Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bezaubernd­es Wiedersehe­n

- VON REINHARD KLEBER

In „Der kleine Nick erzählt vom Glück“nutzt die berühmte Figur die Gelegenhei­t, seine Väter Jean-Jacques Sempé und René Goscinny zu ihrem Leben zu befragen.

(kna) Seit 1955 hat der kleine Nick eine erstaunlic­he Karriere erlebt. Die beliebte französisc­he Zeichentri­ckfigur, die von Jean-Jacques Sempé und René Goscinny ersonnen wurde, war schon der Held in drei Realfilmen und zwei Animations­serien. Nun kommt der erste lange Animations­film über den Lausbuben unter der Regie von Amandine Fredon und Benjamin Massoubre in die Kinos.

Die abenteuerl­ichen Episoden um Nick und seine Freunde erschienen zwischen 1959 und 1964 zunächst in einem belgischen Magazin und dann in einer französisc­hen Regionalze­itung, ehe viele von ihnen in Buchform erneut publiziert wurden. Die Kinderbüch­er wurden in 40 Sprachen übersetzt und viele Millionen Mal verkauft.

In „Der kleine Nick erzählt vom Glück“geht es aber nicht um eine weitere Verfilmung von Nick-Geschichte­n. Vielmehr verknüpfen die Filmemache­r in einer Art Rahmengesc­hichte, die zwischen 1955 und 1977 angesiedel­t ist, eine Hommage an die beiden Väter der Figur mit einer Neuinterpr­etation von acht Nick-Episoden. Etwa die Hälfte des bezaubernd­en Films kreist um Sempé und Goscinny, die Nick zum Leben erweckten und untereinan­der eine tiefe Freundscha­ft pflegten. Mit bewunderns­werter Geduld beantworte­n sie die Fragen des kleinen Nicks, der von seiner Welt in die ihre übertreten kann. Dabei kommen nicht nur Schlüssele­rlebnisse zur Sprache, die ihre Persönlich­keiten prägten, sondern die sich – künstleris­ch verarbeite­t – auch in ihren Werken niederschl­ugen.

So hatte der 1932 als uneheliche­s Kind bei Bordeaux geborene Sempé, der am 12. August 2022 kurz vor seinem 90. Geburtstag starb, eine schwere Kindheit. Er wuchs zunächst in einer gewalttäti­gen Pflegefami­lie auf, bis seine Mutter ihn zurückholt­e, damit aber den Übergriffe­n seines Stiefvater­s ausliefert­e. Goscinny, berühmt geworden als Schöpfer von Asterix und Obelix, stammt aus einer jüdischen Familie, die bereits Ende der 1920erJahr­e nach Argentinie­n emigrierte, während andere Teile der Familie in Auschwitz ermordet wurden. Seine Tochter Anne wirkte am Drehbuch mit und bringt die Ähnlichkei­t der biografisc­hen Erfahrunge­n und die Widerstand­skraft der beiden in einem Gespräch auf den Punkt: „Des einen Familie wurde in die Hölle geschickt, dem anderen verweigert­e man die Liebe, die es einem Kind ermöglicht, aufzublühe­n.“

Die zweite Hälfte des Films setzt sich aus Nicks gezeichnet­en Episoden

zusammen, die ein Wiedersehe­n mit seinen Abenteuern in der Schule, bei einem Ausflug ans Meer oder bei der Installati­on des ersten Fernsehers bringen. Dabei geht es nicht immer nur lustig zu. So muss Nick 1977 von Goscinny Abschied nehmen, der mit nur 51 Jahren stirbt.

Die beiden Erzähl-Ebenen unterschei­den sich auch filmsprach­lich erheblich. Die Szenen mit Nicks Vätern sind in komplett farbigen Bildern gestaltet; auch Kamerafahr­ten und Nahaufnahm­en sind möglich. Dagegen halten sich die Animatoren bei Nicks Auftritten weitgehend an die Illustrati­onen der schwarzwei­ßen Originalvo­rlagen. Die charmanten Auftritte des Jungen wirken dabei wie unfertige Aquarellze­ichnungen, in denen meist nur das Zentrum des Bildes farbig gefasst ist.

 ?? FOTO: ONYX FILMS/LEONINE/DPA ?? Zum ersten Mal ist die französisc­he Zeichentri­ckfigur kleiner Nick in einem lagen Animations­film zu erleben.
FOTO: ONYX FILMS/LEONINE/DPA Zum ersten Mal ist die französisc­he Zeichentri­ckfigur kleiner Nick in einem lagen Animations­film zu erleben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany