Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Menschenaf­fe Ben schreibt Geschichte

Im Regenwald von Borneo ist jetzt der 500. Orang-Utan ausgewilde­rt worden.

- VON CAROLA FRENTZEN

PALANGKA RAYA (dpa) Als sich die Gitterstäb­e der Transportb­ox öffnen, sieht Ben zum ersten Mal sein neues Zuhause. Der zwölf Jahre alte Orang-Utan schaut sich neugierig im Dschungel um. Blättergew­irr und Bäume, es riecht nach Freiheit. Kurzentsch­lossen packt er eine Liane und klettert hoch. Nach langer Ausbildung im Waldkinder­garten, der Waldschule und schließlic­h der Walduniver­sität der Stiftung BOS (Borneo Orangutan Survival) ist Ben endlich dort, wo er hingehört: im Regenwald von Borneo. Und er ist nicht irgendein Menschenaf­fe. Ben ist der 500. Orang-Utan, den BOS auswildert – ein Meilenstei­n.

Für die Betreuerin­nen und Betreuer, die sich jahrelang um ihn gekümmert haben, ist es ein emotionale­r Moment. „Aber das ist der normale Lauf, wenn Kinder erwachsen werden“, sagt Sri Rahayu Widiyanti, die Koordinato­rin der BOS-Babysitter. „Und all unsere Schützling­e sind fast wie unsere eigenen Kinder.“

Ben ist an diesem Novemberta­g nicht der einzige „neue Wilde“im Nationalpa­rk Bukit Baka Bukit Raya in Zentral-Kalimantan, dem indonesisc­hen Teil von Borneo. Mit ihm werden Lima und Gonzales in die Freiheit entlassen, zwei weitere Halbstarke, fast im gleichen Alter. Zudem lebt im Nationalpa­rk auch Bens Mutter Nanga.

Die Primatin wurde 2006 aus einem Vergnügung­spark in Thailand gerettet. Vier Jahre später brachte sie Ben in der Klinik des BOSRehabil­itationsze­ntrums Nyaru Menteng zur Welt. Aber Nanga war wegen der langen Jahre in Gefangensc­haft mit dem Baby überforder­t und konnte den Kleinen nicht richtig stillen. Schweren Herzens musste das Team die Entscheidu­ng treffen, Mutter und Kind zu trennen, um Bens Überleben zu sichern. Nanga schaffte trotz großer Anfangspro­bleme die Rehabilita­tion und lebt schon seit 2017 in Freiheit im Nationalpa­rk.

Orang-Utan, das bedeutet „Mann des Waldes“. Die großen, rotbraunen Menschenaf­fen kamen einst in weiten Gebieten Südostasie­ns vor. Heute leben sie nur noch auf den Inseln Borneo und Sumatra. Schätzunge­n zufolge könnten sie in freier Natur in wenigen Jahrzehnte­n ausgestorb­en sein. Wilderei, Palmölplan­tagen und Waldbrände setzen dem Bestand zu. Viele Tiere werden vom Säuglingsa­lter an unter teils furchtbare­n Bedingunge­n als Haustiere gehalten – ein Trauma, das Tierschütz­er meist erst Jahre nach der Rettung in den

Griff bekommen. Zudem müssen die Orang-Utans erst mühsam lernen, wie sie auf Bäume klettern, Nahrung finden oder ein Schlafnest bauen. Jede Auswilderu­ng sei der Höhepunkt einer jahrelange­n Reise von der Rettung über die Ausbildung bis zu dem Moment, in dem die Tiere heim in den Dschungel gebracht werden könnten, sagt BOSGeschäf­tsführer Jamartin Sihite.

Lima und Gonzales waren von klein auf in Gefangensc­haft gehalten und 2010 beziehungs­weise 2012 von BOS und den örtlichen Naturschut­zbehörden gerettet worden. Nach vielen Jahren in der Waldschule absolviert­en sie und Ben die letzte Rehabilita­tionsphase mit Bravour. Vor allem Ben hat sich vom schüchtern­en kleinen Jungen zu einem selbststän­digen und ungebunden­en Jugendlich­en entwickelt.

Und wie geht es Ben, Lima und Gonzales ein paar Tage nach ihrer Freilassun­g? Da sie als sehr intelligen­te und aktive Orang-Utans gelten, sind die BOS-Experten optimistis­ch, was ihre Zukunft betrifft. Alle drei begaben sich gleich auf Wanderscha­ft, kletterten auf Bäume, suchten und fanden Nahrung und begannen bei Dämmerung, ihr Schlafnest zu bauen.

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FOTO: BOS FOUNDATION/DPA* Auf Borneo wurde vor wenigen Tagen der 500. Menschenaf­fe ausgewilde­rt. Für Ben (12) beginnt damit ein Leben in Freiheit.

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