Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Deutsches Debakel in Katar

Das DFB-Team scheitert bei der WM wie 2018 in der Vorrunde. Auch beim 4:2-Sieg gegen Costa Rica zeigt die Mannschaft deutliche Schwächen.

- VON KLAUS BERGMANN, ARNE RICHTER, JENS MARX UND JAN MIES

AL CHAUR (dpa) Aus und vorbei – der deutsche Fußball liegt vier Jahre nach dem historisch­en Vorrunden-Aus schon wieder am Boden. Nach Joachim Löw in Russland hat es auch Hansi Flick bei der WM in Katar böse erwischt. Das dürftige 4:2 (1:0) nach späten Joker-Toren von Kai Havertz (73./85. Minute) und Niclas Füllkrug (89.) sicherten zwar noch den Sieg, aber nicht mehr den Einzug in die K.o.-Runde im letzten Gruppenspi­el gegen einen limitierte­n Gegner aus Costa Rica. Japans überrasche­nder 2:1-Sieg gegen Spanien riss die DFB-Auswahl aus allen Achtelfina­l-Hoffnungen.

Nach einer erneut missratene­n Vorrunde fliegen die mit Titelträum­en angereiste­n deutschen Spieler blamiert zurück nach Deutschlan­d, wo auf den DFB, Bundestrai­ner Flick und Nationalma­nnschafts-Direktor Oliver Bierhoff unruhige Adventstag­e mit kritischen Fragen nach der Zukunft warten.

Das Kopfballto­r von Serge Gnabry (10. Minute) fiel in der schwungvol­len Anfangspha­se. Yeltsin Tejeda (58.) und Juan Pablo Vargas (70.) brachten vor 67.054 Zuschauern im Al-Bait-Stadion den Außenseite­r sogar kurz in Führung.

Trotz aller Rufe nach einem Startelf-Platz für Superjoker Füllkrug setzte Coach Flick zu Beginn total auf „seine“ehemaligen Bayern-Spieler. Alle sieben verfügbare­n Münchner liefen auf, ganz vorn Thomas Müller. Leroy Sané kam als einziger neu ins Team. Joshua Kimmich rückte aus dem zentralen Mittelfeld auf die rechte Abwehrseit­e und ersetzte dort Thilo Kehrer. Füllkrug bekam wieder die Joker-Rolle. „Eine schwere Entscheidu­ng“, sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Flick verriet, diese Frage lange offen gehalten zu haben.

Keinen Zweifel gab es am Einsatz von Kapitän Manuel Neuer, der mit seinem 19. Spiel bei einer Weltmeiste­rschaft zum WM-Rekordtorh­üter wurde. Er löste damit den deutschen Weltmeiste­r von 1974, Sepp Maier, und Brasiliens Claudio Taffarel ab, die jeweils 18 Mal bei einer WM spielten.

Vor dem Anpfiff schwor Neuer sein Team noch einmal mit einigen Worten ein, dann begann das erwartete Spiel. Der Favorit war sofort drückend überlegen. Costa Rica stand tief in der eigenen Hälfte – und doch fanden Flicks Schützling­e schnell Lücken. Jamal Musiala scheiterte in der 2. Minute noch an Keeper Keylor Navas. Müller setzte völlig frei einen Kopfball daneben (9.).

Der nächste Anlauf passte: David Raums Flanke fand den unbehellig­ten Gnabry, der per Kopf vollstreck­te. Es war das erste Kopfballto­r des 27-Jährigen im Nationaltr­ikot. Dazu kam frohe Kunde vom Parallelsp­iel, auch Spanien war gegen Japan in Führung gegangen und ließ die deutschen Achtelfina­l-Hoffnungen weiter steigen.

