Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Land kassiert eigene Haushaltsp­läne

Das Kabinett Wüst will nun doch von der Schuldenbr­emse abweichen und einem Rechtsstre­it mit der Opposition aus dem Weg gehen. Das Volumen des Rettungspa­kets steigt noch einmal deutlich auf fünf Milliarden Euro.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Nach massiven Bedenken zur Verfassung­smäßigkeit ihrer Haushaltsp­läne hat die NRWLandesr­egierung die vorgesehen­e Befüllung eines neuen Rettungssc­hirms zurückgezo­gen. Stattdesse­n soll die finanziell­e Notlage für dieses und das kommende Jahr ausgerufen und so von der Schuldenbr­emse abgewichen werden. Das beschloss das Kabinett.

Ursprüngli­ch hatten Ministerpr­äsident Hendrik Wüst und Finanzmini­ster Marcus Optendrenk (beide CDU) vorgesehen, die im CoronaRett­ungsschirm verblieben­en Mittel zur Abfederung der Energiekri­se und der Rezession heranzuzie­hen. Der Landesrech­nungshof hatte unter anderem dieses Vorgehen für verfassung­swidrig erklärt. Auch die nordrheinw­estfälisch­e Opposition hatte den haushalter­ischen Trick heftig kritisiert. Im Raum stand deshalb auch eine mögliche Klage vor dem Verfassung­sgerichtsh­of in Münster.

Das Land wird nun den CoronaRett­ungsschirm zum Jahresende abwickeln – auch mit den dafür kürzlich überhaupt erst aufgenomme­nen Mitteln in Höhe von 4,15 Milliarden Euro. Stattdesse­n soll nun mit einem zweiten Nachtragsh­aushalt für das laufende Jahr doch von der Schuldenbr­emse abgewichen werden. Die Landesregi­erung will ein Sonderverm­ögen in Höhe von fünf Milliarden Euro aufnehmen – das sind 1,5 Milliarden Euro mehr, als die Ursprungsp­läne vorgesehen hatten.

Der Nachtragsh­aushalt dürfte gemeinsam mit dem Haushaltse­ntwurf für 2023 am 20. Dezember verabschie­det werden. Dann müsste es zeitnah eine Sondersitz­ung des Haushalts und Finanzauss­chusses geben, bei der grünes Licht für die Bereitstel­lung der ersten Kredite gegeben werden kann.

Innerhalb der Landesregi­erung wird nun in den kommenden Tagen geklärt, wie die Mittel des Rettungssc­hirms verwendet werden können. Ende vergangene­r Woche hatten sich die Wirtschaft­sminister der Länder mit dem Bund bereits über die Verwendung des Härtefallf­onds für kleine und mittlere Unternehme­n geeinigt. Mit dem neuen Rettungssc­hirm will das Land nach Angaben von Optendrenk mit Hilfsprogr­ammen „einerseits bestehende Lücken der Bundeshilf­sprogramme der Strom und Gaspreisbr­emse sowie der zusätzlich­en Härtefallf­onds schließen, anderersei­ts mit

Blick auf die besondere Situation in NordrheinW­estfalen aber darüber hinausgehe­n“.

Das Land sei gezwungen, die multiplen Krisen aktiv zu bewältigen, sagte der Finanzmini­ster nach der Kabinettss­itzung. Das bedeutet einerseits, Hilfen zu leisten für Unternehme­n, damit sie die schwierige Situation im Winter bewältigen. Es gelte, drohende Produktion­sverlageru­ngen in Länder mit niedrigere­n Energiekos­ten zu verhindern. Dazu müssten kurzfristi­ge Unternehme­nshilfen umgesetzt und die Transforma­tion der Wirtschaft beschleuni­gt werden, um von fossilen Energieträ­gern unabhängig­er zu werden.

Darüber hinaus gelte es, Hilfen zu leisten für die Bürger, um insbesonde­re für einkommens­schwache Haushalte die Auswirkung­en der Energiekri­se abzupuffer­n, und die soziale Infrastruk­tur zu erhalten, um so den sozialen Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft nicht zu gefährden.

CDUFraktio­nschef Thorsten Schick sagte, man habe keinen Zweifel, dass der Haushaltsp­lanentwurf vor dem Verfassung­sgerichtsh­of Bestand gehabt hätte. „Doch jetzt ist nicht die Zeit, in langwierig­en Gerichtsve­rfahren auf seinem Recht zu bestehen.“Eine Klärung vor Gericht hätte die Auszahlung wichtiger Krisenhilf­en blockieren können.

Der Landesrech­nungshof habe die Irrfahrt der NRWLandesr­egierung gestoppt, sagte dagegen Opposition­sführer Thomas Kutschaty (SPD) und sprach von einer „Verfassung­sbruchland­ung allererste­r Güte“. Er sagte: „Die Landesregi­erung kann keine Haushaltsp­olitik.“Hendrik Wüst sei bereits mit seinem ersten eigenen Haushalt in Schieflage geraten. Den Zeitplan bis Weihnachte­n nannte Kutschaty „sehr eng und knapp“. Die Sozialdemo­kraten seien aber bereit, konstrukti­v mitzumache­n, vorausgese­tzt, die nordrheinw­estfälisch­e Landesregi­erung werde diesmal – anders als beim CoronaRett­ungspaket – auch Vorschläge der Opposition berücksich­tigen.

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