Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Krankheitswelle bringt Schulen ans Limit
Die hohe Anzahl an Grippe-, Magen-Darm-, aber auch Corona-Infektionen sorgen derzeit für eine angespannte Lage in vielen Neusser Schulen. Immer häufiger machen auch psychische Probleme zu schaffen.
NEUSS Nach den plagenden Jahren der Corona-Pandemie, die geprägt waren von Einschränkungen, Ausfällen und hohen psychischen Belastungen, kann von einem „Normalbetrieb“an Schulen noch längst keine Rede sein. Aktuell sorgen auch in Neuss zahlreiche Krankheitsfälle bei Schülern und Lehrern für Probleme. Christiane Zangs, Schuldezernentin der Stadt Neuss, hat die Thematik in dieser Woche deshalb bei einer Konferenz mit NRW-Schulministerin Dorethee Feller zur Sprache gebracht. „Wir haben wirklich hohe Ausfallzahlen“, sagt Zangs. Diese seien jedoch nicht auf eine Erkrankung allein zurückzuführen. Vielmehr handele es sich um eine Art Dreiklang aus klassischer Grippe, Magen-Darm-Infekten – und immer noch Corona. Auch wenn längst nicht mehr alle Fälle erfasst werden können.
In vielen Schulen kommt es wegen
„In der vergangenen Woche haben 20 Prozent der Schüler gefehlt“Susanne Huptasch Schulleiterin
der angespannten Lage regelmäßig zu Unterrichtsausfällen – so zum Beispiel an der Martin-LutherSchule an der Sternstraße. „In der vergangenen Woche haben 20 Prozent der Schüler gefehlt“, sagt Leiterin Susanne Huptasch. Der Hörer im Sekretariat habe wegen der vielen Elternanrufe nicht stillgestanden. Auch in der Lehrerschaft sei die Ausfallquote hoch, Vertretungsunterricht die Konsequenz.
In seiner Praxis stellt Gerhard Steiner in Bezug auf kranke Lehrer in diesem Jahr eine Besonderheit fest: „Viele leiden unter Re-Infektionen“, sagt der Mediziner. Heißt: Nach einer Krankschreibung wegen eines Atemwegs-Infekts und einer zwischenzeitlichen Gesundung komme es zwei Wochen später zu einer erneuten Erkrankung. „Durch den Kontakt zu vielen Kindern und Jugendlichen sind die Lehrer eben besonders ansteckungsgefährdet“, sagt Steiner. Eine Rückkehr zur Maskenpflicht würde allein aus Hygienegründen
zwar Sinn ergeben, „sie schränkt die Schüler in ihrer Bewegungsfreiheit aber zu sehr ein“, sagt Steiner, der sich allerdings dafür ausspricht, dass an der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln festgehalten wird.
Dass derzeit eine Krankheitswelle durch die Schulen rollt, beschäftigt auch den Stadtelternrat. Dirk Jansen berichtet, dass alle Altersklassen und Schulformen betroffen seien. Er ist Vorsitzender des Gremiums, das sich aus Vertretern der Schulpflegschaften aller städtischen Neusser Schulen zusammensetzt. „Es gibt sehr viele Krankheitsfälle. Es gibt sogar Schulen, in denen schon Klassenarbeiten verschoben wurden, weil einfach zu wenig Schüler gesund waren“, sagt Jansen. Aus Gesprächen mit Eltern wisse er, dass es sich vor allem um grippale Infekte handele. „Viele testen dann natürlich auf Corona, doch oft bleiben die Tests negativ“, sagt Jansen. Vermutet
werde daher eine „klassische Erkältungswelle“, die derzeit – zum Teil auch mit Fieber – um sich greife. „Auch aus dem Bereich der Grundschulen hören wir im Stadtelternrat, dass es aktuell viele Krankheitsfälle gibt.“Eher kein Zusammenhang wird aktuell mit regelmäßigem Lüften und kalten Temperaturen gesehen. „Da wurden an den Stadtelternrat wenig Probleme herangetragen“, erklärt Jansen. „Das mag aber auch daran liegen, dass wir einen sehr milden November hatten und die wirklich richtig kalten Tage ja erst noch kommen.“
Achim Fischer, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule und Sprecher aller weiterführenden Schulen im Neusser Stadtgebiet, bestätigt zwar ebenfalls die aktuelle Infekt-Welle, die an seiner Schule vor allem die Schülerschaft betreffe, macht in dem Zusammenhang jedoch auf die grundsätzliche Problematik des Lehrermangels aufmerksam: „Wir haben eine durchschnittliche Auslastung von 86 bis 88 Prozent. Wünschenswert wären jedoch 100 Prozent plus drei Prozent Vertretungsreserven.“Vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern, aber auch in Religion, herrsche eklatanter Mangel, was dazu führe, dass viele Lehrer „am Limit oder bereits darüber hinaus“arbeiten müssten, wie Fischer betont.
In dieselbe Kerbe schlägt SchuIdezernentin Christiane Zangs, die auf eine weitere besorgniserregende Entwicklung aufmerksam macht: „Die hohe Belastung wirkt sich immer mehr auf die Psyche aus.“Allein in der jüngeren Vergangenheit habe sie von drei Lehrern gehört, die sich in psychologische Behandlung begeben hätten. Auch Faktoren wie der Ukraine-Krieg oder gestiegene Energiekosten spielten dabei eine Rolle. Was Zangs betont: „Was die Lehrer trotz aller Herausforderungen leisten, ist bewundernswert.“