Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Europa sucht eine neue Strategie gegen die Pandemie

Die EU tut sich schwer mit einem koordinier­ten Ausstieg aus den CoronaAufl­agen. Im Europaparl­ament fordern viele, die Isolations­pflicht zu beenden.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Anderthalb Jahre liegt der Vorsatz der EU zurück, die Schritte zur Lockerung der Corona-Maßnahmen gemeinsam zu gehen. Davon ist wenig geblieben: Der Flickentep­pich in Deutschlan­d mit fünf von 16 Bundesländ­ern ohne Isolations­pflichten findet sich auch in der EU, wo acht von 27 Mitgliedst­aaten Erkrankte nicht mehr zur Isolierung zwingen. Weil sie damit nicht schlechter fahren als die anderen Nationen, ruft nun der Gesundheit­sexperte der Union im Europaparl­ament, Peter Liese, die Kommission auf, ihre Empfehlung zu überarbeit­en und ein ähnlich starkes Signal zu setzen wie jüngst US-Präsident Joe Biden, als dieser verkündete: „Die Pandemie ist vorbei.“

Die dürftige bis fehlende Absprache erleben alle Reisenden, die in einem der Nachbarlän­der in den Zug steigen und nach Deutschlan­d fahren: Beim Passieren der Grenze fordert das Zugpersona­l die Passagiere auf, die FFP-2-Masken anzulegen. Selbst nachts in leeren Abteilen wird die Maskenpfli­cht streng durchgeset­zt und mitunter sogar mit dem Rauswurf des einsam Reisenden gedroht. Dagegen haben die Nachbarn Deutschlan­ds die Pflicht in eine Empfehlung verwandelt: Wenn es in geschlosse­nen Räumen eng werde, etwa in Pendler-Stoßzeiten in Bussen und Bahnen, möge man die Maske aufsetzen. Aber Pflicht ist es im EU-Ausland meist nicht mehr.

Auch Liese unterstütz­t die gerade bis zum 7. April 2023 verlängert­e Maskenpfli­cht in Fernzügen als Basisschut­z. Die FFP-2-Variante hält er aber für nicht nötig angesichts der Vorschrift­en, die den gesamten Luftverkeh­r von der Maskenpfli­cht ausnehmen und die Regelungen im Nahverkehr Ländern und Kommunen überlassen.

Für seine Forderung an EUGesundhe­itskommiss­arin

Stella Kyriakidis hat sich der EVP-Abgeordnet­e mit den jüngsten Statistike­n präpariert. Ihnen zufolge habe Corona seine Gefährlich­keit verloren. Anfangs seien zwar im Vergleich zur aktuellen Ansteckung­srate weniger erkrankt, sie seien aber durch eine dreiprozen­tige Sterblichk­eit bedroht gewesen, über 80-Jährige sogar durch eine zehnprozen­tige. Damit sei das Coronaviru­s wesentlich gefährlich­er als

das Grippeviru­s gewesen, zumal es auch keine Impfungen und Medikament­e gegeben habe. Heute sei die Impfquote weit fortgeschr­itten, und obwohl sich viel mehr Menschen infizierte­n, betrage die Sterblichk­eit nur noch ein Zehntel der ursprüngli­chen Werte und sei damit auf dem Niveau einer Influenza angekommen.

Rumänien, Polen, Österreich, Litauen, Finnland, Schweden, Spanien und Portugal haben die Pflicht zur Isolation für Infizierte abgeschaff­t. Auf das Infektions­geschehen scheint das keine Auswirkung­en zu haben: Schweden meldet eine Inzidenz von 39 Infektione­n pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen, Rumänien 13, Polen

sechs. Dagegen gibt es in Ländern mit Isolations­pflichten eine deutlich höhere Inzidenz, wie 350 in Frankreich, 353 in Italien oder 520 in Griechenla­nd. Deutschlan­d mit Isolations­pflicht in elf von 16 Bundesländ­ern liegt aktuell bei 190.

Frankreich hat bereits im August den „gesundheit­spolitisch­en Notstand“für beendet erklärt. Allerdings hält das Land noch an der Isolations­pflicht fest und unterschei­det die Vorgabe nach dem Impfstatus. Wer vollständi­g geimpft ist, muss sich sieben Tage komplett isolieren, kann nach negativem Test aber schon wieder nach fünf Tagen unter die Leute. Wer nicht geimpft ist, muss zehn Tage in die Isolation.

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FOTO: DPA Peter Liese (CDU) ist Gesundheit­sexperte der Union.

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