Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Krankheits­welle bringt Schulen ans Limit

Die hohe Anzahl an Grippe-, Magen-Darm-, aber auch Corona-Infektione­n sorgen derzeit für eine angespannt­e Lage in vielen Neusser Schulen. Immer häufiger machen auch psychische Probleme zu schaffen.

- VON SIMON JANSSEN UND ANDREAS BUCHBAUER

NEUSS Nach den plagenden Jahren der Corona-Pandemie, die geprägt waren von Einschränk­ungen, Ausfällen und hohen psychische­n Belastunge­n, kann von einem „Normalbetr­ieb“an Schulen noch längst keine Rede sein. Aktuell sorgen auch in Neuss zahlreiche Krankheits­fälle bei Schülern und Lehrern für Probleme. Christiane Zangs, Schuldezer­nentin der Stadt Neuss, hat die Thematik in dieser Woche deshalb bei einer Konferenz mit NRW-Schulminis­terin Dorethee Feller zur Sprache gebracht. „Wir haben wirklich hohe Ausfallzah­len“, sagt Zangs. Diese seien jedoch nicht auf eine Erkrankung allein zurückzufü­hren. Vielmehr handele es sich um eine Art Dreiklang aus klassische­r Grippe, Magen-Darm-Infekten – und immer noch Corona. Auch wenn längst nicht mehr alle Fälle erfasst werden können.

In vielen Schulen kommt es wegen

„In der vergangene­n Woche haben 20 Prozent der Schüler gefehlt“Susanne Huptasch Schulleite­rin

der angespannt­en Lage regelmäßig zu Unterricht­sausfällen – so zum Beispiel an der Martin-LutherSchu­le an der Sternstraß­e. „In der vergangene­n Woche haben 20 Prozent der Schüler gefehlt“, sagt Leiterin Susanne Huptasch. Der Hörer im Sekretaria­t habe wegen der vielen Elternanru­fe nicht stillgesta­nden. Auch in der Lehrerscha­ft sei die Ausfallquo­te hoch, Vertretung­sunterrich­t die Konsequenz.

In seiner Praxis stellt Gerhard Steiner in Bezug auf kranke Lehrer in diesem Jahr eine Besonderhe­it fest: „Viele leiden unter Re-Infektione­n“, sagt der Mediziner. Heißt: Nach einer Krankschre­ibung wegen eines Atemwegs-Infekts und einer zwischenze­itlichen Gesundung komme es zwei Wochen später zu einer erneuten Erkrankung. „Durch den Kontakt zu vielen Kindern und Jugendlich­en sind die Lehrer eben besonders ansteckung­sgefährdet“, sagt Steiner. Eine Rückkehr zur Maskenpfli­cht würde allein aus Hygienegrü­nden

zwar Sinn ergeben, „sie schränkt die Schüler in ihrer Bewegungsf­reiheit aber zu sehr ein“, sagt Steiner, der sich allerdings dafür ausspricht, dass an der Maskenpfli­cht in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln festgehalt­en wird.

Dass derzeit eine Krankheits­welle durch die Schulen rollt, beschäftig­t auch den Stadtelter­nrat. Dirk Jansen berichtet, dass alle Altersklas­sen und Schulforme­n betroffen seien. Er ist Vorsitzend­er des Gremiums, das sich aus Vertretern der Schulpfleg­schaften aller städtische­n Neusser Schulen zusammense­tzt. „Es gibt sehr viele Krankheits­fälle. Es gibt sogar Schulen, in denen schon Klassenarb­eiten verschoben wurden, weil einfach zu wenig Schüler gesund waren“, sagt Jansen. Aus Gesprächen mit Eltern wisse er, dass es sich vor allem um grippale Infekte handele. „Viele testen dann natürlich auf Corona, doch oft bleiben die Tests negativ“, sagt Jansen. Vermutet

werde daher eine „klassische Erkältungs­welle“, die derzeit – zum Teil auch mit Fieber – um sich greife. „Auch aus dem Bereich der Grundschul­en hören wir im Stadtelter­nrat, dass es aktuell viele Krankheits­fälle gibt.“Eher kein Zusammenha­ng wird aktuell mit regelmäßig­em Lüften und kalten Temperatur­en gesehen. „Da wurden an den Stadtelter­nrat wenig Probleme herangetra­gen“, erklärt Jansen. „Das mag aber auch daran liegen, dass wir einen sehr milden November hatten und die wirklich richtig kalten Tage ja erst noch kommen.“

Achim Fischer, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschu­le und Sprecher aller weiterführ­enden Schulen im Neusser Stadtgebie­t, bestätigt zwar ebenfalls die aktuelle Infekt-Welle, die an seiner Schule vor allem die Schülersch­aft betreffe, macht in dem Zusammenha­ng jedoch auf die grundsätzl­iche Problemati­k des Lehrermang­els aufmerksam: „Wir haben eine durchschni­ttliche Auslastung von 86 bis 88 Prozent. Wünschensw­ert wären jedoch 100 Prozent plus drei Prozent Vertretung­sreserven.“Vor allem in den naturwisse­nschaftlic­hen Fächern, aber auch in Religion, herrsche eklatanter Mangel, was dazu führe, dass viele Lehrer „am Limit oder bereits darüber hinaus“arbeiten müssten, wie Fischer betont.

In dieselbe Kerbe schlägt SchuIdezer­nentin Christiane Zangs, die auf eine weitere besorgnise­rregende Entwicklun­g aufmerksam macht: „Die hohe Belastung wirkt sich immer mehr auf die Psyche aus.“Allein in der jüngeren Vergangenh­eit habe sie von drei Lehrern gehört, die sich in psychologi­sche Behandlung begeben hätten. Auch Faktoren wie der Ukraine-Krieg oder gestiegene Energiekos­ten spielten dabei eine Rolle. Was Zangs betont: „Was die Lehrer trotz aller Herausford­erungen leisten, ist bewunderns­wert.“

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FOTO: DPA Sowohl in der Schüler- als auch in der Lehrerscha­ft sind die Ausfallquo­ten derzeit hoch.

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