Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die „Pistole“als Teil der Gesellenprüfung
Adrian Schraa hat seine Ausbildung zum Fleischer nicht nur als Kammersieger abgeschlossen. Zwei weitere Auszeichnungen folgten. Was er in der Praxis unter Beweis stellen musste und warum er auf Wanderschaft gehen will.
GLEHN In den meisten Sprachen klingt sie nahezu identisch: Auf Deutsch ist es die „Pistole“, auf Englisch der „Pistola cut“, im Italienischen die „Pistola“und von der „coupe pistolet“sprechen die Franzosen. Wer jetzt sofort an Waffen denkt, irrt gewaltig. Die Rede ist von Fleisch, genauer gesagt vom Rinderhinterviertel. Und wenn diesem der Lappen abgenommen wird, dann hat man sie – die Pistole. Und ebendiese spielte für Adrian Schraa eine wichtige Rolle. Denn das bis zu 100 Kilogramm schwere Fleischteilstück musste er zerlegen. Das war eine Aufgabe bei seiner Prüfung zum Metzgergesellen. Und die bestand er mit Bravour. Der 23-Jährige wurde nicht nur Jahresbester im Rhein-Kreis Neuss, sondern auch im Bereich der Handwerkskammer Düsseldorf. Damit nicht genug: Der Fleischerverband NRW zeichnete ihn zudem mit dem dritten Platz landesweit aus.
Dass er mit all diesen Auszeichnungen seine Ausbildung zum Metzgergesellen in der Fleischerei Erkes in Glehn abgeschlossen hat, ist unter anderem auf seine Fertigkeiten mit der besagten Pistole zurückzuführen. „Wir mussten die Pistole innerhalb von zwei Stunden in Roastbeef, Keule und Filet zerlegen“, erklärt Schraa. „Beurteilt wurde dann unter anderem, wie schön und sauber die Teilstücke zerlegt wurden.“
Das erfordere sehr viel Technik, aber auch Kraft, ergänzt sein Chef Udo Erkes. Als Lehrlingswart der Innung im Raum Viersen, Krefeld und Neuss war er am Tag von Schraas Prüfung auch in Essen. In der dortigen Bildungsstätte im Frischezentrum Essen – auch BiF genannt – fanden die Prüfungen von mehreren Auszubildenden statt. Die Berufsschule
sei auf Fleischer spezialisiert und aus ganz NRW lassen Innungen in Essen prüfen, erklärt Erkes. „Ich habe Adrian Schraa selbstverständlich nicht geprüft“, betont er.
Nachdem die Pistole zerlegt war, musste Adrian Schraa sogenannte küchenfertige Erzeugnisse herstellen. Eine Auswahl eben jener noch rohen Produkte, die in vielen Fleischertheken angeboten werden. „Ich habe einen Schweinenacken Düsseldorfer Art, gefüllt mit Senf und Zwiebeln, gemacht“, sagt Schraa. Zudem bereitete er Spieße aus der Rinderhüfte vor. Einen normalen Holzspieß wählte er dafür nicht. „Ich habe verholzte, stabile Rosmarinzweige angespitzt und darauf das Fleisch aufgespießt. Dadurch bekommt es ein zusätzliches Aroma“, erklärt Schraa.
Zudem musste er eine Wurstplatte legen. „Ich hatte das Wahlfach Verkauf und sollte eine Platte anlegen, wie sie beispielsweise Kunden für bestimmte Gelegenheiten bestellen“, so Schraa. Zudem musste er einen Präsentkorb im Wert von 50 Euro packen. Er hatte das Thema Altbier gewählt und dafür schon die passenden Artikel mitgenommen.
„Wir arbeiten eng mit der BoltenBrauerei zusammen“, sagt Erkes. Entsprechend war der Präsentkorb mit Altbiersalami, Bierbeißern, Altbierwurst im Glas, aber auch Bierpfeffer von Bolten bestückt.
Abgeschlossen war damit die Prüfung noch längst nicht: Noch während er die Pistole zerteilte, musste er zwischendrin eine Fleischwurst herstellen. Diese Vorgabe sei Pflicht, so Schraa. Dafür musste er den Kutter bedienen. „Das ist ein riesiger Pürierstab in einer kreisenden Schüssel.“Nach dem Kuttern – das Wort stammt aus dem Englischen „to cut“ für schneiden – kommt die Masse in die Wursthülle und wird gebrüht.
„Auf das Probieren freuen wir uns dann schon meistens“, gibt Udo Erkes zu. Denn nicht nur für die Prüflinge sei die Zeit lang, bis es endlich etwas zu essen gibt. Währenddessen ging es für Adrian Schraa – so wie für die anderen angehenden Gesellen – im Prüfungsstress weiter. Er hatte das Wahlpflichtfach Kochen und kredenzte den Prüfern zum Abschluss Schweinefilet in PfefferCognac-Rahmsauce. Dafür wählte er Kubebenpfeffer. „Der ist besonders fruchtig“, erklärt Schraa.
Wie es nun für ihn weitergeht? „Zunächst kommt Weihnachten“, sagt Schraa. „Das ist unser Hauptgeschäft“, ergänzt sein Chef. Und dann geht Schraa auf Wanderschaft – vermutlich erst nach Bayern und dann Richtung Norddeutschland. „Mindestens ein halbes Jahr lang möchte ich Metzgereien in anderen Bundesländern kennenlernen“, sagt Schraa. Aber zurückkommen werde er auf jeden Fall nach Glehn. „Und dann meinen Meister machen.“