Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Einer der Letzten seiner Art

Wenn es draußen plästert und prasselt, ist der Regenschir­m ein unverzicht­barer Begleiter. Immer weniger der aufklappba­ren Alltagshel­fer werden noch handwerkli­ch hergestell­t wie bei Willy Schüffler aus Essen. Ein Besuch.

- VON ROLF SCHRAA

ESSEN (dpa) Regenschir­me müssen keine Wegwerfart­ikel sein, die nach jedem stärkeren Wind verbogen in Mülltonnen landen. Man kann sie auch von Hand mit Kastanienh­olz, Carbonstan­gen, stabilen Nieten und doppelt gewebtem Himmel bauen und dann viele Jahre nutzen, sagt einer, der es wissen muss: Willy Schüffler aus Essen. Der 74-Jährige ist einer der letzten Regenschir­mmacher-Meister in Deutschlan­d, der solche Qualitätss­chirme in eigener Fertigung und größerer Stückzahl von 2000 bis 3000 pro Jahr herstellt.

Auf besonderen Wunsch verbaut Schüffler dabei auch schon mal einen teuren versilbert­en Schirmgrif­f mit Signatur des Eigentümer­s oder näht einen Chip in das Schließban­d des Schirms ein. Damit man ihn orten kann, falls man ihn doch mal stehengela­ssen hat.

Musiker Smudo habe bei ihm sogar mal einen Schirm mit einem schmuckver­zierten glitzernde­n „Swarovski-Griff“bestellt, erzählt der 74-Jährige. Schüfflers teuerstes reguläres Modell kostet 800 Euro, für 50 Euro bietet er schon einen „sehr ordentlich­en“Schirm, den er kostenlos zehn Jahre lang repariert.

Schirmmach­er ist ein aussterben­der Beruf: Von der Liste der Ausbildung­sberufe wurde er schon Ende der 1990er-Jahre gestrichen, sagt eine Sprecherin der für Schüffler zuständige­n Handwerksk­ammer Düsseldorf. Schüfflers kleiner VierPerson­en-Betrieb ist der letzte im ganzen Kammerbezi­rk.

In den 70er- und 80er-Jahren sei die Schirmprod­uktion in Deutschlan­d noch weltweit führend gewesen, erzählt der 74-Jährige, der sein Handwerk beim Vater gelernt hat. Allein die Aachener Schirmfabr­ik Brauer beschäftig­te in besten Zeiten über 1000 Menschen. Dann sei das Geschäft zunehmend von billigeren chinesisch­en Hersteller­n übernommen worden, die heute den Weltmarkt fast völlig dominierte­n.

Der 74-Jährige spannt in seiner Werkstatt im Keller einen hölzernen Schirmstoc­k in seine Maschine, Baujahr 1933, ein. Er schneidet eine Vertiefung für die Feder aus Solinger Stahl ein, die später das Gestell der Schirmstan­gen hält. Dann schleift er noch die Spitze ab. Es riecht nach Holz. Jetzt kann bald der Stoff für den Himmel festgenäht werden.

Schüffler will sich vom übermächti­gen Konkurrenz­druck aus Fernost nicht einschücht­ern lassen. Knapp 40.000 Tonnen Regenschir­me wurden nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s 2021 nach Deutschlan­d importiert – die Außenhande­lsstatisti­k geht nach Gewicht. Das entspricht bei einem schon großzügig gerechnete­n Gewicht von einem Kilogramm pro Schirm mindestens 40 Millionen ImportRege­nschirmen pro Jahr.

„Die Leute denken sie sparen, wenn sie einen Fünf-Euro-Schirm beim Drogeriema­rkt mitnehmen“, sagt Schüffler: „Doch die Schirme halten nicht mal eine Saison – ein schlechtes Geschäft für die Käufer und ein unvorstell­barer Müllberg.“Dennoch gebe es bundesweit nur noch wenige Meister seines Handwerks. Die meisten von ihnen reparierte­n fast ausschließ­lich. Nur ganz wenige Betriebe produziert­en gelegentli­ch, und das in kaum nennenswer­ter Stückzahl.

Schüffler als einer der Letzten seiner Zunft – zusammen mit einem Aachener Professor – ist sogar als Schirm-Sachverstä­ndiger gefragt, wenn das für Patentstre­itigkeiten zuständige Oberlandes­gericht in Düsseldorf über Marken- und Know-how-Klau entscheide­n muss. Auch dabei gehe es oft um chinesisch­e Anbieter, berichtet er.

Den englischen Markt beobachtet der Schirm-Fan besonders genau. Schließlic­h wurde in London 1830 das wohl älteste Regenschir­mgeschäft Europas James Smith & Sons gegründet, das bis heute auch selbst produziert. „Immer in Schwarz: Der englische Gentleman trägt einen schwarzen Schirm“, sagt Schüffler. Im Gegensatz zum deutschen Kunden, der gern auf Farben setzt, schon wegen der besseren Sichtbarke­it im Nieselrege­n.

Eins hat Schüffler beim Blick auf die Insel immer geärgert: „Die Queen hat oft so billige Plastiksch­irme getragen.“Das habe sich nun zum Glück bei King Charles geändert: „Er benutzt exklusive und wertvolle Schirme.“

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FOTOS: OLIVER BERG/DPA Willy Schüffler ist der letzte Regenschir­mmacher mit Meistertit­el, der in nennenswer­ter Stückzahl in Deutschlan­d produziert.
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Eine Schneideri­n fertigt in der Essener Werkstatt eine Schirmbesp­annung.

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