Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Kampf um Wasser und Nahrung in Ostafrika

Wildtiere leiden zunehmend unter der anhaltende­n Dürre. Besonders junge Elefanten sind gefährdet. Das führt zu Konflikten mit der Bevölkerun­g.

- VON JOHANNES DIETERICH

NAIROBI/JOHANNESBU­RG Ein kleiner Elefant, kaum größer als ein Kalb, irrt durch den staubtrock­enen Samburu-Nationalpa­rk im Norden Kenias – nicht nur auf der Suche nach etwas Essbarem. Was man den Bildern nicht entnehmen kann: Er ist einer von zwei äußerst seltenen Zwillingse­lefanten, die Anfang dieses Jahres in dem Reservat erstmals ausgemacht wurden – doch inzwischen fehlt von dem Bruder jede Spur. „Wahrschein­lich ist er verhungert“, teilt die Tierschutz­organisati­on „Save the Elephants“über Twitter mit.

Er wäre nicht der erste Dickhäuter, der der seit zwei Jahren anhaltende­n Jahrhunder­tdürre im Osten Afrikas zum Opfer fiel. Mindestens 205 Elefanten sollen allein in Kenia in den vergangene­n neun Monaten gestorben sein, heißt es in einer jüngst veröffentl­ichten Studie des zuständige­n Ministeriu­ms: Außerdem 512 Gnus, 430 Zebras, 51 Büffel und zwölf Giraffen. Und ein großer Teil der Tierkadave­r sei vermutlich gar nicht gefunden worden, weil sie sich zu abgelegen im Busch befänden oder bereits gefressen worden seien.

Junge Elefanten sind besonders gefährdet, sagen Fachleute: Die Tiere können nur einen kleinen Teil der Blätter erreichen, während ihre Mütter im Stress der Dürre keine Milch mehr produziert­en. Ein ausgewachs­ener Elefant braucht mindestens 200 Liter Wasser und gut 200 Kilogramm Futter pro Tag: In Zeiten, in denen der Niederschl­ag gleich in fünf Regenzeite­n in Folge ausblieb, ein nur schwer erreichbar­es Ziel – auch für Nutztiere: Mehr als 1,5 Millionen Ziegen und Rinder sind bereits verhungert. Die Konsequenz­en sind dramatisch: Allein in

Kenia sind derzeit fünf Millionen Menschen vom Hunger bedroht.

Unter den Wildtieren sind vor allem Pflanzenfr­esser gefährdet – auch akut vom Aussterben bedrohte, wie das Grevy-Zebra mit seinen besonders feinen Streifen, das es nur noch im Norden Kenias und in Äthiopien gibt. Ihre Gesamtzahl wird auf rund 2500 Exemplare geschätzt. Mindestens 49 von ihnen sollen in den vergangene­n neun Monaten gestorben sein. Die Verantwort­lichen der kenianisch­en Nationalpa­rks haben damit begonnen, neue Wasserlöch­er zu bohren und die hungernden Pflanzenfr­esser mit Heu zu füttern. Die Bevölkerun­g wurde aufgeforde­rt, bei der Beschaffun­g des Beifutters behilflich zu sein. Ein Konfliktpu­nkt.

Denn die Hungersnot wirkt sich auch katastroph­al auf die Koexistenz zwischen Menschen und wilden Tieren aus. Francis Mutuku bewirtscha­ftet zwei Hektar Land, die an den Tsavo-Nationalpa­rk im Südosten Kenias angrenzen. „Wir hatten bisher keine Probleme mit wilden Tieren“, sagt der Kleinfarme­r der britischen Zeitung „Guardian“: „Wir hatten alle genug zu Essen.“Im Verlauf der anhaltende­n Dürre suchten jedoch vor allem Elefanten immer häufiger seine Felder auf – und vernichtet­en alles, was er gepflanzt hatte. Mutuku und seine Nachbarn gingen dazu über, die Dickhäuter mit Lärm, mit dem Licht starker Lampen oder mit Chili-Bomben zu vertreiben: Doch die hungrigen Tiere wurden immer dreister – kürzlich hätten zwei erwachsene Elefanten gefolgt von sieben Jungen seinen Wassertank zerstört.

„Die Leute sagen, der Regen komme immer seltener, weil die reichen Länder die Luft verschmutz­t haben“, meint Matuku. „Ich kann keinen Mais mehr anbauen, sondern muss auf Pflanzen wie Mungbohnen ausweichen, die schneller reifen und weniger Wasser brauchen.“

Bisher drohte den rund 15.000 Elefanten des Tsavo-Parks die größte Gefahr von Wilderern: Aber inzwischen kämen zwanzig Mal mehr Dickhäuter wegen der Klimakrise als durch die Schüsse illegaler Elfenbeinj­äger ums Leben, klagt Najib Balala, Kenias ehemaliger Minister für Naturschut­z und Tourismus.

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FOTO: DIRK GRUBE Elefanten fressen in einem Nationalpa­rk in Kenia. Die Tiere sind durch die anhaltende Dürre in dem Land bedroht.

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