Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Turnhalle wird zur Notunterkunft
Zum ersten Mal seit 2015 muss die Stadt zur Unterbringung von Flüchtlingen auf eine Schule zurückgreifen. Malteser und Johanniter bereiten sich auf 70 Personen vor, planen aber eine Erweiterung auf 110 Plätze vorsorglich gleich mit.
GNADENTAL 29 Flüchtlinge ziehen am Montag (5.) in die Turnhalle der Sekundarschule Gnadentaler Allee ein. Es sind die ersten, die die Stadt nicht anders als in dieser Notunterkunft beherbergen kann. Wer da genau kommt und direkt aus einer Landeseinrichtung zugewiesen wird, das weiß Hermann Murmann nicht. „Ein Überraschungspaket“, sagt der Leiter des Integrationsamtes. Aber die Neu-Neusser treffen die Stadt nicht unvorbereitet an.
Daran arbeitet seit einigen Wochen ein Team um Tobias Hahn (Johanniter) und Ines Kötter (Malteser), die im Auftrag ihrer Verbände die Einrichtung in Gnadental leiten werden. Sie hätten sogar schon das Thema Weihnachtsfeier diskutiert, sagt Hahn. „Je nachdem, wer dann hier ist und einen Bezug dazu hat“, ergänzt er. Sollten es mehrheitlich Ukrainer sein, würde man halt später feiern – nach dem orthodoxen Kalender.
Aber es sind derzeit vor allem Menschen aus anderen Nationen, die der Flüchtlingsstrom nach Neuss schwemmt, sagt Sophia Dartmann, die im Integrationsamt für alle städtischen Flüchtlingsunterkünfte – Heime wie Wohnungen – verantwortlich ist. Syrer, Kosovaren, Afghanen, zählt sie auf. „Eine heterogene Gruppe“, sagt sie. Das mache die Herausforderung noch größer, kommentiert Murmann.
1,2 Millionen Flüchtlinge wurden in diesem Jahr schon in der Bundesrepublik registriert. Das sind schon jetzt mehr als auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2015. In Neuss waren es bislang 1800. Damit ist die derzeit vom Land vorgegebene Aufnahmequote zu 96 Prozent erfüllt. 500 dieser Flüchtlinge wurden in diesem Jahr vom Land zugewiesen.
Beim Großteil der 1800 Flüchtlinge handelt es sich um Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen. Sie sind zu einem überwiegenden Teil privat untergekommen, wofür, wie Murmann hervorhebt, man als Stadt nicht dankbar genug sein kann. Die befinde sich trotzdem in einem Wettlauf zwischen Aufnahme dieser Menschen und ihrer Unterbringung in einer Wohnung, ergänzt er. Der Wohnungsmarkt ist eng, fügt er hinzu, und der erhoffte Entlastungseffekt durch Anmietung des Fliedner-Hauses in Gnadental sei nach nur zwei Monaten verpufft. Deshalb fiel die Entscheidung, in der auslaufenden Sekundarschule eine Notunterkunft einzurichten.
Ziel ist es trotzdem die Flüchtlinge, die in den vom THW eingerichteten Wohnkojen in der Schulturnhalle unterkommen, nach wenigen Wochen in Wohnungen umziehen zu lassen. Unklar ist allerdings, wie lange die Stockbetten in der Turnhalle benötigt werden. Johanniter und Malteser haben zunächst einmal einen Betreuungsvertrag bis Ende März unterschrieben – mit der Option auf eine Verlängerung von zwei mal zwei Monaten, berichtet Richard Krings, Regionalvorstand der Johanniter. Das heißt: Bis dahin sind zur Versorgung der Flüchtlinge zwischen 6.30 und 22 Uhr immer zwei Hauptamtliche vor Ort. Ein externer Sicherheitsdienst ist rund um die Uhr präsent.
So wurde es auch den Anwohnern in einer Bürgerinfo vermittelt. An diesem Abend seien natürlich auch Sorgen und Bedenken geäußert worden, berichtet Hahn, zahlreicher seien allerdings die Hilfsangebote. „Die Unterstützungsanfragen waren schon da, da wussten wir noch gar nicht, was wir an Unterstützung benötigen“sagt Hahn.
Ausgelegt ist die Turnhallen-Unterkunft zunächst für 70 dort lebende Menschen. Bleibt es bei der Zahl, wird die direkt angrenzende Sekundarschule von den Flüchtlingen nicht mehr sehen als den verhängten Zaun quer über den Schulhof, der beide Einrichtungen trennt. Selbst die Schultoiletten müssen nicht in Anspruch genommen werden. Und eine Spielecke wurde in der Halle selbst geschaffen.
Erst wenn Stufe zwei gezündet und die Kapazität auf 110 Betten erhöht werden muss, müssen auch Räume im Schulgebäude in Anspruch genommen werden. Denn die Essensausgabe erfolgt jetzt in dem zur Turnhalle gehörenden Gymnastikraum – der die Raumreserve für die 40 Zusatzbetten darstellt. Wird er belegt, werden Klassenzimmer zu Speise- und Aufenthaltsräumen. Allerdings liegen die in einem Teil, den die im Sommer schließende Schule schon nicht mehr benötigt.