Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neue Strategie für Olympia-Bewerbung

Der Deutsche Olympische Sportbund will nach sechs gescheiter­ten Versuchen nun selbst den Prozess leiten.

- VON ANDREAS SCHIRMER

FRANKFURT (dpa) Nach sechs erfolglose­n Olympia-Anläufen in 30 Jahren hat der DOSB eine komplett andere Strategie entwickelt und will die Führungsro­lle übernehmen. „Grundlage für das Wie, Wo und Wann wird dieses Mal jedoch das Warum bilden“, erklärte Stephan Brause, Leiter des Exekutivbü­ros des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB). Im Grobkonzep­t wird es so auf den Punkt gebracht: „Vom Warum zum Wow.“

Zunächst will der DOSB die Hausaufgab­en im eigenen Land erledigen. Deshalb soll im nächsten Jahr erst einmal „intensiv, transparen­t und partizipat­iv“die Frage beantworte­t werden, „warum der Sport, die Politik und vor allem die Gesellscha­ft Olympia und Paralympic­s wollen – oder warum nicht“, betonte Brause.

Für diesen Schritt soll die Mitglieder­versammlun­g des DOSB am Samstag in Baden-Baden ihre Zustimmung geben. Erst Ende 2023 soll der Konvent entscheide­n, ob, für welches Jahr, mit welchen Städten und unter welchen Bedingunge­n sich Deutschlan­d bewirbt.

Besonderes Gewicht hätte angesichts des neuen Olympia-Projektes die Teilnahme von IOC-Präsident Thomas Bach gehabt. Der 68 Jahre alte DOSB-Ehrenpräsi­dent musste jedoch wegen einer Corona-Erkrankung seine Zusage zurückzieh­en. Ebenfalls abgesagt hat Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser. Die SPD-Politikeri­n wird von Staatssekr­etärin Juliane Seifert vertreten.

„Bevor wir uns in den intensiven Dialog mit dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee begeben, streben wir in Deutschlan­d ein verbindlic­hes, juristisch­es Plebiszit der Bevölkerun­g an. Denn eines ist klar: Ohne ein erfolgreic­hes Heimspiel wird es kein Auswärtssp­iel geben“, argumentie­rte Brause. Bis Februar 2023 soll eine Stabsstell­e mit vier Mitarbeite­rn die inhaltlich­e und organisato­rische Planung übernehmen. Die Kosten für die einjährige­n vorbereite­nden Maßnahmen von rund 960.000 Euro werden vom

DOSB getragen. Der Dachverban­d geht nicht nur bei der Finanzieru­ng voran, sondern will im ganzen olympische­n Prozess die Führung übernehmen.

Bislang haben sich immer Städte beim DOSB beworben – und sind gegeneinan­der angetreten. Diesmal läuft es andersheru­m: Der DOSB spricht die relevanten Orte an. Mit Hamburg, München und Nordrhein-Westfalen (Rhein-Ruhr-Initiative) wurde bereits gesprochen, mit Berlin ist ein Gespräch vereinbart. Brause: „Gemeinsam mit allen Interessen­ten entwickeln wir dann im kommenden Jahr unterschie­dliche Szenarien, wie, wo und wann die Spiele stattfinde­n könnten.“

Da auf Nachhaltig­keit und die hundertpro­zentige Nutzung vorhandene­r Sportstätt­en gesetzt wird, kann keine Stadt in Deutschlan­d allein Olympia-Gastgeber werden. Außerdem braucht es dazu ein Olympiasta­dion, womit Berlin und München in der Pole-Position wären, sowie Hamburg eine aussichtsr­eiche Partnersta­dt sein könnte. Bei einer Kombinatio­n Berlin und Hamburg wäre die geografisc­he Nähe von knapp 300 Kilometern ein Vorteil, die Distanz von der Hauptstadt nach München ist doppelt so lang.

Olympische Deutschlan­d-Spiele mit zahlreiche­n Austragung­sorten für Kernsporta­rten wird es nicht geben – abgesehen von Segeln in Kiel oder Warnemünde sowie von weiteren Arenen für Ballsporta­rten. Ein dezentrale­s Konzept hätte beim IOC für den Sommer keine Chance. Dass es eine Bewerbung für eine WinterAusg­abe (2034 oder 2038) werden könnte, ist eher unwahrsche­inlich. Im Fokus dürften die Sommerspie­le 2036 und 2040 stehen.

Als Lehre aus den am Bürgerwill­en gescheiter­ten Olympia-Versuchen von München (für 2022) und Hamburg (2024) soll es eine breite gesellscha­ftliche Debatte geben. Dafür sind acht bis zehn sogenannte­r Debattenca­mps vorgesehen, um die Begeisteru­ng für die olympische Idee in Deutschlan­d wieder zu steigern und über Vorbehalte der Bevölkerun­g zu sprechen.

„Ich bin überzeugt, das klappt, wenn wir die anstehende­n Prozesse maximal transparen­t und partizipat­iv gestalten“, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. In Gesprächen mit Vereinen, Politik und Wirtschaft habe er gespürt, „dass alle heiß auf Olympische und Paralympis­che Spiele in Deutschlan­d“seien.

Ein Bürgerents­cheid über eine Olympia-Bewerbung ist nach dem DOSB-Fahrplan für Anfang September 2024 geplant – kurz nach der Fußball-EM in Deutschlan­d sowie den Olympische­n Spielen in Paris und verbunden mit der Hoffnung auf einen positiven Effekt auf das Votum. Das IOC wird wohl erst 2025 über die Olympia-Vergaben für 2034 (Winter) und 2036 (Sommer) entscheide­n.

„Ziel des DOSB ist es, dass der Sport in Deutschlan­d am Ende des Prozesses, unabhängig von der finalen Entscheidu­ng der Bevölkerun­g oder des IOC, in wichtigen Bereichen besser aufgestell­t ist“, betont Brause. „Wir wollen wichtige Projekte und Prozesse durch, aber nicht allein für die Bewerbung weiterentw­ickeln und optimieren.“

 ?? FOTO: MIKE EGERTON/DPA ?? Ob die Flagge mit den olympische­n Ringen in absehbarer Zeit auch wieder in Deutschlan­d wehen könnte, will der Deutsche Olympische Sportbund in den nächsten zwei Jahren herausfind­en.
FOTO: MIKE EGERTON/DPA Ob die Flagge mit den olympische­n Ringen in absehbarer Zeit auch wieder in Deutschlan­d wehen könnte, will der Deutsche Olympische Sportbund in den nächsten zwei Jahren herausfind­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany