Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Bundestag zeigt Solidarität mit Demonstranten in China
BERLIN Ein weißes Blatt Papier. Jürgen Trittin hält es hoch während der Aktuellen Stunde im Bundestag am Mittwoch – so wie die Demonstranten in mehreren chinesischen Städten, die in den vergangenen Tagen mit leeren Blättern gegen die NullCovid-Politik der Regierung auf die Straße gegangen sind. Anders als sie können Grünen-Außenpolitiker Trittin wie auch alle Redner nach ihm frei reden – und drücken ihre Solidarität mit den Menschen in China aus. Die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen fragt: „Wie groß muss der Druck sein, um in einem Land wie China zu protestieren?“Die Debatte im Bundestag solle auch zeigen, „dass wir euch sehen“. Die Protestanten seien nicht allein.
Mit einiger Überraschung für den Rest der Welt sind in den vergangenen Tagen in mehreren Städten der Volksrepublik einige Tausend Chinesen auf die Straße gegangen, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren. Sogar „Nieder mit Xi Jinping“-Rufe sind dabei in die Welt hinausgetragen worden.
Trittin hält fest, dass dieses Jahr ganz offenbar „das Jahr der weißen Blätter“sei. Erst in Russland, jetzt in China – weiße Blätter, auf denen nichts steht und auf diese Art und Weise auch wieder sehr viel zu lesen ist. Stiller Protest, mutig und in China gefährlich für jeden, der sich dafür auf die Straße wagt. Trittin fordert, endlich ein Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen und somit ein Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit aufzustellen, wie sie die muslimische Minderheit der Uiguren in China erdulden muss. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) kritisiert die jüngste China-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „Reise der verpassten Chancen“. China wandle sich gerade „von einem autoritären zu einem diktatorischen System“.
Auch FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff greift das Bild der weißen Blätter auf. Er verweist darauf, dass in Russland, im Iran und in China Freiheitsund Menschenrechte unterdrückt würden. In diesen Tagen „erntet Xi Jinping die Früchte seiner Politik“. Das Volk wehre sich gegen das totale Wegsperren, angeordnet durch das Regime. Der FDP-Politiker fordert die Führung in Peking auf, ihre hartnäckige Weigerung aufzugeben und „endlich westliche Impfstoffe ins Land zu lassen“.
Der AfD-Abgeordnete Jürgen Braun und die Linke-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen nutzen diese Aktuelle Stunde als Gelegenheit, die noch von der Merkel-Regierung beschlossenen Lockdowns mit der Null-Covid-Politik Pekings zu vergleichen. Die Bundesregierung habe bei ihren Lockdowns „wie die KP Chinas“agiert – Menschen weggesperrt, Denunziantentum gefördert, massive Polizeipräsenz, so Braun. Auch Dagdelen betont, in Deutschland habe es Lockdowns und Impfpflicht gegeben, Proteste dagegen seien von Polizei begleitet worden. Und nun unterstütze das Plenum den Freiheitswillen der Menschen in China. SPD-Außenpolitiker Nils Schmid hält danach erst einmal die Luft an, dann platzt es aus ihm heraus: „Wie tief muss man sinken, Frau Dagdelen?“Die Linke-Politikerin habe „Applaus von Rechtsaußen“bekommen.
„Wie groß muss der Druck sein, um in einem Land wie China zu protestieren?“Gyde Jensen FDP-Bundestagsabgeordnete