Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rassismuss­kandal bei Hofe

Das britische Königshaus distanzier­t sich von neuen Vorwürfen. Eine schwarze Aktivistin hatte sie nach einem Empfang im Buckingham-Palast in London geäußert. Im Mittelpunk­t der Kritik steht Prinz Williams Taufpatin.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON So schnell hat der Buckingham-Palast selten reagiert: Nur Stunden nachdem die schwarze Aktivistin Ngozi Fulani auf den sozialen Medien gepostet hatte, wie sie bei einem Empfang im Schloss behandelt worden war, kam am Mittwoch eine offizielle Entschuldi­gung. „Unakzeptab­le und zutiefst bedauerlic­he Bemerkunge­n sind gemacht worden. Wir haben in dieser Sache mit Ngozi Fulani Kontakt aufgenomme­n“, sagte ein Sprecher des Königshaus­es. „In der Zwischenze­it will die betroffene Person ihre profunde Entschuldi­gung ausdrücken und tritt von ihrer Rolle mit sofortiger Wirkung zurück.“Mit der Person war Lady Susan Hussey gemeint, ein langjährig­es, mittlerwei­le ehrenamtli­ches Mitglied des Hausperson­als und Taufpatin von Prinz William, der soeben mit seiner Frau Kate in den USA eingetroff­en war. William reagierte ebenfalls sofort, begrüßte den Rücktritt und ließ durch seinen Sprecher erklären: „Rassismus hat keinen Platz in unserer Gesellscha­ft.“

Was war passiert? Königin Camilla hatte am Dienstag Aktivistin­nen im Buckingham-Palast empfangen, darunter auch Ngozi Fulani. Sie hatte hinterher auf Twitter von ihrem Gespräch mit Lady Susan Hussey berichtet. Die Hofdame hätte sie angesproch­en und gefragt, wo sie herkomme. Fulani sagte: „Aus Hackney“, also einem Londoner Stadtteil. „Nein“, sagte darauf Hussey, „aus welchem Teil von Afrika komme sie?“Fulani versichert­e ihr wiederholt, dass sie britischer Nationalit­ät sei und im Königreich lebe. Die Hofdame wollte es nicht wahrhaben und fragte weiter: „Nein, woher kommen Sie wirklich, woher kommen Ihre Leute?“

Das sei minutenlan­g so gegangen, sie habe sich wie bei einem Verhör gefühlt, so Fulani später. „Ich fühle mich verletzt und muss es immer noch verarbeite­n“. Lady Hussey habe sich wohl in den Kopf gesetzt, dass eine Schwarze unmöglich dazugehöre­n könne: „Sie wollte sich selbst davon überzeugen, dass ich keine Britin sein kann.“Mit zwei anderen Aktivistin­nen habe sie bei dem Empfang das Gefühl gehabt,

„dass wir als drei schwarze Frauen Eindringli­nge sind, dass wir nicht willkommen sind oder als britisch akzeptiert werden“.

Die Frage, woher man kommt, ist oft Code dafür, dass man als nicht dazugehöri­g begriffen wird. Es ist eine Frage, die Weißen nicht gestellt, oder zumindest nicht derart eindringli­ch gestellt würde. Dass eine Hofdame so etwas einem Gast gegenüber in derart penetrante­r Weise tut, übertritt die Grenze zur Beleidigun­g. Freunde von Lady Hussey

reagierten auf ihren Rücktritt mit Protest, führten ins Feld, dass sie niemals rassistisc­h aufgetrete­n sei, und klagten Rücksicht für die 83-Jährige ein. Doch Trevor Phillips, langjährig­er Gleichstel­lungsbeauf­tragter, fand deutliche Worte für die Hofdame: „Eine Einstellun­g, die britische Identität nach Farbe codiert, ist nicht nur geschmackl­os und anachronis­tisch, sie ist eindeutig rassistisc­h.“

Hussey kann auf eine 62-jährige Karriere bei Hofe zurückblic­ken. Die Grafentoch­ter und Ehefrau eines ehemaligen BBC-Vorstands sollte die Fallstrick­e rassistisc­her Fauxpas kennen. Doch sie hielt eine sensiblere Herangehen­sweise wohl dieses Mal nicht für nötig. „Für mich“, so Phillips, „fühlt sich das wie ein Fall von klarer, naturreine­r, aristokrat­ischer Herablassu­ng an.“

Für das Königshaus sind Rassismusv­orwürfe ein hochsensib­les Thema. Prinz Harry und seine Frau Meghan hatten im März des vergangene­n Jahres in einem Interview mit der amerikanis­chen Talkshow-Moderatori­n Oprah Winfrey rassistisc­he Einstellun­gen bei den Royals zum Thema gemacht. Ein Mitglied der Familie, so Meghan, habe Bedenken über die Hautfarbe geäußert, die ein Kind der beiden wohl haben würde. Daraufhin hatte es einen öffentlich­en Aufschrei gegeben, und Prinz William fühlte sich veranlasst zu unterstrei­chen: „Wir sind in keinster Weise eine rassistisc­he Familie.“All die Anstrengun­gen, ihre Kritiker Lügen zu strafen und sich als inklusiv und divers zu zeigen, wurden jetzt untergrabe­n durch den Fauxpas der Hofdame. Und das Argument des Herzogspaa­rs von Sussex, Harry und Meghan, bekommt wieder Gewicht. Die beiden werden nächste Woche in New York einen Preis der KennedySti­ftung bekommen, weil sie sich, in den Worten von Kerry Kennedy, so mutig gegen die Machtstruk­tur der Königliche­n Familie und „den strukturel­len Rassismus innerhalb der Institutio­n“gestellt haben. Der Vorwurf von unterschwe­lligem Rassismus bei den Windsors wird jetzt den USA-Besuch von Prinz William und Kate überschatt­en. Ein Treffen zwischen den beiden Brüdern ist nicht geplant.

 ?? FOTO:KIN CHEUNG/AFP ?? Die britische Königin Camilla spricht beim Empfang im Buckingham-Palast mit ihren Gästen. Hinter ihr steht Ngozi Fulani.
FOTO:KIN CHEUNG/AFP Die britische Königin Camilla spricht beim Empfang im Buckingham-Palast mit ihren Gästen. Hinter ihr steht Ngozi Fulani.

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