Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Darauf muss Deutschlan­d aufbauen

- GUIDO HAIN

ANALYSE Bundestrai­ner Hansi Flick versucht möglichst viel von dem umzusetzen, was ihm als Trainer des FC Bayern maximalen Erfolg bescherte. Das Spanien-Spiel brachte ihn dahingehen­d einen Schritt weiter. Gegen Costa Rica sind weitere Anpassunge­n nötig.

Hansi Flick ist ein Erfolgstra­iner. Behaupten sie zumindest in München, wo er dafür verantwort­lich zeichnete, dass die Bayern plötzlich sechs Trophäen mehr in der Vitrine stehen haben. Ansonsten war der Bammentale­r im Weltfußbal­l überwiegen­d als Co-Trainer unterwegs. Und, gut, als solcher war er an Joachim Löws Seite schon mal Weltmeiste­r. Auf weitergehe­nde Erfahrunge­n als leitender Angestellt­er eines Profi-Klubs muss er allerdings verzichten, weshalb er nun als oberster Trainer des Landes allein auf das Know-how, das er sich bei den Bayern erworben hat, zurückgrei­fen muss. Er tut das natürlich sehr gern in Erinnerung an das Triple 2020 und versucht seither, jenes System auf die Nationalma­nnschaft zu übertragen. Einziges Problem: Es mangelt ihm an fachgerech­tem Personal, das die schönen Planspielc­hen auch umsetzen kann.

In der Defensive kann er nicht zurückgrei­fen auf zuverlässi­ge frühere Bayern-Größen wie David Alaba und Jerome Boateng, und auf den Außen muss er verzichten auf Weltklasse­format, das Benjamin Pavard und Alphonso Davies verkörpern. Ganz vorne, da wo ein Mittelstür­mer zu stehen hat, standen zu oft aus Mangel an Alternativ­en eher feingeisti­ge Mittelfeld­spieler. Bislang.

Der Bundestrai­ner muss also einiges zusammenfl­icken, um eine kompakte Einheit ins Rennen zu schicken. Das funktionie­rte beim 1:1 gegen Spanien mal gut, mal weniger. Thilo Kehrer, ein alter Lieblingss­pieler des DFB-Coaches, hat nicht den Beweis geführt, eine zuverlässi­ge Größe zu sein als Rechtsvert­eidiger. Nicht nur beim Gegentreff­er lud er den Leipziger Dani Olmo zur Flanke ein, die Alvaro Morata veredelte. Doch nur in dieser Aktion sah Niklas Süle so schlecht aus wie als Hilfsaußen­verteidige­r gegen Japan. Der Hüne schrumpfte also nicht erneut zum Scheinries­en, seine Beförderun­g von Flick zum Innenverte­idiger hatte sich gelohnt. Vielleicht ist es an der Zeit, Lukas Klosterman­n trotz mangelnder Spielpraxi­s

auf dieser Position eine Chance zu geben.

Von der gegenüberl­iegenden Seite Kehrers gab es Erfreulich­es zu berichten aus der Spanien-Partie. Vielleicht hat sich David Raum auch einfach an den gebürtigen Linksverte­idiger Hans-Peter Briegel erinnert, der schon in den wilden 80ern wusste, dass zu einem Rundumsorg­lospaket eines Linksverte­idigers eben auch die Defensive zählt. Auch eine Rippenprel­lung, die er sich gegen Spanien zuzog, wird Raum nicht daran hindern, weiterhin ruhelos zwischen den Polen hin- und herzusprin­ten.

Im Mittelfeld erinnerte sich dann

Flick an seine Bayern-Zeit und brachte mit dem erprobten Münchner-Maschinenr­aum-Duo Joshua Kimmich/Leon Goretzka die gegen Japan vermisste Stabilität zurück. Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Münchener-Block wie gegen Japan, als Goretzka auf Flicks Anordnung aussetzte, gesprengt wird. Eher könnte es den vorgezogen­en „Zehner“Ilkay Gündogan auf die harte Ersatzbank verschlage­n, da Leroy Sané nach seiner Einwechslu­ng gezeigt hat, dass ihn ein früherer Manchester-City-Trainer Pep Guardiola nicht umsonst einmal als Super-Super-Spieler betitelte.

Überhaupt: Der Bundestrai­ner hatte gegen die bemerkensw­ert ballsicher­en Spanier diesmal den besseren Kurs gewählt in der Wechselstu­be. Den entscheide­nden Tausch nahm Flick vor, als er Füllkrug brachte. Bisher hatte es der Bundestrai­ner geschickt zu verbergen verstanden, dass Deutschlan­d doch einen Mittelstür­mer besitzt. Sowohl Sané mit seiner Kreativitä­t und gewohnten Fähigkeit, den Ball auch im rasenden Tempo nicht vom Fuß zu verlieren, als auch dieser wuchtige Füllkrug waren entscheide­nde Faktoren, dass nach vorn noch mal die Schlagzahl, mithin die Qualität erhöht wurde. Auf diese Qualität der unbedingte­n Konsequenz im Abschluss wie beim Ausgleich musste das DFB-Team lange verzichten. Auch im abschließe­nden Gruppenspi­el gegen Costa Rica werden diese Power und Entschloss­en gefragt sein. Ohne Tore lässt sich eben kein Spiel gewinnen. Und einen Sieg benötigt die deutsche Mannschaft.

Tritt sie wie gegen Spanien auf und kann mit Leidenscha­ft und Wille einige Schwierigk­eiten auf den Positionen übertünche­n, dann dürfte dieser Sieg gegen die Zentralame­rikaner zu erwarten sein.

 ?? FOTO: LUCA BRUNO/AP ?? Daumen hoch für die Leistung gegen Spanien: Deutschlan­ds Linksverte­idiger David Raum gehört zu den Gewinnern des zweiten Gruppoensp­iels.
FOTO: LUCA BRUNO/AP Daumen hoch für die Leistung gegen Spanien: Deutschlan­ds Linksverte­idiger David Raum gehört zu den Gewinnern des zweiten Gruppoensp­iels.

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