Erst zum zweiten Mal traf eine deutsche Mannschaft auf eine Auswahl Costa Ricas. Das 4:2 im Eröffnungs­spiel der Heim-WM 2006 lieferte einst den Auftakt zum Sommermärc­hen. 16 Jahre später war vor allem Jungstar Musiala für das Spektakel zuständig, bei seinen Aktionen wurde es auch im Publikum laut. Flick hatte seine sehr offensive Taktik voll auf den vermuteten Einbahnstr­aßen-Fußball ausgericht­et. Kimmich und Raum agierten nahezu als Außenstürm­er, Sané sorgte in seinem 50. Länderspie­l für Tempo.

Nach dem gelungenen Start tat sich die deutsche Elf jedoch immer schwerer gegen den nun besser postierten Außenseite­r. In der Mitte waren die Wege oft versperrt, Flanken von außen fanden selten einen Adressaten.

Oft agierte das DFB-Team zu verspielt rund um den Strafraum, anstatt kühl und schnörkell­os den Abschluss zu suchen. Die mangelnde Effizienz war wie in den ersten beiden Partien in Katar erneut ein Manko, vor allem Müller spielte vorn wieder glücklos.

Fast wäre das noch vor der Pause bestraft worden. Raum und Abwehrchef Antonio Rüdiger patzten bei einem eigentlich harmlosen Angriffsba­ll schwer, Neuers Glanztat verhindert­e beim Schuss von Keysher Fuller den Ausgleich (42.).

In der zweiten Halbzeit ging es für die deutsche Mannschaft dann rasant

Costa Rica: K. Navas- K. Fuller /74. Bennette), O. Duarte, K. Waston, J. Vargas, C. Borges - Y. Tejeda (90.+3 R. Wilson), B. Oviedo (90.+3 Contreras) - B. Aguilera (46. Y. Salas), J. Campbell - Johan Venegas (74. Matarrita). Deutschlan­d: Neuer- Kimmich, Süle (90.+4 Ginter), Rüdiger, Raum (67. Minute Götze) - Gündogan (55. Füllkrug) - Sané, Goretzka (46. Klosterman­n), Musiala, Gnabry - Müller (66. Minute Havertz). Schiedsric­hterin: Stephanie Frappart (Frankreich) Tore: 0:1 Gnabry (10.), 1:1 Y. Tejeda (58.), 2:1 C. Borges (70.), 2:2 Havertz (73.), 2:3 Havertz (85.), 2:4 Füllkrug (89., nach Videobewei­s)

Zuschauer: 67.054 (in Al-Khor)

Gelbe Karten: Duarte - bergab. Leon Goretzka musste mit muskulären Problemen weichen, Lukas Klosterman­n kam. Dann machte die Nachricht von Japans Doppelschl­ag gegen Spanien im Stadion die Runde. Das erneute Vorrunden-Aus rückte ganz nah, die Nerven von Flicks Mannen flatterten. Prompt unterlief Raum ein Fehlpass, Costa Rica konterte rasant. Kendall Wastons Kopfball parierte Neuer noch, bei Tejedas Nachschuss war er machtlos. Nichts lief nun mehr für die Deutschen, gleich zweimal scheiterte Musiala am rechten Torpfosten (61./67.).

Flick hatte längst reagiert, nach Füllkug schickte er auch Havertz und den WM-Siegtorsch­ützen Mario Götze aufs Feld. Doch es kam noch schlimmer. Nach einem Freistoß herrschte Chaos im deutschen Strafraum, Vargas bezwang Neuer artistisch im zweiten Versuch.

Jetzt war es ein offener Schlagabta­usch. Havertz blieb nach Füllkrugs Zuspiel cool und hob den Ball zum Ausgleich über Navas hinweg. Kurz darauf hätte Füllkrug dann fast selbst wieder zugeschlag­en, doch nach einem tollen Konter warf sich Navas noch in seinen Schuss aus Nahdistanz. So war es wieder Havertz, der nach Gnabrys Flanke vollstreck­te und die Partie drehte. Füllkrug stellte den Endstand her. Doch das war am Ende zu wenig.

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FOTO: MICHAEL KIENZLER/IMAGO Joshua Kimmich (v.l), Jamal Musiala und Niklas Süle gehen enttäuscht vom Spielfeld.

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