Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ehepaar mit künstleris­cher Ader

Margot und Heinz Kerres sind seit 67 Jahren verheirate­t. Das Besondere an dem Ehepaar: Die 89-Jährige schreibt Gedichte, ihr Mann (90) malt die passenden Bilder dazu. Dabei ging Margot Kerres nur vier Jahre zur Schule.

- VON STEPHAN SEEGER

KAARST Als die stellvertr­etende Bürgermeis­terin Anja Weingran Heinz Kerres zu dessen 90. Geburtstag besucht hat, stieß sie „auf eine einzigarti­ge Perle“, wie sie unserer Redaktion im Anschluss mitteilte. Mit dieser „Perle“sind die Gedichte und Bilder von Margot und Heinz Kerres gemeint. Margot Kerres hat ihr gesamtes Leben in einer Biografie festgehalt­en. Titel: „Mein Leben mit Heinz“. Seit rund fünf Jahren schreibt sie Gedichte, ihr Mann begann bereits vor rund 60 Jahren damit, Bilder zu malen. „Aus Langeweile“, wie er sagt. Und er hatte Talent, das wurde schnell deutlich. An sein erstes Bild kann er sich noch sehr gut erinnern. „Es war eine Kerze“, sagt er.

Das Besondere: Heinz und Margot Kerres haben ihre Arbeiten teilweise miteinande­r verbunden. In gebundenen Büchern sind auf der linken Seite Zeichnunge­n von Heinz zu sehen, auf der rechten stehen die Gedichte seiner Frau Margot. „Meine Frau hat mich damit beauftragt, zu jedem Gedicht ein passendes Bild zu malen. Ich habe aber nicht jede Seite geschafft“, sagt Heinz Kerres.

Margot Kerres stammt aus Schlesien und ist nur vier Jahre zur Schule gegangen. Dann wurde Kerres, die am Montag ihren 89. Geburtstag feierte, vertrieben. Im März 1948 kam sie nach Büderich, wo Verwandte lebten, und arbeitete bei einem Bauern, der sie schlecht behandelte. 1949 wollte sie zurück in die DDR, fiel aber Russen in die Hände, die Kerres wieder zurück in den Westen schickten. 1953 lernte Margot schließlic­h ihren Mann Heinz kennen – und lieben.

Die Gedichte sind aus dem Leben gegriffen. Das Gedicht über einen Einkauf ist das beste Beispiel. „Am Nachmittag geh ich aus dem Haus, ich muss einfach mal raus. Die Sonne scheint so schön, da kann man schön spazieren geh‘n. Zum Schluss noch etwas einkaufen, das kann man immer gebrauchen. Doch dann, oh Schreck, so viel Geld ist wieder weg. Dann geht man wieder heim, doch der Einkauf musste sein“, lautet das kurze Gedicht. „Ich habe mich mal wieder geärgert, dass es so teuer war“, sagt Margot Kerres. Natürlich gibt es auch zur Corona-Pandemie ein passendes Gedicht. „Ich verbinde meine Gedichte meistens mit einer Geschichte aus meinem Leben“, sagt Margot Kerres. Heinz Kerres ergänzt: „Mit allen Gedichten verbindet meine Frau ein Erlebnis.“

Die bewegendst­en Verse aber hat Margot Kerres ihrer Mutter gewidmet. Das Gedicht besteht aus zwölf Strophen mit je vier Zeilen und trägt die Überschrif­t „Unsere tapferen Mütter“. Beim Lesen der Verse bekommt man Gänsehaut. Die letzten beiden Strophen lauten: „Unseren Müttern gebührt große Ehre, was sie leisteten, ging oft über ihre Kraft. Sie setzten sich gegen Armut und Hunger zur Wehr und hatten oft eine schlaflose Nacht. Trotz allem schufen sie uns ein neues Heim, oft wurde es ihnen schwer gemacht. Sie wollten mit ihren Kindern glücklich sein, unsere tapferen Mütter haben Großartige­s vollbracht.“

Trotz einer Krankheit lässt sich Margot Kerres nicht vom Schreiben abhalten. Rund zweimal in der Woche sitzt sie im Wohnzimmer und dichtet Verse. „Ich habe mich auch schon einmal nachts hingesetzt und ein Gedicht geschriebe­n, weil mir plötzlich etwas eingefalle­n ist“, sagt sie. Mit ihrem Mann ist sie seit 67 Jahren verheirate­t – und das merkt man, wenn man die beiden beobachtet. Immer dann, wenn Heinz eine Geschichte erzählen möchte, liest Margot einfach eines ihrer rund 500 Gedichte vor – und Heinz lässt sie gewähren.

Die Kulturauss­chussvorsi­tzende Dagmar Treger (CDU) ist ebenso wie Anja Weingran begeistert von den Werken des Ehepaares. „So etwas muss man erst einmal können“, sagt Treger, die bei unserem Besuch dabei war. Dafür, dass Margot Kerres nur vier Jahre lang in der Schule war, verfüge sie über einen „riesigen Wortschatz“, sagt die ehemalige Lehrerin Treger, in deren Unterricht Gedichte früher auch immer eine besondere Rolle gespielt hatten.

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NGZ-FOTOS: SEEG (2) Heinz und Margot Kerres sind ein besonderes Ehepaar. Nicht nur, dass sie seit 67 Jahren verheirate­t sind, sondern auch die Mischung aus Bildern und Gedichten verbindet die beiden Senioren.

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