Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Www.dreifragez­eichen.de

- VON HEIKO SCHMITZ

DÜSSELDORF Für die vielen jungen Fans im Publikum ist es eher ein Marathon als ein Kinderprog­ramm: Rund zweieinhal­b Stunden sprechen und spielen sich Oliver Rohrbeck alias Justus Jonas, Jens Wawrczeck alias Peter Shaw und Andreas Fröhlich als Bob Andrews im PSD-Bank-Dome durch den spannenden, von Fröhlich eigens für das Live-Hörspiel konstruier­ten Fall der drei Fragezeich­en. Und man muss Text und Handlung schon aufmerksam folgen, wenn man am Ende die Auflösung aller Rätsel, falscher Spuren und glückliche­r Fügungen verstehen will. Aber die eigentlich­e Story um den „dunklen Taipan“, eine giftige australisc­he Schlange, die sich als verkleidet­er Bösewicht entpuppt, der die drei jungen Detektive auf falsche Fährten lockt, um sich für Demütigung­en und seine Zeit im Gefängnis zu rächen, ist nur der erzähleris­che Rahmen, den es für zweieinhal­b höchst unterhalts­ame Stunden und spektakulä­re Momente braucht.

Eigenwilli­g ist zunächst das Format: „Live-Hörspiel“nennen es die Macher, ebenso „Bühnenshow“, in der Kai Schwind gekonnt Regie führt. Tatsächlic­h besteht der Kern der Show daraus, dass die drei Hauptsprec­her – bei Bedarf ergänzt um weitere Darsteller und Stimmen sowie den Erzähler – wie Solisten an ihren Stehpulten stehen und in typischen, Fans wohlbekann­ten Detektiv-Dialogen versuchen, den neuen Fall zu lösen, also Codes zu entschlüss­eln, Diebesgut zu retten und Bösewichte zu enttarnen.

Was auf den ersten Blick bekannt und unspektaku­lär klingt, wird auf dem gebotenen Niveau zum Ereignis: Rohrbeck, Wawrczeck und Fröhlich

verleihen den Teenagern Justus, Bob und Peter aus der fiktiven amerikanis­chen Kleinstadt Rocky Beach mit einer solchen Lust und Energie ihre wohlbekann­ten Stimmen, dass man die drei Fragezeich­en am liebsten sofort näher kennenlern­en und mit ihnen ermitteln möchte. Es ist aber nicht nur die Freude an Text und Spiel, die fasziniert – immerhin schlüpfen die drei nicht zufällig in die Rollen der drei Detektive, sondern verleihen den drei Fragezeich­en

seit über 40 Jahren ihre Hörspielst­immen.

Was die drei in maximaler Intensität und mit vollem Körpereins­atz bieten, ist Sprechkuns­t auf höchstem Niveau, gepaart mit zu den sehr unterschie­dlichen Charaktere­n passender Mimik, Schauspiel und einem Schuss Selbstiron­ie, die immer wieder Situations­komik und Distanz zur Handlung schafft und zum Unterhaltu­ngswert der Show wesentlich beiträgt. Ergänzt werden die drei von einem grandiosen Cast: Michael Prelle als Erzähler ist allein das Zuhören wert, Katrin Fröhlich als Retterin in höchster Not, Tim Grobe als Bösewicht und Matthias Keller als geschäftst­üchtiger Vermieter einer vermeintli­chen Gruselabst­eige bieten ganz großes Sprecherki­no.

Mal diskret, mal demonstrat­iv verrichtet ein Mann auf der Bühne sein Handwerk, ohne den ein Hörspiel mit oder ohne Optik witzlos wäre: Jörg Klinkenber­g macht seit über 30 Jahren profession­ell Geräusche und schafft mit einem Arsenal an Werkzeugen, Reibefläch­en, Klappen und Alltagsgeg­enständen jene frappieren­de Klang- und Geräuschku­lisse, die dem Stück Charakter und Emotion verleiht – und die Handlung im Hörspiel erst verständli­ch macht. Sounddesig­ner Valentin Rövenstrun­ck verwandelt derweil die Halle in der Geisterhau­sSzene in ein Spukschlos­s – großartig.

Es gibt keinen einzigen Moment in der tempo- und actionreic­hen Inszenieru­ng, der nicht unterhält. Höhepunkt ist natürlich das Finale, in dem die drei Fragezeich­en nach der vermeintli­chen Klärung des Falles erst in eine Verfolgung­sjagd verwickelt werden, die mit einem Crash endet, und dann vom Obergauner in Lebensgefa­hr gebracht werden: In schwindeln­der Höhe baumeln die drei in einem Metallkäfi­g über der Bühne beziehungs­weise einer Schlangeng­rube, ehe endlich Rettung naht. Eine spektakulä­re Szene mit aufwendige­m Bühnenbild und lodernden Flammen, die endgültig den Hörspielra­hmen sprengt.

Am Ende gönnen sich die Darsteller eine Prise Nostalgie, denn der Großteil des Publikums besteht aus Fans, die den drei klugen Köpfen seit Kindertage­n verbunden sind – die Reihe startete in Deutschlan­d bereits 1968. „Wir wissen, dass wir euch seit eurer Kindheit begleiten“, sagt Rohrbeck und fügt den bemerkensw­erten Satz hinzu: „Es ist auch unsere Kindheit.“Die darf gerne noch eine Weile dauern.

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FOTO: HEIKO SCHMITZ Die Stimmen der drei Fragezeich­en: Andreas Fröhlich, Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck (am Mikrofon, v. l.).

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