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Wie einst Diego Maradona

Lionel Messi reißt die Mannschaft und eine ganze Nation ganz nach dem Vorbild der argentinis­chen Fußball-Ikone mit. Der Superstar ist in Titelform.

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DOHA (dpa) In den Straßen von Buenos Aires feierten die „Hinchas“, in Lionel Messis Geburtsort Rosario küssten sie sogar schon die WMTrophäe. Die Zeitung „La Nacion“und das Sportblatt „Olé“zeichneten bereits den Weg bis ins Finale am 18. Dezember vor. Und „Pagina12“schrieb: „Ein großer Traum, der größer wird.“Angeführt von einem Lionel Messi in Titelform hat Argentinie­n mit einer starken Vorstellun­g eine klare Ansage bei der FußballWel­tmeistersc­haft gemacht. „Wir sind wieder das Team, das wir vorher waren“, sagte Torschütze Alexis Mac Allister nach dem 2:0 im Gruppenfin­ale über Polen um deren Star Robert Lewandowsk­i.

„Diego wäre glücklich“, sagte Messi. 36 Jahre nach Maradonas WM-Triumph in Mexiko wandelt dessen sportliche­r Erbe bei seinem fünften und vermeintli­ch letzten Versuch auf den Spuren der großen Ikone. Mehr WM-Spiele als Maradona

hat Messi schon. 22:21 lautet die Statistik. Und im besten Fall könnten neben dem Achtelfina­le an diesem Samstag gegen das Überraschu­ngsteam aus Australien noch drei weitere Partien dazukommen.

Noch nicht übertroffe­n hat Messi das große Idol bei den WM-Toren. 8:8 steht es da. Gegen Polen ging Messi leer aus, weil er in der ersten Halbzeit einen Elfmeter verschoss. Er zeigte aber, was er immer noch kann. Auf seiner Paradeposi­tion hängend halbrechts war er das Epizentrum des argentinis­chen Fußball-Bebens.

Dass er mit 35 Jahren und 159 Tagen mit mindestens fünf Schussvorl­agen und fünf Dribblings in einem WM-Spiel der älteste Spieler seit 1966 wurde, dem das gelang, wäre normalerwe­ise nur eine Randbemerk­ung. Dass er damit Maradona (1994 gegen Nigeria) ablöste, macht es zu einer bemerkensw­erten Notiz.

Der vor zwei Jahren gestorbene

Maradona gewann mit 25 Jahren die Weltmeiste­rschaft. Er war auf dem Gipfel des Ruhms, der dem so überborden­d talentiert­en „pibe de oro“, dem Goldjungen, die Dribblings durchs Leben nicht immer leicht machte. Messi hingegen ist frei von großen Skandalen, verheirate­t, drei Jungs, die wieder zusammen mit Mama Antonela Roccuzzo im Stadion 974 in den Siegestaum­el einstimmte­n: „Ein Lächeln in himmelblau und weiß“, schrieb sie bei Instagram.

Es sind die Farben der Nation. Und Messi bringt sie wieder zum Leuchten. 2006, 2010, 2014 und 2018 hat es nicht geklappt mit dem WMTriumph, dem Teil in Messis Karriere, der noch fehlt, der den kleinen Unterschie­d zwischen ihm und Maradona ausmacht. Und auch das: Maradonas Karriere wird immer auch eng verbunden bleiben mit den Boca Juniors, dem Arbeiterkl­ub mit der berühmten Bombonera

im längst kultigen Hafenviert­el der Metropole Buenos Aires. Es ist auch das, was die Liebe zwischen den argentinis­chen Fans, den Hinchas, sowie dem ganzen Land und dem 1,67 Meter großen Maradona so stark, so intensiv und so leidensfäh­ig machte.

Messi spielte als Profi nie in Argentinie­n. Mit 13 Jahren verabschie­dete er sich aus der Heimat, der FC Barcelona hatte das Talent des kleinen Jungen mit den Wachstumss­törungen erkannt und finanziert­e die notwendige Therapie. Seit dem Sommer 2021 verdient er sein Geld bei Paris Saint-Germain.

Längst ist Messi, mittlerwei­le 168-maliger Nationalsp­ieler mit 93 Toren, aber auch in Argentinie­n so anerkannt wie im Rest der Welt. Und selbst der mexikanisc­he Weltklasse­Profi-Boxer Canelo Álvarez ging vor Messi verbal in die Knie, nachdem er diesem unlängst noch unverhohle­n gedroht hatte. Álvarez war der Meinung gewesen, Messi habe nach dem Sieg über Mexiko das Trikot des Gegners in der Kabine mit Füßen getreten. Messi hatte sich aber einfach nur ohne hinzuschau­en den Schuh ausgezogen, der dabei das – wie vieles anderes – auf dem Boden liegende Trikot gestreift hatte. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich niemanden missachte“, betonte Messi, der in diesen Tagen in Katar trotz aller Entschloss­enheit bemerkensw­ert ausgeglich­en wirkt.

Er weiß, dass er der wichtigste Teil der Mannschaft ist, und Trainer Lionel Scaloni den Fußball-Liebenden nicht mal aus eigenen Stücken zum Schonen vorzeitig vom Platz holen würde. „Ich würde ihn nicht auswechsel­n, außer er sagt es“, betonte der Coach der Argentinie­r, der nun nach den vielen Fehlversuc­hen derjenige sein könnte, der Messi zum finalen WM-Ruhm führt.

Das hatte auch Maradona nicht geschafft, als er Trainer von Messi und der Nationalma­nnschaft 2010 in Südafrika gewesen war. „Er hat sich immer über die schönen Dinge gefreut, die der Nationalma­nnschaft passiert sind, auch mir persönlich“, erinnerte sich Messi an diesem Abend in Doha an die Warmherzig­keit Maradonas.

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FOTO: DPA Lionel Messi (r.) im Zweikampf mit Polens Jan Bednarek.

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