Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Butzheimer muss für zehn Jahre in Haft
Mit einer langen Gefängnisstrafe ist am Landgericht Mönchengladbach am Mittwochnachmittag der Prozess um den beinahe tödlichen Nachbarschaftsstreit in der Straße Schützengrund zu Ende gegangen.
BUTZHEIM Die zuständige Schwurgerichtskammer verurteilte den angeklagten früheren Bauunternehmer und Familienvater zu zehn Jahren Haft. Anders als im Plädoyer von Staatsanwaltschaft und Nebenklage gefordert wollten die Richter von einem versuchten Mord aber nichts wissen – sie beließen es bei einer Verurteilung wegen zweifachen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Es komme darauf an, ob der Angeklagte die „Arg- und Wehrlosigkeit“seiner Opfer hätte erkennen können, sagte der Vorsitzende Richter Martin Alberring. Nur dann sei eine Verurteilung wegen versuchten Mordes aus Heimtücke möglich. Aus seiner Sicht konnte der Angeklagte genau diese „Arg- und Wehrlosigkeit“aber nicht erkennen.
Der 57-Jährige hatte zunächst auf einen Nachbarn geschossen und diesen lebensgefährlich verletzt, anschließend hatte er auf eine andere Nachbarin gefeuert, die aus ihrem Haus gelaufen war. „Im ersten Fall hat sich das Opfer aktiv gewehrt, also war es nicht wehrlos“, so der Richter, „im zweiten Fall hat die Frau geschrien. Somit war sie aus Sicht des Angeklagten auch nicht arglos. Dementsprechend liegt auch keine Heimtücke vor.“
Die Rechtsanwälte der Opfer verfolgten die Urteilsbegründung mit sichtbarem Unverständnis – sowohl Anwältin Monika Müller-Laschet als auch ihr Kollegen Olaf Heuvens hatten jeweils Verurteilungen wegen versuchten Mordes gefordert. Sie können gegen das Urteil noch Revision einlegen. Auch Staatsanwalt Stefan Lingens hatte zumindest in einem der beiden Fälle eine Verurteilung wegen versuchten Mordes
beantragt – auch er kann noch Rechtsmittel einlegen. „Einen klarerer Fall von Heimtücke kann es gar nicht geben“, hatte Rechtsanwalt Heuvens in seinem Plädoyer erklärt.
Der Angeklagte und seine Familie zeigten sich entsetzt. Augenscheinlich regungslos nahm der frühere Bauunternehmer und Familienvater die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis, in ihm sah es offenbar aber anders aus. „Er ist geschockt“, sagte Verteidiger Frank Rösgen, „er ist der Meinung, dass er die Taten ohne Tötungsvorsatz begangen hat.“Das wiederum sah die zuständige Schwurgerichtskammer anders. „Er hat den Tod der beiden Opfer zumindest billigend in Kauf genommen“, so Richter Alberring, „wer auf Menschen schießt, weiß, dass sie sterben können.“Beim Strafmaß von insgesamt zehn Jahren Gefängnis hatte er auch die erheblichen Folgen der Tat berücksichtigt. „Die Verletzungen des ersten Opfers waren lebensbedrohlich. Der Mann konnte nur per Zufall gerettet werden, weil der Rettungshubschrauber ausreichend Blutkonserven an Bord hatte.“Im zweiten Fall seien die psychischen Folgen gravierend.
Unklar ist, ob die Verteidigung das Urteil akzeptieren will. „Wir werden prüfen, ob wir Rechtsmittel einlegen“, erklärte Anwalt Frank Rösgen. Zumindest hat sein Mandant eingesehen, dass er sich im Vorfeld der Tat offenbar ohne Grund in die Vorstellung hineingesteigert hatte, die Nachbarn hätten sich gegen ihn verschworen. „Das weiß er inzwischen“, so sein Verteidiger, „er hat erkannt, dass derjenige, den er für den Kopf der Verschwörung gehalten hat, kaum was gemacht hat.“
In die Straße „Zum Schützengrund“gibt es für den Angeklagten und seine Familie kein Zurück mehr. Seine Frau hat das Haus verkauft, wohin die Familie zieht, ist unklar. Sollten Staatsanwaltschaft, Nebenklage oder die Verteidigung Revision einlegen, müsste sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit dem Fall befassen.