Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Proteste machen ein bisschen Hoffnung
Eine Zeit lang schien es, als könnten sich Diktatoren und autoritäre Herrscher alles erlauben: unmenschliche Kleider- und Verhaltensvorschriften im Iran, einen totalen Corona-Lockdown in China, Demonstrationsverbote in der Türkei. Doch die Menschen lassen sich nicht alles gefallen. Wenn die Herrschenden überziehen, überwinden viele ihre Angst und gehen auf die Straße.
Für autoritäre oder auch totalitäre Systeme wie etwa in China wird es dann doch brenzlig. Meistens lassen sie die Proteste ein bisschen gewähren, hoffen, dass sie abflauen. Im geeigneten Moment gehen die Sicherheitskräfte brutal und ohne Erbarmen gegen die Protestierenden vor. Oft beginnt die Repression von Neuem.
Wie können aber solche Proteste am Ende erfolgreich sein? Die Demonstrationen im Jahr 1989 führten zur Auflösung der Gewaltherrschaft in den sozialistischen Staaten des Ostens. Die Maidan-Revolution 2014 brachte die Ukraine auf den Weg der Demokratisierung. Eine Umwälzung ist dann erfolgreich, wenn sie ein klares Ziel verfolgt, geeignete Führungspersonen ausweist und über einen gesetzlichen Unterbau verfügt. Das war im Ostblock und beim Maidan der Fall, im Arabischen Frühling nicht, weil dort westliche Demokratie gegen islamischen Gottesstaat stand.
Die Protestierenden müssen eine kritische Masse erreichen, dass es sich für Gefolgsleute der Unterdrücker nicht mehr lohnt, auf der Seite der Macht zu stehen. Wenn die bis dahin willfährigen Helfer nämlich rechtzeitig wechseln, sind sie am Ende bei den Siegern. Im Iran und der Türkei könnte mittelfristig eine solche Konstellation erreichbar sein. In China ist das trotz der mutigen Proteste wohl eher nicht der Fall. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wenn die Türkei oder der Iran zum Präzedenzfall werden, eröffnet das auch für andere Proteste neue Perspektiven.