Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Finger weg von Reparationszahlungen
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine kostete bislang nicht nur Tausende von Menschenleben. Er zerstört das Land und hat laut EU Schäden von rund 600 Milliarden Euro angerichtet. Da scheint der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nur fair zu sein, den Wiederaufbau der Ukraine auch mit russischen Geldern zu bestreiten. Immerhin hat die EU-Zentralbank Guthaben des Kremls in Höhe von 300 Milliarden Euro eingefroren.
Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Schon rechtlich ist ein solches Vorgehen problematisch. So sehr der Kreml das Völkerrecht gebrochen hat: Die EU sollte sich daran kein Beispiel nehmen. Denn die Reserven sind Eigentum der Russischen Föderation, nicht von Wladimir Putin, auch wenn das manchmal identisch erscheint. Das Völkerrecht erlaubt eine Sperrung der Vermögen, nicht deren Einzug.
Das entscheidende Argument gegen Reparationen ist aber politisch. Nach dem Ersten Weltkrieg hat sich gezeigt, zu welchen fatalen Konsequenzen die riesigen Strafzahlungen geführt haben, die die Alliierten dem Deutschen Reich auferlegt hatten. Die Reparationsfrage nach 1919 war eine der Gründe für verheerende wirtschaftliche Verwerfungen und den Erfolg der Hasspropaganda der Nazis. Sollte das bei Russland wiederholt werden?
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Alliierten klug genug, das nicht zu tun. Sie ebneten den Weg für ein demokratisches Deutschland zurück in den Kreis der zivilisierten Staaten. Diese Chance sollte auch Russland erhalten, wenn Putin wider Erwarten gestürzt werden sollte. Und selbst im Fall eines Waffenstillstands mit dem Kreml-Herrscher sollte man eine Übereinkunft nicht an Reparationen scheitern lassen. Die EU und die Mitgliedstaaten wären also gut beraten, die Finger von solchen Überlegungen zu lassen.