Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Angst muss aus den Köpfen der Spieler
Das 1:2 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen leidenschaftlich kämpfende Japaner hat die Schwachstellen im Team von Bundestrainer Hansi Flick schonungslos offengelegt. In der Analyse des Spiels sind sich alle Experten nahezu einig: Das Spiel wurde nicht erst in den letzten 20 Minuten verloren – nein: die Niederlage deutete sich bereits früher an, und die Verbesserungspotenziale ziehen sich quer durch alle Mannschaftsteile. Torwart Manuel Neuer, der zweimal bravourös hielt, sei hier einmal ausgenommen.
Die größte Baustelle ist definitiv die Abwehr – und die dort leider nicht vorhandene Stabilität. Das Experiment mit den beiden Dortmundern Nico Schlotterbeck und Niklas Süle ist missglückt, da konnte sich Abwehrchef Antonio Rüdiger in der Mitte noch so sehr mühen. Gegen die offensive Wucht der Spanier muss Flick zu einer stabilen Viererkette zurückkehren, die stabil steht und auch nach vorne Sicherheit ausstrahlt.
Überlegenswert ist auch der Zug, Joshua Kimmich aus dem Mittelfeld auf die rechte Abwehrseite zu ziehen – gegen Japan blieb er bis auf die schöne Flanke auf David Raum, der den Elfmeter zum 1:0 herausholte, blass. Ilkay Gündogan dagegen zeigte, warum er Kapitän bei Manchester City ist – er übernahm Verantwortung beim Elfmeter, er hatte Pech mit einem Pfostenschuss, und als er vom Feld ging, ging die Ordnung verloren. Eine Auswechslung ohne Not, die sich nicht wiederholen darf, und einer der Mosaiksteine der sich ankündigenden Pleite.
Angekündigt hatte sich das Desaster auch, als die Deutschen reihenweise beste Chancen versemmelten, etwa durch Serge Gnabry oder Jonas Hofmann. Der Auftritt von Kai Havertz war zudem nicht WM-Startelf-tauglich, der ehemalige Leverkusener fand sich vorn nie zurecht. Der Mann vom FC Chelsea hat seine Chance gehabt und vertan – die Zeit ist reif für einen echten Neuner. Niklas Füllkrug sollte seine Chance gegen Spanien von Anfang an bekommen. Er wird sich zerreißen – so wie es die Japaner insgesamt taten, von der Nummer 1 bis zum letzten Betreuer. Denn auch das war augenfällig: Eine echte Mannschaft stand da für Deutschland irgendwie nicht auf dem Platz, viele Spieler wirkten ängstlich, strahlten kaum Selbstbewusstsein aus, verweigerten sich als Anspielstation.
Wer gegen die spanischen PassMaschinen mit Angst auf den Platz tritt, wird keine Chance haben. Diese Angst muss aus den Köpfen. Und ob es Hansi Flick gelingt, bis zum kommenden Sonntag bei seinen Spielern die Gier zu wecken, jeden Zweikampf so zu führen, als wäre es der letzte, dürfte wohl die schwierigste Aufgabe des Bundestrainers sein.