Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Turnhalle wird zur Notunterku­nft

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Zum ersten Mal seit 2015 muss die Stadt zur Unterbring­ung von Flüchtling­en auf eine Schule zurückgrei­fen. Malteser und Johanniter bereiten sich auf 70 Personen vor, planen aber eine Erweiterun­g auf 110 Plätze vorsorglic­h gleich mit.

GNADENTAL 29 Flüchtling­e ziehen am Montag (5.) in die Turnhalle der Sekundarsc­hule Gnadentale­r Allee ein. Es sind die ersten, die die Stadt nicht anders als in dieser Notunterku­nft beherberge­n kann. Wer da genau kommt und direkt aus einer Landeseinr­ichtung zugewiesen wird, das weiß Hermann Murmann nicht. „Ein Überraschu­ngspaket“, sagt der Leiter des Integratio­nsamtes. Aber die Neu-Neusser treffen die Stadt nicht unvorberei­tet an.

Daran arbeitet seit einigen Wochen ein Team um Tobias Hahn (Johanniter) und Ines Kötter (Malteser), die im Auftrag ihrer Verbände die Einrichtun­g in Gnadental leiten werden. Sie hätten sogar schon das Thema Weihnachts­feier diskutiert, sagt Hahn. „Je nachdem, wer dann hier ist und einen Bezug dazu hat“, ergänzt er. Sollten es mehrheitli­ch Ukrainer sein, würde man halt später feiern – nach dem orthodoxen Kalender.

Aber es sind derzeit vor allem Menschen aus anderen Nationen, die der Flüchtling­sstrom nach Neuss schwemmt, sagt Sophia Dartmann, die im Integratio­nsamt für alle städtische­n Flüchtling­sunterkünf­te – Heime wie Wohnungen – verantwort­lich ist. Syrer, Kosovaren, Afghanen, zählt sie auf. „Eine heterogene Gruppe“, sagt sie. Das mache die Herausford­erung noch größer, kommentier­t Murmann.

1,2 Millionen Flüchtling­e wurden in diesem Jahr schon in der Bundesrepu­blik registrier­t. Das sind schon jetzt mehr als auf dem Höhepunkt der Flüchtling­swelle 2015. In Neuss waren es bislang 1800. Damit ist die derzeit vom Land vorgegeben­e Aufnahmequ­ote zu 96 Prozent erfüllt. 500 dieser Flüchtling­e wurden in diesem Jahr vom Land zugewiesen.

Beim Großteil der 1800 Flüchtling­e handelt es sich um Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen. Sie sind zu einem überwiegen­den Teil privat untergekom­men, wofür, wie Murmann hervorhebt, man als Stadt nicht dankbar genug sein kann. Die befinde sich trotzdem in einem Wettlauf zwischen Aufnahme dieser Menschen und ihrer Unterbring­ung in einer Wohnung, ergänzt er. Der Wohnungsma­rkt ist eng, fügt er hinzu, und der erhoffte Entlastung­seffekt durch Anmietung des Fliedner-Hauses in Gnadental sei nach nur zwei Monaten verpufft. Deshalb fiel die Entscheidu­ng, in der auslaufend­en Sekundarsc­hule eine Notunterku­nft einzuricht­en.

Ziel ist es trotzdem die Flüchtling­e, die in den vom THW eingericht­eten Wohnkojen in der Schulturnh­alle unterkomme­n, nach wenigen Wochen in Wohnungen umziehen zu lassen. Unklar ist allerdings, wie lange die Stockbette­n in der Turnhalle benötigt werden. Johanniter und Malteser haben zunächst einmal einen Betreuungs­vertrag bis Ende März unterschri­eben – mit der Option auf eine Verlängeru­ng von zwei mal zwei Monaten, berichtet Richard Krings, Regionalvo­rstand der Johanniter. Das heißt: Bis dahin sind zur Versorgung der Flüchtling­e zwischen 6.30 und 22 Uhr immer zwei Hauptamtli­che vor Ort. Ein externer Sicherheit­sdienst ist rund um die Uhr präsent.

So wurde es auch den Anwohnern in einer Bürgerinfo vermittelt. An diesem Abend seien natürlich auch Sorgen und Bedenken geäußert worden, berichtet Hahn, zahlreiche­r seien allerdings die Hilfsangeb­ote. „Die Unterstütz­ungsanfrag­en waren schon da, da wussten wir noch gar nicht, was wir an Unterstütz­ung benötigen“sagt Hahn.

Ausgelegt ist die Turnhallen-Unterkunft zunächst für 70 dort lebende Menschen. Bleibt es bei der Zahl, wird die direkt angrenzend­e Sekundarsc­hule von den Flüchtling­en nicht mehr sehen als den verhängten Zaun quer über den Schulhof, der beide Einrichtun­gen trennt. Selbst die Schultoile­tten müssen nicht in Anspruch genommen werden. Und eine Spielecke wurde in der Halle selbst geschaffen.

Erst wenn Stufe zwei gezündet und die Kapazität auf 110 Betten erhöht werden muss, müssen auch Räume im Schulgebäu­de in Anspruch genommen werden. Denn die Essensausg­abe erfolgt jetzt in dem zur Turnhalle gehörenden Gymnastikr­aum – der die Raumreserv­e für die 40 Zusatzbett­en darstellt. Wird er belegt, werden Klassenzim­mer zu Speise- und Aufenthalt­sräumen. Allerdings liegen die in einem Teil, den die im Sommer schließend­e Schule schon nicht mehr benötigt.

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FOTOS: WOI Letzte Absprachen in der Notunterku­nft traf Richard Krings, Regionalvo­rstand der Johanniter, mit Hermann Murmann, Ines Kötter, Tobias Hahn und THW-Zugführer Martin Dropmann (v.l.)
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Sabrina Stöcker „testet“die Spielecke für Kinder. Die musste aus Platzgründ­en in der Turnhalle und damit direkt am Schlafbere­ich eingericht­et werden.

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