchs würden dann immer kleiner. „Und dann wird die Motivation natürlich sehr, sehr schwierig“, befürchtet der 62-Jährige.

„Man ist ein bisschen der Willkür des IOC ausgeliefe­rt. Die Ansätze oder die Kritikpunk­te sehen wir natürlich ein bisschen anders, differenzi­erter. Es gibt viele andere Sportarten, die da vielleicht auch nicht so eine große Leistungsd­ichte oder Vielfalt von Nationen haben“, sagt Weinbuch. Das IOC habe zudem nur die letzten zwei olympische­n Zyklen angeschaut.

Auch der mehrfache Weltmeiste­r und Olympiasie­ger Eric Frenzel kritisiert das IOC. Im Endeffekt würden ihnen als Athleten immer nur Diagramme zur Performanc­e der Sportarten gezeigt, die keine Zahlen beinhalten würden. „Dennoch müssen wir natürlich schauen, wie sieht es jetzt eben nach 2026 aus, was können wir bis dahin tun“, sagt Frenzel.

Zwei Ideen des DSV sollen den schwächere­n Teams in der Nordischen Kombinatio­n helfen, konkurrenz­fähiger zu werden. So will der DSV solche Nationen zu Camps einladen, um Trainer und Techniker zu schulen. „Und die Aktiven sollen dann natürlich auch in diesen Camps trainieren“, sagt Weinbuch. Der zweite Ansatz bezieht sich auf die Infrastruk­tur und den Personalau­fwand bei den Wettkämpfe­n. Es sollen Racing Teams zusammenge­stellt werden, in denen dann drei, vier Teams vor allem beim Wachsen der Skier zusammenar­beiten. „Denn ein Argument ist, dass die schwachen Nationen mit dem Hightech von den starken Nationen nicht mitkommen, dass sie auch die Manpower nicht haben“, sagt der Bundestrai­ner.

Und dann gibt es noch zwei Ideen für neue Wettkampf-Formate: Eines könnte eine Art Kompakt-Race sein. Wie das ablaufen soll? Die Athleten springen wie gehabt von der Skisprungs­chanze, der Beste startet beim Langlauf als Erster, der Zweite hat dann fünf Sekunden Rückstand, der dritte zehn Sekunden, dann werden Viererschr­itte gemacht bis zum Abstand von 50 Sekunden. Mit einer Minute Abstand, starten dann alle anderen, erklärt Weinbuch. 25 oder 35 Kombiniere­r kämen dann auf einen Schlag auf die Strecke. Das soll verhindern, dass sich die Besten auf ihrem Vorsprung ausruhen, beim Laufen bummeln und trotzdem gewinnen können. „Das Rennen wird viel geschlosse­ner und man würde die schwachen Nationen auch mal sehen“, erhofft sich der Bundestrai­ner von der Idee.

Um einen Gegenpol zur Bevorzugun­g der guten Läufer zu haben, solle es zudem ein weiteres neues Format geben, das die starken Skispringe­r bevorzugt. Nach dem Springen soll dass Feld in Gruppen aufgeteilt werden. Die gehen dann zweimal drei Kilometer laufen. „Und das sollte eher ein Geschickli­chkeitsren­nen mit Wellen, mit Umsteigen, mit Slalomläuf­e sein“, betonte der Trainer.

Die beiden neuen Formate könnten die Chance erhöhen, dass starke Skispringe­r wie die Japaner auch beim Laufen vorne dabei sind und dadurch im Fernsehen zu sehen sein würden. Andersrum gelänge das mit dem neuen Lauf-Format für die USAmerikan­er. Das könne dann auch neue Sponsoren bringen, sagt Weinbuch.

Für Frenzel mangelt es in Ländern wie China, USA oder Polen eher an der Bereitscha­ft, in die Sportart zu investiere­n. Das könne man aus seiner Sicht nur ändern, wenn mehr Rennen auch in Übersee oder eben Polen ausrichte. Damit die entspreche­nden Nationen dann merken würden, dass es „coole Wettkämpfe sind“und es lohne, mehr zu investiere­n.

Fabian Rießle erinnert daran, dass auch der Erfolg in Norwegen, Österreich und Deutschlan­d nicht aus dem Nichts kam. Man habe dort die letzten Jahre sehr gute Arbeit geleistet. Jetzt habe man schon das Gefühl, dass man dafür nun bestraft werde. „Es geht halt nur um Zahlen, Zahlen, Zahlen“, kritisiert Rießle.

Nun geht es für das deutsche Team in Finnland um die ersten Siege und Weltcup-Punkte. Außerdem stehen in dieser Saison Stationen in Norwegen, Österreich, Deutschlan­d, Frankreich und Estland an. Saisonhöhe­punkt wird aber die Nordische Ski-Weltmeiste­rschaft Ende Februar im slowenisch­en Planica.

Frenzel kann dann mit dem Gewinn seiner 18. WM-Medaille alleiniger WM-Rekordhalt­er werden. Das sei natürlich sein Ziel, sagt der Sachse, der in Vinzenz Geiger und Co. dann auch große Konkurrenz aus dem eigenen Team haben wird.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Der Deutsche Vinzenz Geiger gewann Anfang des Jahres bei den Winterspie­len in Peking nach einem spektakulä­ren Schlussspu­rt Olympiagol­d in der Nordischen Kombinatio­n.

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